Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gebe gern zu und bin davon überzeugt, daß die Arbeitslosenversicherungsfrage immer eine schwierige Frage ist. Wir haben dies wiederholt in den Jahren vor 1933 und
l auch jetzt in jüngster Vergangenheit erleben können. Wenn man sich bis zur Währungsreform weniger Gedanken darüber gemacht und nicht versucht hat, Möglichkeiten zu schaffen, um bestimmte Erscheinungen in der Arbeitslosenversicherungsgesetzgebung zu ändern, so liegt das doch einfach daran, daß während der RM-Zeit praktisch Arbeitslose nicht vorhanden waren. Anders sind die Dinge aber durch alle die mit der Währungsreform zusammenhängenden Umstände geworden.
Es kann nicht bestritten werden, daß in ,der Vergangenheit gerade Lehrlinge in großem Maße arbeitslos geworden sind. Was hat's denn für einen Zweck, wenn man bei der Ausbildung der Lehrlinge noch Kosten aufwendet und wenn der Lehrling dann nicht in der Lage ist, das Erlernte in seinem Beruf auszuüben, wenn er schließlich als ungelernter Arbeiter irgendeine Stellung annehmen muß. Ich glaube, das ist doch wirklich nicht der Sinn der Schaffung von Lehrstellen und der Ausbildung von Facharbeitern. Wenn wir wissen, wie sich unsere Bevölkerungsverhältnisse ändern werden, so daß uns in einigen Jahren gegenüber heute nur ein Teil der schulentlassenen Jugendlichen zur Verfügung steht, um ,den notwendigen Facharbeiternachwuchs zu schaffen, so müssen wir jetzt gesteigerten Wert darauf legen, daß jeder Ausgelernte in seinem Beruf bleibt, sich dort durch seine praktische Tätigkeit; und die gesammelten Erfahrungen zu einem tüchtigen, für unsere gesamte Volkswirtschaft notwendigen Facharbeiter ausbildet. Das war einer der Gründe, warum die Gewerkschaften sich vor Jahren schon an den damaligen Direktor der Verwaltung für Arbeit und den jetzigen Bundesarbeitsminister Anton Storch gewandt haben, um in dieser Beziehung eine gesetzliche Änderung zu erreichen. Es ist nichts geschehen. Wenn Sie die Ausführungen des Bundesarbeitsministers aufmerksam verfolgt haben, so hat er selbst zum Ausdruck gebracht: Es ist alles äußerst kompliziert; uns fehlen die Unterlagen; wir bekommen sie nicht oder wir haben sie nicht. Dahinter muß ich ein großes Fragezeichen setzen, und ich habe mindestens das Recht, mich darüber sehr, sehr zu wundern. Nach Ansicht des Bundesarbeitsministers können wir diese Probleme nicht lösen. So kann es nicht gehen. Wir haben in dem Gesetzentwurf, den wir dem Hohen Hause unterbreitet haben, den Versuch gemacht, die Probleme zu lösen. Ich bin davon überzeugt, daß wir sie gut gelöst haben im Interesse der Lehrlinge, unseres Facharbeiternachwuchses und unserer gesamten Volkswirtschaft. Das ist das Entscheidende.
Was nun die Landwirtschaft anlangt, so hat Herr Kollege Sabel von offenen Arbeitsplätzen gesprochen. Das ist uns bekannt. Mein Kollege Kinat hat von einer recht großen Zahl von Arbeitslosen gesprochen in einer Zeit, da in der Landwirtschaft doch Hochkonjunktur ist. Warum sind denn diese Gegensätze, auf der einen Seite die große Zahl von Arbeitslosen, auf der andern Seite freie Arbeitsplätze? Wir wissen alle, wie die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft liegen. Solange wir nicht zu gesunden Arbeitsverhältnissen in der Landwirtschaft kommen, solange wird das Problem so auch weiter bleiben. Deshalb unsere Anregungen, auch hier zu Abänderungen zu kommen.
Dabei gebe ich gern die vom Arbeitsminister geschilderten Schwierigkeiten zu, die aber nicht bei
dem Arbeiter in der Landwirtschaft liegen, sondern bei dem Arbeitgeber in der Landwirtschaft. Es ist bedauerlich, daß man solche Ausführungen hier von dem verantwortlichen Bundesminister hören muß, was praktisch doch bedeutet, daß die Arbeitgeber in der Landwirtschaft — gelinde gesagt — nicht ganz fair verfahren.
Was nun die Frage des Mindestentgelts anlangt, so bin ich überrascht über die Ausführungen meines verehrten Kollegen Sabel, der den Wochenlohn von 25 DM in dieser Frage zu hoch ansieht.
— Lieber Kollege Sabel, — —
- Nein? Gut! Das sind 50 Pfennig pro Stunde, Kollege Sabel. Sie haben gemeint, es gebe noch Arbeitnehmer, die weniger als 50 Pfennig verdienten. Von Arbeiterinnen weiß ich es nicht, aber Arbeiter mit noch geringerem Verdienst dürfte es kaum geben.
Sie müssen hier bedenken, verehrter Kollege
Sabel, daß es sich um einen ausgebildeten Facharbeiter handelt. Ich glaube, darin sind wir uns
sicher beide einig - denn Sie halten ihn für genau
so wertvoll wie ich —, daß der ausgebildete Facharbeiter, der seine Lehre erfolgreich beendet hat,
mindestens unter den heutigen lohnpolitischen Verhältnissen, einen Wochenlohn von 25 Mark bzw.
einen Stundenlohn von 50 Pfennig erhalten muß.
Was die Frage des Einheitlichen anlangt, so wollen wir im Ausschuß gern darüber reden; für solche Sachen bin ich zu haben. Das Einheitliche haben wir in Art. 6 niedergelegt, worin wir festgestellt haben, daß bei einem Entgelt bis zu 100 DM pro Monat oder 23,30 DM pro Woche der Arbeitgeber den Beitrag allein zu zahlen hat.
Nun meint Kollege Dr. Atzenroth, daß der Arbeitgeber dies gerne tue, weil er die soziale Notlage der Arbeiter, die unter 100 DM verdienten, — hoffentlich — würdige.
Ich bitte, dieses Gesetz auch dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen, damit die soziale Seite der Frage mit beachtet wird.