Ich will auch nicht ausführlich über den mir vorliegenden Bericht des Statistischen Bundesamtes vom 7. September sprechen, obwohl das ja Tatsachen sind und obwohl diese Tatsachen trotz aller Beanstandungen an der Statistik eine bemerkenswerte Sprache sprechen. Immerhin läßt sich dieser Bericht dahin zusammenfassen, daß sich Preiserhöhungen und Preissenkungen der letzten Wochen ausgeglichen haben, so daß bisher — ich betone: „bisher" — im Durchschnitt die Lebenshaltung eines Arbeitnehmers nicht erkennbar verteuert ist. Ich zitiere wörtlich. Ich weiß, daß eine solche Verteuerung zu erwarten steht, und ich will die Dinge damit abschließen, daß ich sage: niemand kann behaupten, daß die Verteuerung so grundlegend ist, daß man daraus das Recht herleiten könnte, folgenschwere Eingriffe in ein so wichtiges Prinzip, als welches ich vorhin die Tarifhoheit der Sozialpartner gekennzeichnet habe, zu begründen.
Ich meine, man sollte einsehen — und die letzten Ausführungen unseres Kollegen Arndgen haben ein weiteres, ein rein tatsächliches Moment hinzugetragen —, wie gefährlich es ist, derartige Tendenzen in dieser Zeit zu verfolgen. Ich kann mich, wie schon beim Bauarbeiterstreik in Hamburg, nicht ganz des Gedankens erwehren, daß hier politische Dinge stark mitschwingen. Die Regierung hat, wie Sie wissen, beide Sozialpartner — nicht nur die Arbeitnehmer — ermuntert und
aufgefordert, Mäßigung zu halten. Ich bin fest überzeugt, daß das beiden Teilen gegenüber gleich ernst gemeint ist. Keiner soll die Schuld auf den anderen schieben. Auch in keiner Gruppe soll die Schuld von dem einen Teil auf den anderen, sagen wir, von den Angestellten auf die Arbeiter, von der Industrie auf den Handel oder umgekehrt, geschoben werden.
Nun haben die Arbeitnehmer, speziell die an Rhein und Ruhr, in den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch eine große Mäßigung gezeigt, die auch immer anerkannt worden ist. Dieser Entwurf aber, so wenig er auch nach den Ausführungen von Herrn Arndgen in tatsächlicher Beziehung bedeuten mag, läßt diese Mäßigung vermissen.
Wie wäre es, meine verehrten Damen und Herren, wenn wir uns an ein Wort unseres Bundespräsidenten erinnerten, das er an dieser Stelle am 7. September 1950 diesem Hause zugerufen hat, daß nämlich das deutsche Volk doch ein wenig mehr Geduld mit sich haben möchte. Verlangen kann man das nur, ein solches Ansinnen an Arbeitnehmer und Arbeitgeber kann man nur stellen, wenn man davon überzeugt ist, daß die Bundesregierung mit bestem Willen alles tut, um die Frage Preise und Löhne, die bei Gott nicht ganz einfach ist, in Ordnung zu halten. Wir glauben, daß sie den besten Willen dazu hat; und ich meine, der Bundestag hat eigentlich keine andere Aufgabe, als ihr dabei zu helfen und ein Ausgewogensein von Löhnen und Preisen, das gewisse Korrekturen auch bei den Löhnen nicht unbedingt grundsätzlich auszuschließen braucht, zu erhalten. Ich glaube, wir tun das Gegenteil von der Aufgabe unseres Hauses, die ich eben kennzeichne, o wenn wir dem Gedanken, von dem der Entwurf des Gesetzes getragen ist, zustimmen, denn es könnte doch wohl allzuleicht als eine Aufforderung angesehen werden, die Spirale Löhne — Preise in eine rasche Bewegung zu setzen.