Hoffentlich unterbrechen Sie mich nicht so sehr mit Zwischenrufen.
Der Bundestag faßte am 27. April 1950 einstimmig einen Beschluß; in diesem Beschluß sagt er, er wolle alle Maßnahmen treffen,
damit der in Gang kommende Wiederaufbau der deutschen Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei keine Unterbrechung erfährt, sondern mit Beschleunigung angesichts des Jahres 1952 durchgeführt werden kann.
Aus diesem Grunde sind die Einfuhren landwirtschaftlicher Erzeugnisse, sowie die Abmachungen in den Handelsverträgen so zu steuern, daß die Steigerung der landwirtschaftlichen Inlandserzeugung und Verarbeitung durch ungeregelte Importe keine Störung er-
fährt. In den Handelsverträgen sind hinsichtlich landwirtschaftlicher Positionen Vereinbarungen nicht nur mengenmäßig, sondern auch jahreszeitlich unter Einführung der notwendigen Schutzbestimmungen herbeizuführen. Angesichts der zu erwartenden Produktionsausweitungen der deutschen Landwirtschaft ist für die nächste Zeit von langfristigen Abmachungen, die die Landwirtschaft berühren, abzusehen.
Das ist der Beschluß vom 27. April 1950, der die Landwirtschaft angeht. Inzwischen ist diese Politik des Abbaues aller Handelsschranken, die als Liberalisierung bezeichnet wird, nicht geändert worden. Die landwirtschaftlichen Fachblätter berichten übereinstimmend darüber, daß die Absatzschwierigkeiten und die dadurch erfolgten Preiseinbrüche die Bauern zwingen, Gemüse und Obst auf den Feldern verfaulen zu lassen, da vielfach die Erzeugerpreise kaum mehr die Pflückkosten decken. Verschärft wurden diese Absatzschwierigkeiten außerdem durch die steigenden Preise auf allen anderen Gebieten, die das Kaufvolumen der breiten Volksschichten einschränken. Die Bundesregierung hat in ihrer praktischen Politik den Beschluß des Bundestages vom 27. April 1950 ignoriert.
Bereits in Nr. 19 der Deutschen Bauernzeitung vom 11. Mai 1950 schrieb Staatssekretär Dr. Sonnemann zu diesem Beschluß des Bundestages:
Die Bundesrepublik kann erst seit einigen Monaten als selbständiger Partner in Handelsvertragsverhandlungen auftreten, wobei ihre Bewegungsfreiheit stark beengt ist.
Widerspruchsvoll erklärt Dr. Sonnemann aber in diesem Artikel weiter, daß
die Bedeutung des Bundestagsbeschlusses darin liege, daß es -nun eine bindende Richtlinie für alle Handelsvertragsdelegationen der Bundesrepublik gäbe, die sich in Widerspruch zum einstimmig erklärten Willen des Bundestages stellen würden, wenn sie Einfuhren von landwirtschaftlichen Produkten vereinbaren würden, die nach Jahreszeit oder Menge über den tatsächlichen Bedarf hinausgingen.
Es kann für niemanden Zweifel geben, daß die Überschwemmung des westdeutschen Marktes, die auch nach dem seinerzeitigen Bundestagsbeschluß weiterhin anhielt, und daß durch neue Vertragsabschlüsse — ich erwähne hier besonders die Verlängerung des Vertrages mit Frankreich und den neuen Handelsvertrag mit Portugal, wovon letzterer dei Ausfuhr von 60 °Io landwirtschaftlicher Erzeugnisse nach Westdeutschland beinhaltet —, sowie die Erweiterung der Liberalisierung, die unter anderem Leinsaaten, Schmalz, schmalzartige Fette, Schweine- und Gänsefette usw. beinhaltet, der Beweis erbracht ist, daß die Bundesregierung nicht daran denkt, sich an den Bundestagsbeschluß zu halten.
Herr Professor Niklas erklärte in all seinen Reden, daß die Liberalisierung unausweichlich sei und daß man dagegen nicht ankommen könne, denn diese werde von den Amerikanern gewünscht. Bereits am 25. Juli 1950 kündigte die Agrarpolitische Pressekorrespondenz die dritte Liberalisierungswelle an und verwies darauf, daß bis Ende dieses Jahres 75% der Einfuhren liberalisiert werden sollen, denn nach dem Beschluß der OEEC sollen bis zum Jahre 1951 alle mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen aufgehoben sein.
Es ist klar, daß, solange sich die Bundesregierung restlos den amerikanischen Wünschen unterwirft, an einen Schutz der deutschen Landwirtschaft vor störenden Einfuhren nicht gedacht werden kann und die Bundesregierung deshalb solange niemals daran denken wird, den Bundestagsbeschluß vom 27. April zu realisieren. Aus dieser Erkenntnis stellte die Fraktion der KPD bereits am 19. Juli 1950 den Antrag, der die Rückführung der den westdeutschen Außenhandel betreffenden Hoheitsrechte in deutsche Hand und Wiederherstellung eines freien Außenhandels für ganz Deutschland mit allen Ländern, die auf der Grundlage der Gleichberechtigung und der Wahrung der gegenseitigen Interessen solche Handelsbeziehungen wünschen.
In Punkt 3 ihres Antrages fordert die KPD den großzügigen Ausbau des innerdeutschen Handels durch Ausnutzung aller Möglichkeiten des Warenaustausches. Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik hat erst vor kurzem durch Ministerpräsident Otto Grotewohl erklären lassen, daß sie jederzeit bereit ist, sofort ein Warenaustauschabkommen mit Westdeutschland
in Höhe von über i Milliarde Mark abzuschließen.