Rede von
Dr.
Herwart
Miessner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DRP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß leider das Wort ergreifen, um im Namen der Gruppe der Deutschen Reichspartei die interfraktionelle Erklärung zu ergänzen. Mit Befremden muß ich aussprechen, daß die verlesene interfraktionelle Erklärung leider nicht eine solche des ganzen Bundestages außerhalb der KPD war. Das ist aber nicht unsere Schuld. Wir haben bereits anläßlich des ähnlichen Verfahrens einer interfraktionellen Erklärung bei der Frage der Oder-Neiße-Linie moniert, daß man eine kleinere Gruppe in diesem Hause, die gewiß nicht abseits steht, in diesen großen Dingen geflissentlich ausschließt. Ich appelliere daher heute nochmals in aller Öffentlichkeit an die Loyalität und Toleranz dieses Hauses auch gegenüber den kleineren parlamentarischen Gruppen hier im Hause.
— Ich spreche nicht für Herrn Dr. Dorls, sondern ich spreche für die Gruppe der Deutschen Reichspartei, die mit Hospitanten insgesamt aus 7 Mann besteht.
Mir ist aber eben gesagt worden, es sei an sich kein Zufall, daß wir ausgeschlossen sind, sondern die Fraktion der SPD weigere sich, eine gemeinsame interfraktionelle Erklärung zu unterschreiben, an der wir teilnehmen. Ich möchte der SPD dazu sagen, daß — wenn man die Dinge im Großen in der Welt betrachtet — der Graben nicht da liegt, sondern dort (zur KPD
weisend) liegt, nämlich zwischen der KPD und dem gesamten übrigen Hause. Das möge man sich doch selber sagen, und ich glaube, östlich des Vorhangs lacht man sich ob solcher intoleranten Methoden hier im Hause ins Fäustchen.
Zu der Erklärung selbst. Wir begrüßen die Proklamation des Herrn Bundeskanzlers in ihrem vollen Inhalt. Wir begrüßen auch die angekündigten Gegenmaßnahmen des Bundesministers Kaiser. Es geht in der Tat nicht an, daß man eine Demokratie und eine demokratische Staatsform dadurch mißbrauchen kann, daß man ungestraft und vor allen Dingen ohne jedes Risiko gegen sie wühlen und sie unterhöhlen kann. Das ist ein ungleicher Kampf zwischen einer Demokratie und einer Diktatur, bei der selbstverständlich die Demokratie auf jeden Fall den kürzeren ziehen muß. Es ist also richtig — und wir unterstützen die angekündigten Maßnahmen —, daß man in Zukunft Leute, die diesen Staat hier bewußt unterhöhlen, auch mit entsprechendem Risiko belegt. Das fordert einfach der Selbsterhaltungstrieb.
Aber es geht natürlich nicht, lediglich in einer gewissen Passivität zu verharren und nur gelegentlich zurückzuschlagen, wenn man angegriffen wird. Ich glaube, den Ausführungen des Herrn Bundesministers Kaiser doch hinzufügen zu müssen, daß wir unter allen Umständen weltanschaulich offensiv werden müssen. Denn es ist leider, leider nicht so, daß alle Jugendlichen, die in Berlin beim FDJ-Treffen waren, da hineingepreßt waren! Das wissen Sie wohl auch. Wie sollte es auch anders sein! Die Jugend hat von Freiheit keine Vorstellung. Da das menschliche Gehirn nur relativ denken kann, d. h. nur in den Begriffen, die es in seiner Jugend aufgenommen hat, ist die Jugend heute — man kann wohl sagen etwa bis zum 30. Lebensjahr — überhaupt nicht in der Lage, die Mängel einer Diktatur, einer solch handfesten Diktatur, wie sie drüben vorgeführt wird, zu erkennen. Es ist daher höchste Zeit, nicht länger an unserer eigenen Jugend vorbeizureden. Mit unserer eigenen Jugend sollten wir möglichst bald ins Gespräch kommen! Man erwartet von uns, die wir als Parteien insgesamt — was ich glaube sagen zu können — diese Dinge ja noch nicht gelöst haben, einen politisch neuen Inhalt, eine politische Weiterentwicklung aus der Gegenwart heraus — und nicht aus der Zeit von vor 20 Jahren, die die Jugend ja aus 'eigener Anschauung gar nicht kennt. Dieses Kernproblem kann ich in diesem Rahmen heute nur andeuten. Ich glaube aber, ich bin von jedem verstanden worden. Nur bei wahrhaft organischer politischer Weiter- und Fortentwicklung aus der letzten Vergangenheit heraus werden wir die Kräfte mobilisieren, die wir benötigen, um in Zukunft gegenüber dem kollektivistischen System nicht nur leben, sondern als freie Menschen weiterleben zu können, wie es der Herr Bundespräsident selbst anläßlich der Feierstunde vor einer Woche hier so schön ausgesprochen hat.