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    Deutscher Bundestag — 85. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. September 1950 3183 85. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 14. September 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . 3183D, 3215C Anregung des Altestenrates auf Änderung der 99 und 100 der Geschaftsordnung betr. Bezweitiung der Beschiußrahigkeit 3184A Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung (Wahlen in der sowjetischen Besatzungszone am 15. Oktober 1950) 318413 Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 3184B Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche tragen . . . 3185A Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Wehner (SPD), Vorsitzender des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen 3187B Frau Thiele (KPD) 3188C Dr. Miessner (DRP) 3192D Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Maßnahmen zum Schutze der deutschen Landwirtschaft (Nr. 1189 der Drucksachen) 3193C Harig (KPD), Antragsteller . . . 3193C Kriedemann (SPD) 3195B Erste Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung der Bestimmungen der Zweiten Verordnung über die Vereinfachung des Lohnabzugs (Nr. 1249, z u Nr. 1249 der Drucksachen) . . 3195C Frau Kalinke (DP), Antragstellerin 3195C Richter (Frankfurt) (SPD) . . . . 3198B Arndgen (CDU) 3199C Dr. Wellhausen (FDP) 3200B Storch, Bundesminister für Arbeit . . . 3200C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Kündigung von Tarifverträgen (Nr. 1269 der Drucksachen) . . 3201A Bergmann (SPD), Antragsteller . 3201B Arndgen (CDU) 3202A Dr. Wellhausen (FDP) 3203A Walter (DP) 3204B Frau Strobel (SPD) 3204D Storch, Bundesminister für Arbeit 3206D Harig (KPD) 3207C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachte Entwurfs eines Gesetzes auf Authebung des Erlasses des RReicnsarbeitsmmisters vom 10. November 1933, des sogenannten Führererlasses vom 21. Dezember 1938 und der Verordnung über den Arbeitseinsatz vom 25. März 1939 (Nr. 12'10 der Drucksachen) 3208B Freidhof (SPD), Antragsteller . . 3208C Storch, Bundesminister für Arbeit 320913 Sabel (CDU) 3210A, D Dr. Dresbach (CDU) 3210C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für verdrängte Angehörige des öffentlichen Dienstes (Nr. 1287 der Drucksachen) 3211A Ritter von Lex, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern 3211A Dr. Weber (Koblenz) (CDU) . . 3211D Kohl (Stuttgart) (KPD) 3213B Dr. Brill (SPD) 3213D Dr. Falkner (BP) 3214D Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz) (FDP) 3215A Nächste Sitzung 3215C Die Sitzung wird um 14 Uhr 40 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Rede von Grete Thiele


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Herren und Damen! Die Erklärung, die von seiten der Regierung abgegeben worden ist, und die interfraktionelle Erklärung veranlassen mich, einmal die Motive für diese Erklärung zu untersuchen, und zwar aus der Entwicklung seit 1945.
    Mit ,der bedingungslosen Kapitulation des faschistischen Staates war die Epoche der Aggression abgeschlossen. Die völkerrechtliche Ausgangsposition .des deutschen Volkes für den Aufbau eines demokratischen Deutschlands ist das Potsdamer Abkommen. So wie die bedingungslose Kapitulation die Aufgabe der Zerschlagung des militärischen Instruments der Aggression abschließt, so eröffnet das Potsdamer Abkommen auch gleichzeitig die Phase des Rechts der deutschen Bevölkerung auf die Erfüllung der feierlichen Erklärungen der alliierten Mächte von Potsdam. Die Schaffung der Grundlagen der Demokratie beruht auf der Erhaltung dem Anspruch dieser Nation auf einen einheitlichen Staat mit allen Konsequenzen auf dem Gebiete der Wirtschaft, der Justiz und ides Erziehungswesens. Dabei müssen, dem Buchstaben und dem Sinn des "Potsdamer Abkommens entsprechend, diese Organe demokratisch sein. Das bedeutet aber: Die Verwaltung und die Justiz müssen von jenen Kräften gesäubert werden, die den letzten Angriffskrieg getragen haben. Die Wirtschaft muß von den Monopolen und Konzernen befreit sein, die Träger dieser Aggression waren. Der Großgrundbesitz mußte zerschlagen werden, um die Überreste des Junkertums als Wurzel des Militarismus zu entmachten und im Erziehungswesen die Ausschaltung aller chauvinistischen und militaristischen Tendenzen zu garantieren.
    Diese Forderungen von Potsdam sind identisch mit den Wünschen ,der besten deutschen Patrioten seit Jahrzehnten, sind identisch mit den Interessen des ganzen deutschen Volkes. Diese Forderungen aber bedeuten gleichzeitig auch die Lösung der unmittelbaren täglichen Sorgen von Millionen Deutschen, die Befreiung der Frauen und Mütter von der ewigen Sorge um den Tod ihrer Kinder auf den Schlachtfeldern, die Befreiung der deutschen Arbeiter von dem ständigen Druck der wirtschaftlichen Machtkonzentrationen, der außerhalb jedes Gesetzes der Demokratie steht und der jedes Gesetz der Demokratie mißachtet, die jahrhundertelangen Sorgen der deutschen Kleinbauern wie auch die neuen Sorgen ,der umgesiedelten Deutschen auf Anrecht auf Grund und Boden, auf dem sie mit ihren Familien leben können, die Überwindung der Not der deutschen Jugend, die nicht für einen neuen


    (Frau Thiele)

    Krieg mißbraucht werden will, sondern für friedliche Arbeit lernen will.
    Das waren die inneren Voraussetzungen des Potsdamer Abkommens und waren zugleich Verpflichtung für die Alliierten. Gleichzeitig aber schafft das Potsdamer Abkommen auch die äußeren Voraussetzungen, um Deutschland als friedliche Nation in die Völkergemeinschaft zurückzuführen. Es regelt die Frage der Beziehungen zwischen Deutschland und Polen, ,die von jeher von den Kräften des Krieges in Deutschland dazu benutzt wurden, um ihre Raubzüge zu motivieren. Und jeder, der heute an die 'im Potsdamer Abkommen festgelegten Grenzen tastet, will nichts anderes als einen neuen Krieg.

    (Abg. Kohl [Stuttgart] : Sehr richtig!)

    Für wen hat Hitler den Überfall auf Polen und den Marsch in die Ukraine und an ,die Wolga gemacht? Goebbels hat es gesagt: Weil sie sich gesundstoßen wollten am kaukasischen Öl, am ukrainischen Weizen —, nicht für das 'deutsche Volk! Die Umsiedler, die man mit der Hetze gegen die Oder-Neiße-Grenze für einen neuen Krieg gewinnen will, sollen nicht in die Gebiete zurück, um dort zu siedeln, sondern sie sollen in Massengräbern sterben, weil ihre Forderungen auf ein menschenwürdiges Leben hier in Westdeutschland langsam unbequem werden. Die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze als Friedensgrenze bedeutet den ewigen Frieden mit dem polnischen Volk, sie ist ein entscheidender Beitrag für die Erhaltung des Friedens in der Welt.
    Die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze ist aber gleichzeitig ein Anspruch auf alles, was sonst
    in dem gleichen Abkommen steht. Es macht alle weiteren Gebietsforderungen völkerrechtswidrig. Es macht die Teilung Deutschlands völkerrechtswidrig. Die Anerkennung macht jede Handelsbeschränkung innerhalb Deutschlands völkerrechtswidrig. Sie macht aber auch völkerrechtswidrig die Anwesenheit jeder Besatzungsmacht für andere Zwecke als den der Erfüllung der im Potsdamer Abkommen festgelegten Verpflichtung: Vorbereitung für einen Friedensvertrag mit Gesamtdeutschland und Rückgabe der Souveränität an ein friedliches demokratisches Volk. Die Anerkennung macht es auch völkerrechtswidrig, deutsche Menschen wieder unter Gewehr zu stellen, sie in Söldnerarmeen für fremde Interessen zu pressen, wie es in Westdeutschland jetzt bereits geschieht und weiterhin beabsichtigt ist. Sie macht alles zu einer völkerrechtlichen Handlung, was geeignet ist, die Existenz eines geeinten, friedlichen, demokratischen Deutschlands zu sichern. Alles was sich der Absicht widersetzt, Deutschland zur Aufmarschbasis für einen neuen Krieg zu machen, steht in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht.
    Auf dieser Plattform ist in den Außenministerkonferenzen die Sowjetunion auch aufgetreten und hat in ihrer Praxis als Besatzungsmacht allein so gehandelt. Die westlichen Besatzungsmächte unter Führung Amerikas sind bereits 1946 mit der Stuttgarter Rede des damaligen Außenministers Byrnes offiziell vom Potsdamer Abkommen abgerückt und haben dann Zug um Zug dieses Abkommen gebrochen. Die Demokratisierung der Wirtschaft und die Bodenreform wurden sabotiert. Statt die Entmilitarisierung durchzuführen, wird aufgerüstet. Es wurde keine Schulreform durchgeführt. Das in der hessischen Verfassung festgelegte Mitbestimmungsrecht und der Landtagsbeschluß von Nordrhein-Westfalen über die Sozialisierung wurden außer Kraft gesetzt. Mit all diesen und anderen Maßnahmen wurden die Voraussetzungen zur Schaffung einer wirklichen Demokratie sabotiert.
    In einer weiteren Konsequenz des Bruchs des Potsdamer Abkommens haben die westlichen Besatzungsmächte mit deutscher Hilfe das Surrogat eines Staates für Westdeutschland geschaffen. Unter arglistiger Täuschung, nur ein Provisorium zu schaffen, wurde der westdeutschen Bevölkerung eine Verfassung oktroyiert, von 'der den Massen in Westdeutschland jetzt klar wird, daß sie nicht der Demokratie, sondern der Beseitigung der Demokratie dient. In diesem Hause ist vorgestern eine Strafrechtsnovelle behandelt worden, nach der die Erfüllung des eigenen Grundgesetzes mit hohen Zuchthausstrafen belegt wird. In der Präambel des Grundgesetzes heißt es nämlich:
    Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.
    Und im Schlußkapitel heißt es in Art. 146:
    Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.
    Das neue Terrorgesetz allein widerlegt schon Ihr ganzes Geschwätz von Ihrer Demokratie.
    Sowohl aus dem Potsdamer Abkommen als auch selbst aus diesem Grundgesetz ergibt sich das Recht jedes Deutschen auf Widerstand gegen völkerrechts- und verfassungswidrige Maßnahmen der westlichen Besatzungsmächte und der Bonner Regierung.

    (Abg. Löfflad: Zu wem sprechen Sie denn eigentlich?)

    — Zum deutschen Volk!

    (Abg. Kohl [Stuttgart] : Zu Ihnen! — Abg. Löfflad: Gehen Sie doch nach Moskau! — Abg. Kohl [Stuttgart]: Sie können ja hinausgehen, wenn es Ihnen nicht gefällt!)

    Mit dem Bruch des Potsdamer Abkommens haben die westlichen Besatzungsmächte den Anspruch auf weitere Besetzung Deutschlands verloren, sie haben den Charakter einer Besatzungsarmee verloren, sie sind zu einer Interventionsarmee geworden. Und jeder ehrliche Deutsche hat die Pflicht, ihren Abzug aus Deutschland zu fordern. Heute noch werden deutsche Menschen zu Gefängnisstrafen verurteilt, weil sie den Wunsch des ganzen deutschen Volkes zum Ausdruck bringen, nämlich: „Deutschland den Deutschen!" und „Ami, go home!" Herr Dr. Adenauer aber fordert: Ami, schick uns noch weitere Truppen! Ich möchte Herrn Dr. Adenauer fragen: wer hat Sie mit dieser Forderung beauftragt, etwa das deutsche Volk? Ich sage Ihnen, das deutsche Volk wird das Urteil darüber sprechen. Das deutsche Volk will 'endlich Frieden haben, es will keine neuen Kriegstruppen, die wir sogar noch ernähren und bezahlen müssen. Glauben Sie wirklich, Herr Dr. Adenauer, daß die Arbeiterschaft, die Bauern, die Handwerker und die Geschäftsleute, daß die Westdeutsche Jugend sich dazu hergeben werden, Söldner für die Amerikaner zu sein, für ihren Krieg zu sterben? Verwechseln Sie doch nicht die bezahlten Elemente, die wir ja jetzt so oft sehen, jetzt auch bemerkt haben! Verwechseln Sie nicht


    (Frau Thiele)

    diese bezahlten Elemente mit der großen Masse des Volkes, zu der ich jetzt spreche.

    (Lachen rechts.)

    Sie, Herr Dr. Adenauer, haben kein Recht, im Namen des deutschen Volkes zu sprechen.

    (Zuruf rechts: So sehen Sie aus!)

    In Millionen-Kundgebungen und in Millionen Unterschriften hat auch die westdeutsche Bevölkerung ihren Friedenswillen bekundet.
    Es ist erfreulich, und ich möchte das von dieser Stelle besonders begrüßen, daß der Evangelische Kirchentag in Essen im Namen aller evangelischen Menschen u. a. folgende Erklärung abgibt, die im Widerspruch zu den Forderungen der Bundesregierung Dr. Adenauer steht:
    Die Kirche Jesu Christi steht zu dem Frieden, und sie ist gewiß, daß jedes Glied der christlichen Gemeinde dazu helfen kann und helfen soll, daß der Friede gewahrt bleibt. Keine Macht der Welt wird leichthin wagen, den Frieden zu brechen, wenn sie einer entschlossenen inneren Abwehr im eigenen Volk begegnet. Es kommt alles darauf an, daß wir uns nicht durch eine verlogene Propaganda beirren lassen, daß wir allen Versuchen, uns und unsere Kinder in eine Gesinnung des Hasses hineinzutreiben
    — wie es jetzt hier versucht worden ist -,
    ein entschlossenes Nein entgegensetzen und uns weder an Kriegshetzerei noch an Angstpsychosen mit schuldig machen.
    Dies alles gilt insbesondere von einem gewaltsam zerspaltenen Volk. Deutsche Brüder und Schwestern: Redet Gutes voneinander, auch über den Eisernen Vorhang hinweg! Vertraut einander und haltet Gemeinschaft miteinander! Daß Deutsche jemals auf Deutsche schießen, muß undenkbar bleiben!
    Ich denke, so ist in den Erklärungen hier nicht gehandelt worden.
    Die Kriegshetze und Angstpsychose, von der der Evangelische Kirchentag spricht, wird systematisch und bewußt organisiert, wie wir jetzt gerade merken konnten, und zwar auf der Ihnen allen gemeinsamen Grundlage des Antibolschewismus.

    (Abg. Kohl [Stuttgart]: Sehr gut!)

    Der große deutsche Dichter Thomas Mann hat bereits gesagt, daß der Antibolschewismus die Grundtorheit unserer Epoche sei. An dieser Grundtorheit sind Hitler und seine Komplizen zugrunde gegangen, an ihr werden auch andere zugrunde gehen.

    (Abg. Kohl [Stuttgart]: Sehr richtig! — Lachen in der Mitte.)

    Diese Hetze, dieser Antikommunismus ist die ideologische Vorbereitung des von den Amerikanern gewünschten Krieges, des Krieges, in dem unsere Heimat zerstört werden wird, Millionen Männer, Frauen und Kinder ihr Leben lassen werden.
    Darum brauchen Sie die Hetze gegen die Deutsche Demokratische Republik, weil in der Deutschen Demokratischen Republik nicht für den Krieg gehetzt wird, sondern für den Frieden gearbeitet wird, weil dort die Voraussetzungen für die Erhaltung des Friedens überhaupt erst geschaffen werden.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    In diesem Zusammenhang möchte ich auf das sogenannte Weißbuch des Ministers für gesamtdeutsche Fragen zu sprechen kommen. Das Weißbuch ist in seinem sachlichen Inhalt absolut wertlos, in diesem Weißbuch ist nichts anderes dargestellt als ein Sammelsurium verlogener Pressemeldungen, die nicht nur wir Kommunisten als verlogenes Sammelsurium feststellen, sondern fasi alle, die sich bis jetzt damit beschäftigt haben. Eigentlich ist es gar nicht wert, daß man sich überhaupt mit diesem sogenannten „Werk" beschäftigt.
    Gleichzeitig reden Sie aber hier von der Freiheit der Persönlichkeit, von der Würde des Menschen, von der westlichen Demokratie. Was ist das für eine Demokratie, wo Menschen verhaftet werden, weil sie für den Frieden sind, wo Versammlungen, Kundgebungen und Zeitungen verboten werden, weil sie sich gegen die Kriegsvorbereitungen wenden und das Volk zum Widerstand gegen einen neuen Krieg auffordern! Für solche Vergehen, für die Erhaltung des Friedens, sind in kurzer Zeit in Westdeutschland fast 200 Menschen verhaftet und zum Teil schon verurteilt worden. Mit dieser Demokratie wird in den Kampf der Arbeiter um das Mitbestimmungsrecht, um höhere Löhne eingegriffen, mit dieser Demokratie werden diese Kämpfe abgewürgt.
    Noch nicht einmal sogenannte parlamentarische Rechte sind garantiert. Das beweisen die Verhaftungen von Abgeordneten, die Aufhebung der Immunität von Max Reimann. Das beweist sogar, wenn es auch nicht so bedeutungsvoll ist, mein eigener Fall, in dem die Durchsuchung meiner Wohnung und meiner Schränke in meiner Abwesenheit durch deutsche Polizeibeamte auf Befehl der Militärregierung erfolgt ist.

    (Hört! Hört!)

    Soweit gehen Ihre demokratischen Rechte, daß Sie noch nicht einmal in der Lage sind, parlamentarische Rechte zu garantieren. So reduziert sich also das Recht des Volkes auf die Abgabe eines Stimmzettels.
    Wie selbst aus Ihren eigenen Reihen diese sogenannte Demokratie beurteilt wird, das lesen Sie in vielen Ihrer Zeitungen gerade in der letzten Zeit 'im Zuge Ihrer Terrormaßnahmen. Ich möchte dazu hier nur einen Beitrag aus den „Nürnberger Nachrichten" vom 23. 8. geben. Dort heißt es nämlich:
    Man kann sich nicht ganz des Eindrucks erwehren, als ob sich westdeutsche Parteistrategen in dem Feldzug gegen vermutete subversive Umtriebe den Kommunisten anhängen möchten, um jede Art von Opposition gegen die Regierung zum Schweigen zu bringen, zumal die Kritik an der in Westdeutschland betriebenen Sozial- und Wirtschaftspolitik in letzter Zeit immer vernehmlicher wurde. Das Vorgehen gegen die Kommunisten bietet eine ausgezeichnete Tarnung für die, die schon länger darauf lauern, eine Art totalitärer Demokratie ins Leben zu rufen.
    Das sind Ihre Pressestimmen, die sich natürlich noch beliebig durch andere erweitern ließen.
    Die Terrormaßnahmen gegen die Kommunisten richten sich in ihrer Konsequenz also gegen alle Menschen, die mit der Besatzung und der Bonner Regierungspolitik nicht einverstanden sind. Die Auswirkungen dieser Politik sind aber so, daß der Widerstand aus allen Schichten der Bevölkerung wächst. Gewiß leiten Sie durch die antikommunistische Hetze ein neues 1933 ein. Von den Maßnahmen werden in-


    (Frau Thiele)

    folge dieses wachsenden Widerstandes alle Menschen betroffen, die Widerstand gegen diese Politik leisten. Das mögen auch die sozialdemokratischen Arbeiter, Gewerkschaften und ihre Mitglieder, ,das mögen auch alle übrigen fortschrittlichen Menschen bedenken. Hier im Parlament allerdings wird von der SPD-Führung Opposition gegen die Regierung gespielt, während man sich in allen Grundfragen der Politik, nämlich auf der Grundlage des Antikommunismus zum Schaden des deutschen Volkes, mit der Adenauer-Regierung einig ist. Es war sehr bezeichnend, daß diese Hetzerklärung, diese Erklärung, die eine Vorbereitung für eine Kriegsstimmung ist, ausgerechnet von einem Sozialdemokraten abgegeben wurde. Das kennzeichnet die Rolle, die der Sozialdemokratie in der Vorbereitung des Krieges durch die Amerikaner zugedacht ist.

    (Lachen in der Mitte.)

    Damit komme ich zu der Wahl in der Deutschen Demokratischen Republik, Idle hier dem Parlament soviel Sorgen macht. Sie alle haben selbstverständlich auch schon erkannt, daß die Zeit der Erfolge in der Deutschen Demokratischen Republik begonnen hat und daß die Bildung der Deutschen Demokratischen Republik einen Wendepunkt in der Geschichte ides deutschen Volkes, ja in der Geschichte Europas bedeutet, so wie es der große Führer des Sowjetvolkes in seinem Telegramm an die Regie- rung der Deutschen Demokratischen Republik zum Ausdruck brachte. Von diesen Erfolgen, von dieser großen gemeinsamen Kraft für den Aufbau und für den Frieden ganz Deutschlands soll die westdeutsche Bevölkerung nichts hören, damit diese Erfolge sie in ihrem gerechten Kampf nicht stärken. Das ist der Grund für diese Erklärungen, das ist 3' der Grund für Terror und Unterdrückung. Darum die Hetze und ,die Verleumdung!
    Aber die Stimme der Wahrheit, die Stimme des Friedens läßt sich nicht unterdrücken. Die Wahlen in der Deutschen Demokratischen Republik sind Wahlen für Gesamtdeutschland, darin haben Sie wahrlich recht. Sie zeigen nämlich dem ganzen deutschen Volk den Weg in eine freie und glückliche Zukunft.

    (Lachen in der Mitte.)

    Das Programm, das dieser Wahl zugrunde liegt, sind keine verlogenen Wahlversprechungen, die nach der Wahl nie erfüllt werden, wie es hier in Westdeutschland ja doch der Fall ist, was jeder Mensch hier selbst beurteilen kann. Dieses Wahlprogramm beruht auf der Realität des Fünfjahresplans. Die vorfristige Erfüllung des Zweijahresplans gibt der Bevölkerung die Garantie, daß alles eingehalten, ja ich möchte sagen, möglicherweise noch übertroffen wird. Die Sehnsucht ides Volkes geht nach Frieden und Einheit; das sind die Grundfragen, auf die sich alle Kandidaten verpflichtet haben. Sehen Sie, wo ist hier in Westdeutschland über diese Lebensfragen jemals abgestimmt worden? Wo hat das Volk in Westdeutschland seine Zustimmung gegeben zur Aufrüstung, zur Remilitarisierung? Wo ist es befragt worden, ob neue Truppen nach Westdeutschland kommen sollen? Wo ist es befragt worden, ob es die Spaltung Deutschlands will?
    Nun sagen Sie: es gibt bei den Wahlen in der Deutschen Demokratischen Republik keinen Gegner. O ja! Es gibt einen Gegner! Der Gegner bei diesen Wahlen in der Deutschen Demokratischen Republik ist der amerikanische Imperialismus. Das

    (C Feind, den auch die westdeutsche Bevölkerung täglich zu spüren bekommt. Die Herren der Wallstreet, sie hätten es natürlich sehr gern, wenn man sich in der Deutschen Demokratischen Republik in Parteizank und Hader zerreißen würde. Das würde nämlich das Aufbauwerk hindern, das würde sie in ihrer Kraft beeinträchtigen. Das aber ist heute bereits die Erkenntnis aller demokratischen Kräfte, daß nur in geeinter Kraft das große Friedensund Aufbauwerk gelingen kann. Wo gab es das bisher, daß die Kandidaten schon vor der Wahl vor der ganzen Öffentlichkeit über ihre bisherige Tätigkeit und ihre Stellungnahme zu diesem großen Wahlprogramm Rechenschaft ablegen müssen? Daß in aller Öffentlichkeit die Bevölkerung heute schon diese Kandidaten ablehnen kann, wenn sie der Auffassung ist, daß sie in ihrer gesamten Tätigkeit nicht den Anforderungen entsprechen. Die künftigen Vertreter des Volkes wurden aufgestellt in Betrieben und Organisationen. Sie bringen tatsächlich den Willen breitester Volksschichten zum Ausdruck. Sie regen sich auch über die gemeinsamen Listen auf. Ich erinnere Sie nur an Schleswig-Holstein, wo durch Listenverbindung ,die Übernahme der Regierung durch ehemalige Nazigrößen, Naziführer ermöglicht wurde. Oder ich erinnere Sie an Mannheim — das liegt allerdings etwas weiter zurück —, wo alle Parteien in einer Liste einschließlich der Sozialdemokraten eine Entscheidung gegen den kommunistischen Kandidaten Eckert erzwangen. a Sehen Sie, in einem Punkt hat die Regierung und haben die Fraktionen in ihren Erklärungen recht: es gibt wirklich eine gesamtdeutsche Bedeutung dieser Wahlen. Sie mögen hetzen, soviel Sie wallen, die Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik wird Ihnen am 15. Oktober die Antwort geben. In der dauernden Tätigkeit für den Aufbau im Interesse ganz Deutschlands und für den Frieden wird die Bestätigung für den Friedenswillen dieser Bevölkerung liegen. Die Bevölkerung in Westdeutschland aber gibt zu dieser Wahl ebenfalls ihre Stimme ab. Sie gibt sie ab in ihrem Widerstand gegen diese Bonner Regierung und ihre Maßnahmen, gegen die Vermehrung der Besatzungstruppen, gegen die Remilitarisierung, gegen die Umwandlung Westdeutschlands in eine tote Zone für den amerikanischen Krieg. Die Protestbewegung gegen die ungeheuerliche Teuerung, die Lohnkämpfe, die Empörung der Kriegsopfer, der Sozialrentner, der Besatzungsgeschädigten, die Empörung der Bauern gegen die Liberalisierung des Handels, — sehen Sie, das ist der nationale Widerstand! Wir brauchen ihn nicht zu proklamieren, Sie bekommen ihn täglich zu spüren, und er wird sich infolge Ihrer eigenen Politik noch weiter bemerkbar machen. Das ist der Protest gegen Ihre Scheindemokratie hier in Westdeutschland. Wir Kommunisten bekennen uns zu einer solchen Demokratie, die das Recht des ganzen Volkes auf Selbstbestimmung für ein einiges, unabhängiges demokratisches und starkes Deutschland garantiert, wie es in der Deutschen Demokratischen Republik der Fall ist. Deswegen möchte ich jetzt zum Schluß, um die Stellung der kommunistischen Fraktion zu Ihrer gemeinsamen Erklärung, zu der Erklärung der Regierung bekanntzugeben, die Erklärung der kommunistischen Fraktion bekanntgeben: Alle anständigen Deutschen waren sich ungeachtet ihrer weltanschaulichen und politischen Meinungsverschiedenheiten nach dem Zusammenbruch des Hitlerkrieges darüber einig, daß Deutschlands Einheit erhalten und sein staatlicher Neuaufbau auf die Prinzipien der Demokratie und des Friedens gegründet werden müßte. Unter Ausschaltung des amerikanischen Morgenthau-Plans zur Vernichtung des 'deutschen Volkes konnte dieser Weg dank der Politik der Sowjet-Union im Potsdamer Abkommen für die Politik aller Besatzungsmächte als verpflichtende Grundlage festgelegt werden. Auf diesem Weg entwickelte sich der friedliche Aufbau eines echten demokratischen Lebens in politischer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht. So reiften schließlich die stolzen Erfolge der Deutschen Demokratischen Republik. Sie sind das Ergebnis des einmütigen Willens und der gemeinsamen Anstrengungen der Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik. Sie begeistern alle deutschen Patrioten und zeigen den Ausweg aus nationaler Not für ganz Deutschland. Die erfolgreiche Fortführung dieses Weges, besonders die Sicherung der grandiosen Perspektiven des Fünfjahresplans wird dadurch garantiert, daß die Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik am 15. Oktober die Einheit ihrer Arbeit auch an der Wahlurne bestätigt und auf -der Grundlage eines Programms der gemeinsamen Lebensinteressen der ganzen Nation in freier demokratischer Entscheidung den bewährtesten und erprobtesten Patrioten, den mutigsten und besten Führern im Kampf um eine glückliche Zukunft die Leitung von Staat und Wirtschaft für die kommenden Jahre anvertraut. Westdeutschland ist einen anderen Wieg geführt worden. Er war nicht von den Lebensinteressen des Volkes, dem Streben nach Einheit, Demokratie und Frieden, sondern von den Absichten der imperialistischen Besatzungsmächte diktiert. Durch Ablenkung von den entscheidenden Lebensfragen gelang es den Besatzungsmächten und ihren deutschen Interessenvertretern, den Kampf aller gegen alle zu entfachen und die Vernichtung der Grundlagen des Faschismus und Militarismus zu verhindern. Die Spaltung Deutschlands wurde mit der Bildung des Bonner Separatstaates vollzogen, wobei zunächst durch scheindemokratische Manöver die Bevölkerung über den wahren Charakter dieses Staatsgebildes wie über die Pläne seiner Gründer getäuscht wurde. Mit dem Anwachsen der Widersprüche zwischen den amerikanischen Kriegsabsichten und den Wünschen des deutschen Volkes mußte selbst die Maske der Scheindemokraten fallen. Die imperialistischen Okkupationsmächte und ihre Regierung in Bonn gingen zu offenem Terror gegen alle deutschen Patrioten, zur offenen Verhöhnung der Rechte der Bürger, zum offenen Bruch ihrer eigenen Gesetze über. Dem deutschen Patrioten Max Reimann wurde mit verlogenen Anschuldigungen seine Immunität geraubt. Friedenskämpfer sind zu Hunderten inhaftiert. Haussuchungen ohne richterliche Ermächtigungen sind an der Tagesordnung. Die verantwortungsbewußte Presse ist verboten, ihre Druckereien und Verlage geschlossen. Versammlungen werden willkürlich aufgelöst, Friedenskundgebungen brutal niedergeknüppelt. Zur gleichen Zeit aber dürfen Adenauer und Schumacher ungestraft deutsche Menschen als Söldner an das Ausland verschachern und fremde Armeen in deutsches Land rufen, um den Bruderkrieg gegen die Menschen der Deutschen Demokratischen Republik zu entfesseln. Diesem Zweck dient auch die schamlose Lügenhetze gegen die demokratische Wahl am 15. Oktober. Aber ebensowenig, wie es den Adenauer und Schumacher gelingen kann, im Auftrag amerikanischer Kriegstreiber die patriotische Einheit der Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik aufzusplittern, ebensowenig wird es ihnen gelingen, die Deutschen Westdeutschlands gegen ihre Brüder und Schwestern in der Deutschen Demokratischen Republik aufzuhetzen. Es wird ihnen auch nicht gelingen, die Wahrheit über die Erfolge der Deutschen Demokratischen Republik und die Wahrheit über die Wahlen am 15. Oktober in Westdeutschland zu unterdrücken. Sie werden eine starke, eine unüberwindliche Kraft auslösen und dem ganzen deutschen Volk helfen, sich aus nationaler Not zu befreien und der deutschen Nation ein einiges, friedliches, demokratisches Deutschland zu erkämpfen. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Miessner. (Die Abgeordneten betreten wieder den Sitzungssaal und nehmen ihre Plätze ein. Der Abg. Miessner tritt an das Rednerpult, ohne jedoch zu sprechen.)


    (Zuruf in der Mitte: Denkste!)


    (Abg. Kohl [Stuttgart] : Sehr gut!)


    (Frau Thiele)


    (Zuruf: Oder-Neiße-Linie!)


    (Abg. Jacobi: „Phrasionata"!)


Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
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  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Herwart Miessner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DRP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß leider das Wort ergreifen, um im Namen der Gruppe der Deutschen Reichspartei die interfraktionelle Erklärung zu ergänzen. Mit Befremden muß ich aussprechen, daß die verlesene interfraktionelle Erklärung leider nicht eine solche des ganzen Bundestages außerhalb der KPD war. Das ist aber nicht unsere Schuld. Wir haben bereits anläßlich des ähnlichen Verfahrens einer interfraktionellen Erklärung bei der Frage der Oder-Neiße-Linie moniert, daß man eine kleinere Gruppe in diesem Hause, die gewiß nicht abseits steht, in diesen großen Dingen geflissentlich ausschließt. Ich appelliere daher heute nochmals in aller Öffentlichkeit an die Loyalität und Toleranz dieses Hauses auch gegenüber den kleineren parlamentarischen Gruppen hier im Hause.

    (Abg. Jacobi: Toleranz nur den Toleranten! — Zuruf von der FDP: Auch Herrn Dorls gegenüber?)

    — Ich spreche nicht für Herrn Dr. Dorls, sondern ich spreche für die Gruppe der Deutschen Reichspartei, die mit Hospitanten insgesamt aus 7 Mann besteht.

    (Abg. Jacobi: Wer soll sich da noch durchfinden? — Heiterkeit.)

    Mir ist aber eben gesagt worden, es sei an sich kein Zufall, daß wir ausgeschlossen sind, sondern die Fraktion der SPD weigere sich, eine gemeinsame interfraktionelle Erklärung zu unterschreiben, an der wir teilnehmen. Ich möchte der SPD dazu sagen, daß — wenn man die Dinge im Großen in der Welt betrachtet — der Graben nicht da (nach rechts weisend) liegt, sondern dort (zur KPD


    (Dr. Miessner)

    weisend) liegt, nämlich zwischen der KPD und dem gesamten übrigen Hause. Das möge man sich doch selber sagen, und ich glaube, östlich des Vorhangs lacht man sich ob solcher intoleranten Methoden hier im Hause ins Fäustchen.
    Zu der Erklärung selbst. Wir begrüßen die Proklamation des Herrn Bundeskanzlers in ihrem vollen Inhalt. Wir begrüßen auch die angekündigten Gegenmaßnahmen des Bundesministers Kaiser. Es geht in der Tat nicht an, daß man eine Demokratie und eine demokratische Staatsform dadurch mißbrauchen kann, daß man ungestraft und vor allen Dingen ohne jedes Risiko gegen sie wühlen und sie unterhöhlen kann. Das ist ein ungleicher Kampf zwischen einer Demokratie und einer Diktatur, bei der selbstverständlich die Demokratie auf jeden Fall den kürzeren ziehen muß. Es ist also richtig — und wir unterstützen die angekündigten Maßnahmen —, daß man in Zukunft Leute, die diesen Staat hier bewußt unterhöhlen, auch mit entsprechendem Risiko belegt. Das fordert einfach der Selbsterhaltungstrieb.
    Aber es geht natürlich nicht, lediglich in einer gewissen Passivität zu verharren und nur gelegentlich zurückzuschlagen, wenn man angegriffen wird. Ich glaube, den Ausführungen des Herrn Bundesministers Kaiser doch hinzufügen zu müssen, daß wir unter allen Umständen weltanschaulich offensiv werden müssen. Denn es ist leider, leider nicht so, daß alle Jugendlichen, die in Berlin beim FDJ-Treffen waren, da hineingepreßt waren! Das wissen Sie wohl auch. Wie sollte es auch anders sein! Die Jugend hat von Freiheit keine Vorstellung. Da das menschliche Gehirn nur relativ denken kann, d. h. nur in den Begriffen, die es in seiner Jugend aufgenommen hat, ist die Jugend heute — man kann wohl sagen etwa bis zum 30. Lebensjahr — überhaupt nicht in der Lage, die Mängel einer Diktatur, einer solch handfesten Diktatur, wie sie drüben vorgeführt wird, zu erkennen. Es ist daher höchste Zeit, nicht länger an unserer eigenen Jugend vorbeizureden. Mit unserer eigenen Jugend sollten wir möglichst bald ins Gespräch kommen! Man erwartet von uns, die wir als Parteien insgesamt — was ich glaube sagen zu können — diese Dinge ja noch nicht gelöst haben, einen politisch neuen Inhalt, eine politische Weiterentwicklung aus der Gegenwart heraus — und nicht aus der Zeit von vor 20 Jahren, die die Jugend ja aus 'eigener Anschauung gar nicht kennt. Dieses Kernproblem kann ich in diesem Rahmen heute nur andeuten. Ich glaube aber, ich bin von jedem verstanden worden. Nur bei wahrhaft organischer politischer Weiter- und Fortentwicklung aus der letzten Vergangenheit heraus werden wir die Kräfte mobilisieren, die wir benötigen, um in Zukunft gegenüber dem kollektivistischen System nicht nur leben, sondern als freie Menschen weiterleben zu können, wie es der Herr Bundespräsident selbst anläßlich der Feierstunde vor einer Woche hier so schön ausgesprochen hat.

    (Beifall bei der DRP.)