Meine Damen und Herren! Ich darf der Erklärung der Bundesregierung noch einige Bemerkungen hinzufügen. Das für den 15. Oktober in der Sowjetzone inszenierte Manöver kann auf die Bezeichnung „Wahl" keinen Anspruch erheben. Es ist eine mit den Mitteln von List und Gewalt erzwungene Akklamation zu einer mit ebensolcher List und Gewalt aufgestellten und proklamierten Einheitsliste. Diese Einheitsliste und die inszenierte Akklamation sind die in allen „Volksdemokratien" üblichen Mittel, um den bolschewistischen Machthabern die Macht zu überantworten und zu bestätigen — eine Bestätigung, meine Damen und Herren, die sie auf demokratischem Wege niemals erreichen würden.
Mit dem Akt von List und Gewalt, der am 15. Oktober über die von Ulbricht errichtete Bühne der bolschewistischen Sowjetzonenrepublik geht, soll ein weiterer Abschnitt der Leidensgeschichte des deutschen Gebiets und seiner 18 Millionen Deutschen abgeschlossen werden, die 1945 der sowjetischen Besatzungsmacht überantwortet wurden.
Mit welcher heimtückischen Verschlagenheit die Kommunisten das Schauspiel des 15. Oktober vorbereitet haben, belegt das von meinem Ministerium herausgegebene Weißbuch über die Wahlfälschungen, Wahlbehinderungen und Wahlbeeinflussungen in der sowjetischen Besatzungszone. Deshalb erübrigt es sich, darüber Einzelheiten zu sagen. Es sei aber noch einmal in letzter Deutlichkeit erklärt: Welches Resultat auch am 15. Oktober aus den mißbrauchten Urnen herausgezaubert wird, — es hat nichts mit einer Legitimation der kommunistischen Pseudoregierung und ihrer Taten zu tun.
Das Weißbuch, von dem ich sprach, registriert auch die Wahlergebnisse des Jahres 1946. Trotz aller Schikanen und trotz aller Behinderungen hat die Bevölkerung der Sowjetzone damals ihren antikommunistischen Willen, ihren Freiheitswillen kundgetan. Zudem, meine Damen und Herren, haben wir echte Bekenntnisse der vergewaltigten Bevölkerung der Sowjetzone in Händen: in Tausenden, in aber Tausenden von Zuschriften und Botschaften und, was mehr noch wiegt, in Tausenden, in aber Tausenden von Sowjetzonenflüchtlingen, die wegen Bedrohung durch KZ, durch Gefängnis, durch Straflager und Zwangsarbeit die Sowjetzone, ihren Heimatboden, verlassen mußten. Diese Zeugnisse sprechen die eindeutige Sprache, die nach unserer Überzeugung auch der 15. Oktober sprechen würde, wenn diese Wahl nur eine echte demokratische Wahl und nicht das Produkt eines gewissenlosen Propagandahirns wäre.
Täglich, meine Damen und Herren, erreichen uns nun bange Fragen aus der Bevölkerung der Sowjetzone, was wohl nach dem 15. Oktober kommen wird. Die noch nicht enteigneten Bauern befürchten die Kolchosiwierung, die selbständigen Handwerker die zwangsweise Eingliederung in die kommunistischen Genossenschaften, die Kaufleute und die Gewerbetreibenden, soweit sie noch selbständig sind, die Enteignung. Die Angestellten, die sich bisher allen Zwangseingliederungen in die SED und ihre Massenorganisationen entziehen konnten, erwartén ihre Entlassung, und die geplagte, die gequälte Arbeiterschaft erwartet eine weitere Heraufsetzung der Arbeitsnorm bei völlig ungenügender Verbesserung der Lebenslage. Die charakterfesten Mitglieder der nichtkommunistischen Parteien sehen ihrer völligen Ausschaltung entgegen, und die Gläubigen beider Konfessionen befürchten den totalen Kirchenkampf, wie er in den übrigen „Volksdemokratien" entfesselt wurde.
Meine Damen und Herren, wir haben erlebt, daß die Bevölkerung der Sowjetzone überall, wo es nur immer möglich war, die kommunistischen Betrugsmanöver entlarvt hat, und wir sind überzeugt, daß sie es auch in Zukunft tun wird. Sie soll gewiß sein, daß sie nicht Leib und Leben den kommunistischen Gewalthabern hinzuwerfen braucht. Dafür sind uns unsere Menschen in der Sowjetzone zu teuer und zu wertvoll. Die ganze freie Welt weiß ja um Gesinnung und Haltung der Bevölkerung. Auch die Kommunisten wissen darum. Sonst wäre ja das ganze Betrugsmanöver überhaupt nicht möglich.
Die Kommunisten werden nun bestimmt versuchen, die Abgabe ungültiger Stimmen unmöglich zu machen. So groß ist nämlich ihr Unsicherheitsgefühl, ein Unsicherheitsgefühl, das nach der neuesten Säuberungswelle im engsten kommunistischen Führungskreis noch beträchtlich gewachsen ist. Keiner traut mehr dem andern von ihnen. Es ist eine der Hauptaufgaben von Gesamtdeutschland, d. h. der Bundesrepublik, in engster Verbindung mit der Bevölkerung der Sowjetzone dieses Unsicherheitsgefühl des Kommunismus noch zu verstärken. Wir müssen darüber hinaus alles tun, um in der Bundesrepublik die sozialen Verhältnisse ständig zu verbessern. Den Rädelsführern der Bolschewisierung auf deutschem Boden muß beigebracht werden, daß sie einen Versuch am untauglichen Objekt unternehmen.
Es besteht kein Zweifel, daß der Kommunismus in der Welt seine Hand nach weiteren Opfern ausstreckt. Das beweist schon Korea. Nun ist Deutschland ganz bestimmt nicht Korea; aber est steht außer Zweifel, daß unser Land, daß Deutschland ein strategisches Ziel für den Kommunismus ist. Das ist auf dem SED-Parteitag und auf dem sogenannten Nationalkongreß deutlich genug geworden. Und deshalb, meine Damen und Herren, muß von uns ein politischer und ein moralischer Feldzug gegen den Kommunismus geführt werden. Die Bundesregierung weiß sich darin mit allen demokratischen Kräften unseres Volkes und damit dieses Hauses in Übereinstimmung. Die tägliche Entlarvung des 15. Oktober vor den Augen der Welt, vor den Augen und vor dem Bewußtsein unseres Volkes ist die erste Aufgabe der kommenden Wochen. Jeder einzelne in unserem Volke muß wissen: hier handelt es sich nicht um eine Wahl, sondern um einen Wahlbetrug. Die Bundesregierung appelliert an alle Kräfte unseres öffentlichen Lebens, vor allem an die politischen und an die publizisti-
sehen Kräfte, vorbehaltlos und uneigennützig daran mitzuwirken. Es ist erfreulich, meine Damen und Herren, und es ist ermutigend, daß sich die Presse dieser Aufgabe in steigendem Maße bewußt ist, und die Bundesregierung erkennt ebenso dankbar und voller Genugtuung an, daß sich sämtliche Rundfunksender mit einer täglichen Sendung „Hier spricht Deutschland" ebenfalls in den Dienst dieser nationalen Aufgabe stellen.
Leider muß ich an dieser Stelle zu Äußerungen Stellung nehmen, die der Chefredakteur einer Rundfunkgesellschaft, Walter von Cube, am 12. September, vorgestern, in einem Interview der „Süddeutschen Zeitung" gemacht hat. Herr von Cube hat mit dem Blick auf die Sowjetzone und Berlin unter anderem erklärt: Wenn das Glied eines Körpers von einem Bazillus befallen ist, dann sollte es amputiert werden, um den Körper im ganzen zu retten.
Das heißt nach Ansicht des Herrn von Cube, man
solle den Eisernen Vorhang endlich dicht machen.
Ich meine, folgendes sagen zu dürfen: Wenn Herr von Cube sich bei jeder Infektion einer Amputation unterworfen hätte, dann wäre bestimmt von Herrn Cube längst nichts mehr übrig.
Ein Ernsteres aber: die Beachtung dieses seines Amputationsvorschlages würde zur förmlichen Untreue, um nicht zu sagen, zum Verrat an 20 Millionen Deutschen der Sowjetzone und Berlins führen.
Cubes Weg würde darüber hinaus der sicherste Weg sein, den Kommunisten ganz Deutschland zu überantworten.
Herr von Cube meint in einer erstaunlichen Formulierung, das, was wir heute machen, sei ein Selbstlustmord. Wir meinen, es wäre ein Selbstlustmord — um im Jargon von Cube zu bleiben —, solche unverantwortlichen Torheiten weiter zu propagieren.
Wir alle können und wollen nur hoffen, daß dieser Cube-Bazillus nicht weiter um sich greift, denn es gibt lebensentscheidende Aufgaben, in denen alle Deutschen einig sein sollten.
Nun hört man immer wieder — und ich besonders höre es jeden Tag —, Offensivgeist wäre in der Bekämpfung des Kommunismus notwendig. Meine Damen und Herren, es wäre schon viel erreicht, wenn die Erkenntnis allgemein wäre, die dem Offensivgeist vorauszugehen hat, d. h. es wäre gut, wenn jeder Deutsche alle Schleichwege erkennen würde, über die der Kommunismus seine Angriffe in den Bereich der Bundesrepublik vorträgt.
Es gibt ja, Gott sei es geklagt, immer noch so er-
schreckend viel Gutgläubige in unserem Volk. Man
bringt den Kommunismus nicht durch Diskutieren
oder Verhandeln von seinen diabolischen Zielen ab;
man kann den Kommunismus nur bekämpfen!
Meine Damen und Herren, ich darf das sagen; denn ich habe es selbst zur Genüge erlebt. Die Friedensschalmeien der Kommunisten, ihre Atombombenbekämpfung, ihre Unterschriftensammlungen für den Frieden, ihre getarnten Arbeitskreise, ihre korrupten Angebote müssen entlarvt werden.
Sie kommen alle aus dem unerschöpflichen Reservoir kommunistischer Tarnungen, Lügen und Betrugsmanöver.
Meine Damen und Herren! Wir werden nationalen Widerstand zu leisten haben, nationalen Widerstand nicht im Sinne von Ulbricht und Grotewohl, sondern in einem ganz anderen Sinn, als es SED-Parteitag und der sogenannte Nationalkongreß verkündeten. Unser nationaler Widerstand wird den Naiven, den Gewinnsüchtigen, den Rückversicherern gelten,
die bewußt und unbewußt den Kommunisten die Schleichwege ebnen und offenhalten. Die Bundesregierung fordert das ganze Volk auf, daß es hier auf diesem Gebiet offensiv wird,
daß es anprangert, was angeprangert werden muß.
Wer als Mitglied oder als Mitläufer einer getarnten kommunistischen Organisation die Geschäfte des Kommunismus besorgt, soll wissen, daß er nach Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes eine verbotene Tätigkeit ausübt,
daß er zu denen gehört, die die demokratische Ordnung unseres Lebens und unserer Bundesrepublik zerstören. Es bleibt Pflicht der zuständigen Stellen, mit den gebotenen Maßnahmen vorzugehen.
Und nun noch ein Wort zur sogenannten Freien Deutschen Jugend. Die Freie Deutsche Jugend ist vom Kommunismus zum aktivsten Stoßtrupp ausersehen. Ihre ganze Organisation, ihre Betätigung, ihre Erklärungen sind ständige Angriffe gegen die Bundesrepublik. Es ist an der Zeit, daß ihr das unmöglich gemacht wird.
Es war das einzig mögliche und das einzig richtige, daß Dortmund das für den 30. September und 1. Oktober geplante FDJ-Treffen untersagte. Und es war ebenso richtig und ebenso notwendig, daß Ministerpräsident Arnold in Verfolg dieses Verbots von Dortmund als Antwort auf die Drohungen der FDJ alle ihre geplanten Veranstaltungen unter freiem Himmel verbot. Noch richtiger wäre es gewesen, wenn jede Tätigkeit der FDJ überhaupt verboten würde.
Denn auf die FDJ ist der Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes voll und ganz anwendbar.
Welchen Wert dabei die Machthaber in der Sowjetzone auf die Aktionen der FDJ legen, beweist der andauernde Schmuggel von Uniformen, von Fahnen und von anderen Ausrüstungsgegenständen für die FDJ im Bundesgebiet. So wurden kürzlich in nur einem Transport beschlagnahmt: 600 000 Plakate, 5,6 Millionen Propaganda-Druckschriften und viele Millionen von Flugblättern, dazu 2000 Stück meterlange FDJ-Fahnen, 21 Ballen blaues
Tuch für FDJ-Hemden sowie Tausende von Wimpeln, von Halstüchern, Transparenten und Musikinstrumenten.
Welchen Wert die kommunistischen Machthaber auf die FDJ legen, zeigt weiter die Tatsache, daß in der Sowjetzone nur aus ihr, aus der FDJ, die Volkspolizei rekrutiert wird. Warum? Weil nur diese Jugendlichen, die niemals etwas von Demokratie und wahrer Freiheit erlebt haben,
in der Sowjetzone als zuverlässig gelten. Nicht zuletzt sind es fanatisierte Jugendliche aus den Reihen der FDJ der Sowjetzone, die ins Bundesgebiet entsandt werden. Sie sind in allen Sparten und Schlichen illegaler Arbeit geschult. Unter ihrer Anleitung soll die FDJ im Bundesgebiet die staatliche Ordnung unterminieren.
Ich sage das alles nicht, um Angst zu erwecken. Angst ist ja nur der Wegbereiter des Kommunismus. Angstverbreitung und Einschüchterung sind sattsam bekannte kommunistische Mittel im Kalten Krieg. Meine Damen und Herren, von Berlin und von den Berlinern kann man lernen, wie man Angstzustände überwindet.
Man überwindet sie durch Furchtlosigkeit und durch entschlossenen Willen zum Widerstand.
Ich darf eines noch hinzufügen: Die Bundesregierung ist entschlossen, den realen Rückhalt zu schaffen, der dem politischen und moralischen Widerstand des Volkes zum Erfolg verhilft. Wir wissen, daß unsere Landsleute in der Sowjetzone diese Haltung und diese Entschlossenheit von uns in der Bundesrepublik erwarten. Diese Haltung und diese Entschlossenheit wird sie, unsere Landsleute in der Sowjetzone, ermutigen, wird ihnen helfen, dem Terror der Kommunisten standzuhalten. Unsere Landsleute werden auch den 15. Oktober überwinden; denn sie wissen genau: es ist ein kommunistisches Betrugsmanöver, auf das niemand in der Welt hereinfällt. Kein Deutscher in Ost und West wird jemals den Glauben verlieren, daß der Tag der Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit kommt.