Meine Damen und Herren! Es ist ungefähr ein Jahr her, daß die Zentrumsfraktion dem Hohen Hause den Antrag Nr. 25 unterbreitete, den Antrag zum Schutze der Bundesfarben und der Bundesflagge. Dieser Antrag zusammen mit dem Antrag der SPD zum Schutze der Republik gegen die Feinde der Demokratie haben wohl dem Justizministerium Veranlassung gegeben, dem Hohen Hause den vorliegenden Entwurf zu unterbreiten. Aus dem Umstande, daß meine Fraktion als erste Fraktion dieses Hauses einen dahingehenden Antrag gestellt hat, können Sie und kann die Öffentlichkeit ersehen, daß wir mit den Grundgedanken, die die Regierung zu dieser Vorlage veranlaßt haben, durchaus übereinstimmen. Es kommt jetzt darauf an, diese Gedanken so zu formulieren, daß sie den Absichten, Zwecken und Wünschen aller die Demokratie stützenden Parteien und Abgeordneten dieses Hauses entsprechen.
Mit manchem wird man durchaus einverstanden sein können, wenngleich ich dabei sagen muß, daß der Umfang dieser Vorlage es unverständlich erscheinen läßt, daß sie den Abgeordneten erst heute im Laufe des Vormittags unterbreitet wurde. Denn es entspricht nicht, wie schon mit Recht von einem der Herrn Vorredner betont wurde, der Bedeutung und der Wichtigkeit dieser Vorlage, daß man nur Stunden zur Verfügung hat, um sie durchzuarbeiten und sich vorzubereiten. Es wäre notwendig, sich mit den Einzelheiten dieses Entwurfs schon jetzt zu befassen, um die Grundgedanken beurteilen, um feststellen zu können, wie weit die vorliegenden Anregungen überhaupt geeignet sind, die Wünsche, die hinter ihnen stehen, zu realisieren. Das kann nun einmal nicht anders sein. Ich bedaure, daß die Regierung, die ja ein Jahr Zeit gehabt hat, sich nicht die Zeit genommen hat, diesen Entwurf früher auszuarbeiten, daß sie ihn erst in allerletzter Minute in unsere Hände gebracht hat.
Aber während ich diese Kritik anlege, fällt mir folgendes ein. Wenn man sie an § 99 mißt, dann habe ich eigentlich Glück, daß ich diese Kritik vor diesem Hohen Haus und an diesem Pult äußere; denn anderenfalls hätte ich mich ja unter Umständen schon einer böswilligen Verächtlichmachung dadurch schuldig gemacht. Was eine böswillige Verächtlichmachung bedeutet, das zu entscheiden, liegt letzten Endes in den Händen der Richter, die die Sache zu beurteilen haben, und dann kommt es darauf an, ob ich bei ihnen Gnade finde oder nicht. Es gibt da in der Vergangenheit Beispiele, die uns bedenklich stimmen.
Man wird also hinsichtlich des Umfanges der Strafbestimmungen una ihrer allgemein zu weit gehaltenen Fassung ganz generell erhebliche Beerenken bei dieser Vorlage erheben müssen. Die Verfassung sowohl wie diese Vorschritten, die ihrem Schutze dienen sollen, bedeuten letzten Endes nichts anderes als den Schutz der Freiheit, und sie sollen nicht eine Einschränkung, eine Beschränkung der Freiheit herbeifuhren. Ich bin mit dem Herrn Justizminister keineswegs einverstanden, wenn er meinte, daß man die echte politische Freiheit hier opfern musse, um eine formale andere Freiheit zu retten, die letzten Endes nichts anderes ist als die Freiheit derjenigen Regierung, die jeweils am Ruder ist.
Damit kann ich mich nicht einverstanden erklären, und ich spreche dabei für unsere Fraktion.
Die vorliegenden Formulierungen werden der Aufgabe nicht gerecht, die diesem Gesetz gestellt ist, nämlich die rechte Mitte zwischen dem Schutz des Staates und dem Schutz der freien Persönlichkeit zu halten. Es kommt jetzt gerade darauf an, das politische Leben davor zu bewahren, daß es infolge von staatsschützenden Bestimmungen verödet, uns davor zu bewahren, daß wir in einer formalen Demokratie leben, in der es den Bürgern nicht mehr möglich sein wird, ihre Meinung zu äußern, ohne daß sie dabei Gefahr laufen, nach dem mehr oder weniger weit gespannten Ermessen von Behörden abgeurteilt zu werden; daß die Grenzen der Erlaubtheit oder Nichterlaubtheit des Handelns nicht mehr vorher bestimmt werden können.
Insbesondere geht es uns zu weit, wenn die Freiheit hinsichtlich der Meinungsäußerung eingeschränkt wird, solange gerichtliche Verfahren noch anhängig sind. Es ist eine Frage des Geschmacks, ob man Verfahren kritisiert, die noch nicht abgeschlossen sind, d. h. gerichtliche Verfahren. Es ist insbesondere eine Frage des Taktes, ob man eine Kritik darüber in gesetzgeberischen Körperschaften laut werden läßt. Das ist beinahe eine Frage, die unter § 137 b Abs. 1 Ziffer 1 der Vorlage fällt, wenn gerade in einer öffentlichen Körperschaft, die Macht über ein Gericht hat, oder wenn von irgendeiner Behörde, die Macht über ein Gericht hat, Kritik an einem noch anhängigen Verfahren geäußert wird. Das könnte dann jedenfalls von den Richtern so empfunden werden, als wenn sie damit unter Druck gesetzt werden sollten. Aber es
kann keinem Zweifel unterliegen, daß es bedeutend zu weit geht, ein Urteil, weil es noch nicht rechtskräftig ist, der öffentlichen Kritik zu entziehen. Erinnern wir uns doch an die Fälle, in denen es vorgekommen ist, daß man ein Urteil vor seiner Rechtskraft kritisiert oder gescholten hat!
Das war das Urteil im Falle Hedler, und das war das Urteil, das in der Entnazifizierungssache des Baron Schröder in Bielefeld von der Spruchkammer gesprochen worden ist, und da will mir auch bei der Beurteilung mit erheblichem Abstand erscheinen, daß diese Kritik durchaus angebracht war. Es ergibt sich also, daß wir, gemessen an den Ereignissen, die in der Vergangenheit Anlaß zu einer solchen voreiligen Kritik gegeben haben, eine Veranlassung haben, Gesetzesbestimmungen einzuführen, die die Meinungsfreiheit in dieser Hinsicht beschränken.
Man beruft sich hier auf das angelsächsische Recht. Ich muß sagen: ausgerechnet die einzige Bestimmung, die ich in unserem Recht nicht wiederfinden möchte, soll jetzt in unser Recht eingeführt werden, während die Bestimmungen zum Schutze der Freiheit, namentlich die formalen Bestimmungen, die zum Schutze der Freiheit außerordentlich wichtig und nach meiner Meinung zum Teil notwendig wären, bisher leider nicht eingeführt worden sind.
Wir können uns also nicht damit einverstanden erklären, daß die Meinungsfreiheit in diesem überflüssigen Punkt eingeschränkt wird, zumal das, was unter Strafe gestellt werden soll, nach normalem Empfinden des Volkes gar nicht strafwürdig ist. Es ist lediglich eine Meinungsäußerung, und nur deswegen soll sie bestraft werden, weil sie einer Behörde nicht gefällt. Auch die Gerichte und gerade die Gerichte müssen sich daran gewöhnen, der öffentlichen Kritik standzuhalten.
Die Gerichte müssen sich daran gewöhnen, daß nicht alle Leute gut finden, was sie urteilen. Es wäre völlig falsch, eine überflüssige Hybris herbeizuführen oder, wenn sie schon bestehen sollte, noch zu fördern. Es soll keineswegs einer übertriebenen oder einer voreiligen Kritik das Wort geredet werden. Aber, wenn eine solche Bestimmung eingeführt wird, so bedeutet es, daß wir Gefahr laufen, in überkommener Weise die Persönlichkeit und ihr Recht dem Staat und seinem Recht unterzuordnen. Mit dem notwendigen Schutz des Staates, mit dem notwendigen Schutze der Freiheit und mit dem notwendigen Schutz des Friedens hat dies gar nichts zu tun.
Mit manchen Vorschlägen kann man sich im Kern und im Grunde einverstanden erklären. Es ist eine Frage des Geschmacks, ob man die Uniform für so wichtig hält, daß man sie verbieten will. Nach der Vergangenheit haben wir allen Anlaß, sie für ernst zu nehmen. Der Schutz der Bannmeile scheint notwendig gerade mit Rücksicht auf Dinge, die sich am Horizont abzeichnen; und vor allem der Schutz des Wahlgeheimnisses; denn man kann nicht wissen, wieweit sich unter die bei den Wahlen mitwirkenden Personen einzelne der Demokratie feindliche Elemente einschmuggeln und die Gelegenheit wahrnehmen, Terror auf diese Art und Weise zu üben.
Die Hochverrats- und Landesverratsbestimmungen und auch die Bestimmungen über die Verhetzung erscheinen uns bei weitem zu allgemein gehalten und bedürfen der Präzisierung.
Alles in allem, meine verehrten Damen und Herren, bringe ich im Namen meiner Fraktion zum Ausdruck, daß wir mit den Grundgedanken dieses Gesetzes übereinstimmen und diese Vorlage für eine brauchbare Diskussionsgrundlage erachten, daß sie uns aber in vielen Einzelheiten bedeutend zu weit geht, und daß wir nicht wünschen, zum Schutze des Staates ein derartig umfangreiches Strafgesetz kodifiziert vorgelegt zu bekommen, das weniger dem Schutz denn der Einschränkung der Freiheit zu dienen geeignet ist. Vor allen Dingen wünschen wir auch, daß das Leben der Demokratie nicht eine Verödung, sondern eine Belebung, Sicherung und eine Gewährleistung durch dieses Gesetz erfährt.