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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 83. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 12. September 1950 3103 83. Sitzung Bonn, Dienstag, den 12. September 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 3103D, 3134C Zustimmung des Bundesrats zu den Gesetzen zur Verlängerung der Geltungsdauer des Preisgesetzes 3104A Verlängerung der Geltungsdauer des Bewirtschaftungsnotgesetzes 3104A Mitteilung über das Ergebnis der Wahl des Präsidenten und der Vizepräsidenten des Bundesrats 3104A Anfrage Nr. 108 der Abg. Dr. Jaeger, Frau Dietz, Dr. Wuermeling u. Gen. betr. Betreuung überlebender Opfer von „Menschenversuchen" (Drucksachen Nr. 1260 und 1332) 3104B Anfrage Nr. 102 der Fraktion der FDP betr. Einebnung deutscher Friedhöfe in Polen (Drucksachen Nr. 1166 und 1335) . . . 3104B Wahl der Mitglieder des Richterwahlausschusses gemäß § 5 des Richterwahlgesetzes vom 25. August 1950 (Nr. 1334 der Drucksachen) 3104B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (Strafrechtsänderungsgesetz 1950) (Nr. 1307 der Drucksachen) 3104C Zur Geschäftsordnung: Kohl (Stuttgart) (KPD) 3104C Dr. Laforet (CSU) 3104D Euler (FDP) 3104D, 3110D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 3105A Dr. Arndt (SPD) 3110C Zur Sache: Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 3105B Bausch (CDU) 3111A Euler (FDP) 3112B von Thadden (DRP) 3113D Ewers (DP) 3114C Paul (Düsseldorf) (KPD) 3115D Dr. Arndt (SPD) 3117C Dr. Reismann (Z) 3120B Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Ausführungen des Wirtschaftsministers des Landes Baden (Nr. 1204 der Drucksachen) 3121C Dr. von Brentano (CDU) (zur Geschäftsordnung) 3121D Beratung der Interpellation der SPD betr. Öffentliche Äußerungen von Bundesministern zu außenpolitischen Fragen (Nr. 1218 der Drucksachen) 3121D Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen . . . . 3121D Mellies (SPD) (zur Geschäftsordnung) 3122A, C Dr. von Merkatz (DP) (zur Geschäftsordnung) 3122B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über öffentliche Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsordnungsgesetz) (Nr. 1102 der Drucksachen) . . . 3123A Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern 3123A von Thadden (DRP) 3124B Jacobi (SPD) 3125A Dr. Solleder (CSU) 3126D Euler (FDP) 3127D Freiherr von Aretin (BP) 3128B Dr. von Merkatz (DP) 3128D Agatz (KPD) 3129C Dr. Reismann (Z) 3130B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes (Bundeskriminalamtes) (Nr. 1273 der Drucksachen) . . . 3131A Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern 3131A Dr. Dr. h. c. Lehr (CDU) 3131C Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 3132A von Thadden (DRP) 3132C Gleisner (SPD) 3133A Neumayer (FDP) 3133D Nächste Sitzung 3134D Die Sitzung wird um 14 Uhr 35 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schäfer eröffnet.
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    Rede von Dr. Thomas Dehler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Ich habe die Bitte, daß die erste Lesung der Vorlage erfolgt.

    (Zuruf von der KPD: Sie haben es eilig!)

    - Ja, ich habe es sehr eilig, das gestehe ich Ihnen zu.

    (Zuruf von der KPD: Weiß ich!)

    Aber ich halte das auch für notwendig. Die Sozialdemokratische Partei hat durch ihre Fraktion schon im Februar ein Gesetz gegen die Feinde der Demokratie eingebracht. Die Vorlage der Bundesregierung stützt sich weitgehend auf diesen Entwurf. Ich habe das bittere Gefühl, daß wir schon ein halbes Jahr verloren haben.

    (Abg. Bausch: Sehr richtig!)

    In diesem halben Jahr sind die Gefahren, die die sozialdemokratische Fraktion zu ihrem Antrag veranlaßt haben, nicht geringer, sondern größer geworden. Die Änderung des Strafgesetzbuches soll die strafrechtlichen Waffen schaffen, um den Feinden der Demokratie entgegentreten zu können. Ich halte es für nicht zu verantworten, diese schon verzögerte Materie in der Gesetzgebung weiter zurückzustellen.


Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir können nunmehr die Geschäftsordnungsdebatte endgültig schließen.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Absetzung des Punktes 2 von der Tagesordnung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist zweifellos die Mehrheit; der Antrag auf Absetzung ist damit abgelehnt.
Wir treten somit in die Beratung des Gegenstandes ein. Das Wort zur Begründung hat der Herr Bundesminister der Justiz.

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    Rede von Dr. Thomas Dehler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Die von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzesvorlage trägt den Namen „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches". Sie befaßt sich also mit Änderungsvorschriften für das Deutsche Strafgesetzbuch, das, meine Damen und Herren, seit dem Mai 1871 in Kraft ist und das in seinen Wurzeln auf das Jahr 1851 zurückgeht. Die Welt, in der dieses Strafgesetzbuch entstanden ist, besteht nicht mehr. Seitdem haben sich grundsätzliche Änderungen vollzogen, und ich glaube, Alfred Weber hat nicht unrecht, wenn er von einem Strukturwandel des Menschen seit dieser Zeit spricht. Diese Wandlungen des Lebens verlangen auch eine Anpassung der Rechtsordnung an die veränderten Verhältnisse.
    Auf dem Gebiete des Strafrechts ist der Ruf nach einer Reform schon etwa 50 Jahre alt. Sie vorzubereiten wird eine meiner schwierigsten, aber auch eine meiner vornehmsten Aufgaben sein. Auf bestimmten Teilgebieten ist nach meiner Überzeugung auf jeden Fall eine sofortige Gesetzesreform dringendes Gebot der Stunde. Dabei steht an der Spitze der Erfordernisse das Gebiet des Staatsschutzes. Wir müssen mit aller Tatkraft daran arbeiten, daß das deutsche Staatsschiff, dem wir, ich möchte sagen, wie einer modernen Arche Noah in der Sturmflut dieser Zeit alles anvertraut haben, was wir noch an Hoffnungen haben und was uns heilig ist, ein seetüchtiges Schiff wird, stark genug, den Gefahren zu begegnen, die in so reichem Maße von innen und von außen drohen. Wir
    müssen auf strafrechtlichem Gebiete alle Vorkehrungen treffen, um die Freiheit, die wir gewählt haben und der wir uns verpflichtet fühlen, zu erhalten.
    Zu den Mitteln dieser Staatserhaltung gehört auch das Strafrecht. Ich habe es schon im Frühjahr dieses Jahres begrüßt — ich sage das nochmals —, daß die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei den Entwurf ihres Gesetzes gegen die Feinde der Demokratie eingebracht hat. Sie können feststellen, daß mein Entwurf diese wertvollen Anregungen weitgehend übernommen hat. Ich habe mich damals nur gegen die Form des Gesetzes gewandt, weil ich es nicht für glücklich halte, mit einem Sondergesetz zu arbeiten. Wir haben mit dem Republikschutzgesetz, mit den Notverordnungen keine guten Erfahrungen gemacht. Sondergesetze tragen immer das Zeichen des Zeitbedingten und damit des Fragwürdigen an sich. Ich halte es für notwendig, daß wir die erforderlichen Änderungen in das Strafgesetzbuch einarbeiten. Unsere Lage ist anders als in der Zeit der Weimarer Republik. Damals lag ein komplettes Strafgesetzbuch vor. Jetzt haben wir infolge der Eingriffe der Kontrollratsgesetzgebung nur einen Torso. Es sind Lücken entstanden, die wir sofort schließen müssen; und ich glaube, wir dürfen dabei nicht nur neuen Wein in alte Schläuche gießen, sondern müssen gleichzeitig den Bedürfnissen der geänderten Zeiten Rechnung tragen und wenigstens auf diesem Teilgebiet das Wagnis einer Strafrechtsreform unternehmen.
    Man hat in der öffentlichen Kritik Bedenken geltend gemacht und hat Sorge, daß der Entwurf, der Ihnen vorliegt, die Rechte des Bürgers in untragbarer Weise einschränke. Vielleicht darf ich dazu ein paar Worte sagen. Unser Grundgesetz steht unter den Leitsätzen der Gerechtigkeit und der Freiheit. Beide Begriffe erheben den Anspruch auf absolute Verwirklichung und treten deswegen notwendig in der Praxis in einen Widerstreit, der in der Formulierung von der „freiheitlichen Grundordnung" deutlich wird. Aber, meine Damen und Herren, ich meine, es gibt keine Ordnung ohne Freiheitsbeschränkung. Die Betonung der Freiheit im Grundgesetz kann nur den Sinn haben, daß dem Staatsbürger das höchste Maß von Freiheit gewährt werden soll, das sich mit einer staatlichen Ordnung unter den jeweiligen geschichtlichen Verhältnissen vereinbaren läßt; und für solche Freiheitsbeschränkungen gibt es kein für alle Zeiten gültiges Maß. Ihr Umfang schwankt nach den politischen, nach den wirtschaftlichen und nach den gesellschaftlichen Verhältnissen, und ein von außen bedrohtes Volk wie das unsere und ein in sich noch nicht gefestigtes Volk wie die Bundesrepublik Deutschland kann keine schrankenlose Freiheit zugestehen. Wir würden sonst Gefahr laufen, von den Gegnern der Demokratie unter Mißbrauch der ihnen zufallenden Freiheiten in den Abgrund der Unfreiheit und des Terrors wieder einmal gestürzt zu werden. Das Schicksal der Weimarer Republik ist ein warnendes Beispiel dafür, daß eine Überdosierung der Freiheit, besonders eine zu weit getriebene Toleranz gegenüber den Feinden der Demokratie, zum Freitod der Freiheit führen kann. Wir müssen ein Freiheitsopfer bringen, um die Freiheit zu bewahren. Ich glaube also deswegen nicht, daß der Ihnen vorliegende Entwurf zu weitgehende Strafvorschriften enthält. Für mich war bei allen Vorschriften oberste Richtschnur, im Rahmen einer freiheitlichen Ordnung und im Rahmen rechtsstaatlicher Vorstellungen zu bleiben. Der


    (Bundesminister Dr. Dehler)

    Bundesrat hat meinen Entwurf mit Ausnahme von zwei Bestimmungen, über die ich gesondert sprechen will, gebilligt.
    Wenn ich Ihnen einen kurzen Überblick über die einzelnen Vorschriften zu geben versuche, darf ich Ihr Einverständnis voraussetzen, daß ich mich bei der großen Fülle des Stoffes auf die politisch bedeutsamen Punkte beschränke und von juristischen Einzelheiten absehe.
    Ich habe schon gesagt, das Kontrollratsgesetz hat Lücken in unser Strafgesetzbuch gerissen, hat insbesondere die Bestimmungen über Hochverrat und Landesverrat gestrichen. Der deutsche Staat ist nun wieder entstanden, wenn auch verstümmelt und wenn auch leider noch nicht voll handlungsfähig. Aber auch dieser Staat bedarf des Schutzes gegen Hochverrat und gegen Landesverrat. Das Grundgesetz enthält bereits Hochverratsbestimmungen, die wir jetzt weiterführen. Insoweit stützen wir uns im wesentlichen auf die alten Rechtsvorschriften.
    Bei der Wiedereinführung von Vorschriften gegen den Landesverrat waren wir bestrebt, uns auf das unter den heutigen Verhältnissen unbedingt notwendige Maß zu beschränken. Insbesondere haben wir davon abgesehen, Vorschriften über Feindbegünstigung einzuführen. Die Landesverratsbestimmungen, die sich gegen landesverräterische Untreue und gegen diplomatischen Ungehorsam wenden, lehnen sich an die bisherigen Rechtsvorschriften an.
    Bedeutsamer ist die Vorschrift über den Verrat von Staatsgeheimnissen. Wir mußten hierbei einerseits auf die gegenüber den Besatzungsmächten noch bestehenden Souveränitätsbeschränkungen Rücksicht nehmen, andererseits aber auch diese Vorschriften auf die von Deutschland angestrebte zukünftige übernationale Völkerrechtsordnung zuschneiden. Während früher Staatsgeheimnisse absolut geschützt waren, indem sie grundsätzlich vor jeder ausländischen Regierung geheimgehalten werden mußten, geht die jetzige Fassung davon aus, daß es Personen oder Regierungen gibt, denen gegenüber keine Geheimhaltungspflicht besteht. Aber nicht nur dieser unfreiwilligen Souveränitätsbeschränkung wird Rechnung getragen, sondern auch dem Fall der freiwilligen Einordnung der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Art. 24 des Grundgesetzes, mit der Folge, daß auch Geheimnisse solcher Staatengemeinschaften unter die Vorschriften gegen den Landesverrat fallen.
    Eine wichtige Neuerung ist die Vorschrift über staatsfeindliche Zusammenarbeit mit dem Ausland. Sie bedroht den mit Strafe, der mit umstürzlerischen Organisationen, die ihren Sitz außerhalb des Bundesgebietes haben, oder mit ihren Agenten in Verbindung tritt und sich dabei von der Absicht leiten läßt, gegen die Sicherheit der Bundesrepublik gerichtete Bestrebungen zu unterstützen. Ich darf bemerken, daß diese Vorschrift im wesentlichen einem Schweizer Entwurf nachgebildet ist. Sie soll und wird eine brauchbare Waffe gegen die nur zu bekannte Wühlarbeit aus dem Osten sein.
    Die Vorschriften gegen die Herabwürdigung des Staates und der Staatsorgane entsprechen in ihren Grundzügen auch früheren Rechtsvorschriften. Die Erfahrungen sowohl der Weimarer Republik als auch die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, daß der allgemeine Ehrenschutz unzureichend ist, um den Staat und die wichtigsten Staatsorgane vor schmutzigen Beschimpfungen und Verdächtigungen zu schützen. Was wir in der letzten Zeit wieder erleben — es ist einfach ungeheuerlich!

    (Zuruf von der KPD: Ihre Reden!)

    Wenn ich daran denke, was sich die an dem Gesetz nach Art. 131 des Grundgesetzes interessierten Personen und Organisationen an Verunglimpfungen der Bundesregierung gestatten, so ist das der Beweis einer Würdelosigkeit, der man wirksam nur mit dem Strafrecht begegnen kann.

    (Sehr richtig! bei der CDU. — Widerspruch bei der KPD.)

    Meine Damen und Herren, Angriffe gegen die nach dem Grundgesetz geschaffenen Organe sind Angriffe gegen den Staat selbst, und ich glaube, sie dürfen im Interesse des Staates nicht hingenommen werden. Dabei ist in keiner Weise an eine Vorzugsstellung der Minister gedacht. Die Minister genießen für ihre Person keinen Sonderschutz, sondern sie werden nur dann geschützt, wenn die Regierung in ihrer Gesamtheit getroffen ist.
    Ich darf mir vielleicht eine Einzelerörterung der vielen in unserem Entwurf angeschnittenen Probleme ersparen. Als bemerkenswert darf ich auf die Vorschrift über den Schutz der Bundesfarben und anderer Bundessymbole hinweisen. In engem Zusammenhang mit dieser Bestimmung steht die Vorschrift des Art. 2 § 1, die das öffentliche Verwenden der Kennzeichen der ehemaligen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei mit Strafe bedroht.
    Der Bundesrat hat, wie Sie aus seinen Vorschlägen unter Nr. 26a ersehen, vorgeschlagen, auch das öffentliche Verwenden der schwarz-weiß-roten Farben zur Bekundung einer politischen Gesinnung unter Strafe zu stellen. Dieser Gedanke entspricht einem Entwurf, der von mir ausging. Das Kabinett hat sich — meines Erachtens mit Recht — auf den Standpunkt gestellt, daß im Augenblick eine solche Vorschrift weder erforderlich noch zweckmäßig ist, weil man wohl feststellen kann, daß der unheilvolle Flaggenstreit in unserem Volke nicht mehr — ich will einmal sagen — aktuell ist.
    Wir haben dann eine Vorschrift eingefügt, die dem Schutz der Parlamente dient; es ist für die Parlamente eine Bannmeile vorgesehen, deren Verletzung strafrechtliche Folgen hat.
    Eine ähnliche Vorschrift dient dem Schutz der Gerichte, weil wir meinen, daß auch die Gerichte nicht dem Druck der Straße ausgesetzt werden dürfen.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Der Anschauungsunterricht in Wahlbeeinflussung und Wahlfälschung, den uns die autoritären Systeme geboten haben und bieten — ich bin überzeugt, daß wir am 15. Oktober wieder reichlich Stoff dafür bekommen werden —, war uns Veranlassung, die bisherigen Bestimmungen über den Schutz der Wahlfreiheit und über den Schutz des Wahlgeheimnisses weiter auszubauen und so sicherzustellen, daß der Wille des Volkes, soweit er mit dem Stimmzettel bekundet wird, seinen unverfälschten Ausdruck findet.
    Von politischer Bedeutung ist auch die Vorschrift, durch die die Träger politischer Uniformen aus dem Straßenbild verbannt werden sollen. Ich meine, Politik soll nach Möglichkeit mit dem Kopf gemacht werden; wer nur die Fähigkeit des Marschierens besitzt, soll sich außerhalb der politischen Szenerie halten.


    (Bundesminister Dr. Dehler)

    Zwei wichtige Vorschriften, die zur Demokratie, zur Achtung der Mitmenschen, zur Fairneß im Verhalten im politischen Kampf erziehen, sind die §§ 130 und 131. Der § 130 bestraft unter dem Gesichtspunkt der Volksverhetzung insbesondere die Hetze gegen Bevölkerungsgruppen, die durch Abstammung, Herkunft, Religion oder Weltanschauung bestimmt sind, z. B. Hetze gegen eine Konfession, gegen Juden, gegen die Vertriebenen. Dem Hetzen ist das Beschimpfen und Verächtlichmachen durch Tatsachenbehauptungen gleichgestellt. Es ist leider so, daß unter der Asche des Dritten Reiches da und dort noch Restbestände des nationalsozialistischen Rassenwahns schwelen; ich meine, sie müssen unerbittlich ausgetreten werden. Die Vorschrift des § 130 schützt auch die Vertriebenen. Die Eingliederung dieser Millionen von Menschen, die unter Mißachtung allen Menschenrechtes Haus und Hof, Hab und Gut und ihre Heimat verloren haben, ist mit Reibungen verbunden. Ich bin der Meinung, notfalls müssen diese Reibungen auch durch den Strafrichter beseitigt werden.
    Die Bestimmung des § 131 über die politische Lüge dient der Befriedung des öffentlichen Lebens; sie stellt die Verleumdung des politischen Gegners unter Strafe, sofern sich der Täter dabei der modernen Massenbeeinflussungsmittel bedient. Eine Demokratie kann nur funktionieren, wenn das Volk in die Lage versetzt wird, sich selbst ein objektives Urteil zu bilden. Dazu ist unerläßlich, daß es ein wahrheitsgemäßes Bild von den politischen Tatbeständen vermittelt bekommt. Es gehört zu den gefährlichsten Entartungen des politischen Lebens, wenn zur Bekämpfung des politischen Gegners bewußt unwahre Behauptungen in die Öffentlichkeit getragen werden. Diesen Methoden der politischen Brunnenvergiftung will diese Bestimmung des § 131 begegnen.
    Der Entwurf bringt eine größere Zahl von Verbesserungen des allgemeinen Ehrenschutzes, die für die gerichtliche Praxis erheblich sein werden, so die Möglichkeit für den Richter, bei ehrlicher Abbitte des Beleidigers das Mindestmaß der Strafe zu unterschreiten oder sogar von einer Strafe abzusehen; dann die Möglichkeit, die ich auch für bedeutungsvoll halte, daß der Strafrichter unter bestimmten Voraussetzungen, besonders wenn aus irgendwelchen rechtlichen Gründen eine Bestrafung nicht möglich ist, die Unwahrheit einer Behauptung oder die Nicht-Erweislichkeit einer Behauptung feststellt.
    Von politischer Bedeutung ist die Vorschrift eines besonderen Ehrenschutzes für solche politischen Märtyrer, die im Kampf gegen den Nationalsozialismus oder für eine freiheitliche demokratische Ordnung ihr Leben gelassen haben. Sie wissen, auf Grund welcher Vorgänge wir diese Bestimmung für wichtig halten.
    Entsprechend dieser Bestimmung wird dann in Art. 2 § 2 ein aus Überzeugung geleisteter Widerstand gegen den Nationalsozialismus vor der Verächtlichmachung geschützt. Wir wollen auf keinen Fall hinnehmen, daß diejenigen, die den Mut besessen haben, der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft entgegenzutreten, von unbelehrbaren Elementen als Landesverräter hingestellt werden. Ich glaube, auch das Strafgesetzbuch darf keinen Zweifel daran lassen, daß das wahre Deutschland, das die Tradition einer großen Vergangenheit und, wie wir glauben, auch die Keimzelle einer wirklich deutschen Zukunft in sich trug, dort stand, wo die Gegner Hitlers standen.
    Die bisher von mir erörterten Vorschriften sind im Bundesrat auf keine Schwierigkeiten gestoßen. Uneins waren wir nur über zwei bedeutsame Bestimmungen. Das ist einmal die Frage der Verfassungsstörung oder der Staatsgefährdung. Das andere Problem betrifft die Störung der Rechtspflege.
    Wir haben in unseren Entwurf einen § 90 eingefügt, der auf dem Gedanken beruht, daß die überkommenen Hochverratsbestimmungen angesichts der veränderten technischen und soziologischen Verhältnisse nicht ausreichen. Der klassische Hochverratstatbestand hat zur Voraussetzung, daß sich der Täter des Mittels der Gewalt bedient oder des Mittels der Drohung mit Gewalt. Diese Bestimmung wird den heutigen Verhältnissen nicht mehr gerecht. Ähnlich wie in modernen Machtkämpfen zwischen den Nationen die Niederringung des Gegners häufig nicht durch die Anwendung der Gewalt, durch Krieg, versucht wird, sondern mit den Methoden — wir kennen sie — der Zermürbung der Widerstandskraft des Volkes, also mit den Methoden, die man als kalten Krieg zu bezeichnen pflegt, ist es auch im Kampf um die Macht im Staat üblich geworden, das plump gewordene Mittel einer mit Gewalt arbeitenden Revolution durch die raffinierten Methoden des kalten Hochverrats zu ersetzen, durch die Methoden, die erst durch die technische Entwicklung möglich geworden sind. Sie wissen, an die Stelle des Hochverrats — wir haben das schauerlich erlebt — ist die „Machtergreifung" durch die Mittel der Organisation und durch das Mittel der Desorganisation, des Massenterrors, der planmäßigen Irreführung der Massen, getreten. Ähnlich zeigt uns die Kriminalstatistik, daß der moderne Verbrecher viel weniger das Mittel des Diebstahls anwendet, um ein fremdes Rechtsgut in seine Verfügung zu bekommen, sondern viel häufiger das Mittel des Betruges. Ähnlich zeigt auch die Vergangenheit, und ich glaube, die Zukunft wird es noch stärker in Erscheinung treten lassen, daß der moderne Hochverrat gerade durch das Fehlen der Gewalt oder durch die Tarnung der Gewalt charakterisiert ist. In dem Augenblick, in dem die Gewalt schließlich in Erscheinung tritt, ist die Macht schon ergriffen. Sie enthüllt dann ihr wahres Gesicht erst bei der Abrechnung mit den Trägern der ausmanövrierten staatlichen Ordnung.
    Solchen Methoden kann man nach meiner Überzeugung mit den antiquierten Mitteln des klassischen Hochverrats, mit den klassischen Bestimmungen gegen ihn, nicht beikommen. Den Planern solcher kalten Revolutionen läßt sich die Absicht der Gewaltanwendung im Sinne einer Hochverratsbestimmung so gut wie niemals nachweisen. Wir wissen, daß dieser Umstand schon zu großen rechtlichen Schwierigkeiten in der sogenannten „Kampfzeit" geführt hat, und gerade die Kenntnis dieses Umstandes hat diesen klassischen Hochverräter Hitler immer davon sprechen lassen, daß er „legal" zur Macht komme. Wir haben die Vorgänge in der Tschechoslowakei im Frühjahr 1948 vor Augen. Sie sind uns ein warnendes Beispiel. Ich glaube, meine Damen und Herren, wir sind uns über die akuten Gefahren, in denen wir leben, nicht im unklaren. Es sind nicht nur Gefahren von der Linken, sondern auch Gefahren, die uns von der Rechten drohen. Was uns vor einiger Zeit Herr Kollege Dresbach über seine Erfahrungen hinsichtlich des Lebendigwerdens der nationalsozialistischen Überreste mitgeteilt hat — ich erinnere an das, was sich im Bergischen Land und in Niedersachsen tut —, all


    (Bundesminister Dr. Dehler)

    das sind Warnungszeichen vor gefährlichen Vorgängen, auf jeden Fall Keimzellen sehr bedrohlicher Entwicklungen. Es ist unsere Pflicht, aus unseren Erfahrungen zu lernen und das Hochverratsrecht zu modernisieren.
    Das Problem liegt darin, eine Bestimmung zu formulieren, die nicht auf das Mittel der Gewalt als Tatbestandsmerkmal abgestellt ist, sondern ein anderes Mittel der Tatbestandsverwirklichung festlegt, das den Unrechtsgehalt dieser Tat kennzeichnet. Auch hier haben wir uns an die Strafrechtsvorschläge der Schweiz angelehnt. Die Schweiz ist durch die Vorgänge in der Tschechoslowakei im Frühjahr 1948 hellhörig geworden. Wir haben uns zunächst für eine Fassung entschieden, die jeden, der eine Verfassungsänderung betreibt, dann mit Gefängnisstrafe bedroht, wenn er zur Erreichung seiner Ziele nicht den in der Verfassung vorgesehenen Weg beschreitet, also wenn er auf verfassungswidrige Weise handelt. So ist die Bestimmung auch in der Schweiz im wesentlichen — über die Vorgänge in den letzten Wochen bin ich allerdings nicht unterrichtet —, ich glaube, schon positives Recht geworden.
    Man hat gegen diese Fassung, weil sie zu abstrakt sei und die Tatbestände nicht genügend konkretisiere, Bedenken erhoben, die im Bundesrat zu einer Ablehnung geführt haben. Ich bin der Meinung, daß wir auf jeden Fall den Versuch machen müssen, dieses Handeln, das „vor" dem Hochverrat liegt, strafrechtlich zu erfassen. Wenn der Bundesrat meint, man müsse dieses Problem erst in der Wissenschaft weiterhin klären —, na, so war vielleicht am Tage der Beschlußfassung des Bundesrats — das war der 23. Juni — noch darüber zu reden. Aber zwei Tage später, meine Damen und Herren, war Korea! Ich meine, das müßte jedem Zauderer die Augen geöffnet haben. Wir brauchen ja nicht in koreanische Fernen zu schweifen, denn das Böse liegt so nah! Für uns genügt das, was in der Ostzone vorgeht. Von dort aus wird mit allen Mitteln der Propaganda, der Wühlarbeit, der Zersetzung der Bundesrepublik gearbeitet, um sie zu Fall zu bringen. Ich glaube, wir können da nicht tatenlos zusehen. Der Kampfruf ist ja nicht: Hannibal ante portas!, sondern das Trojanische Pferd ist in unserer Mitte, und wir müssen uns dagegen zur Wehr setzen. Die Bundesregierung ist der Meinung, daß diese strafrechtliche Bestimmung das Kernstück des Entwurfes ist.
    Wir haben versucht, den Bedenken des Bundesrats Rechnung zu tragen, und haben unter der Bezeichnung „Staatsgefährdung" eine neue Fassung vorgelegt, die wir Ihrer Beratung zugrunde zu legen bitten. Dabei treten an die Stelle des Merkmals verfassungswidrigen Handelns eine Reihe besonders verwerflicher undemokratischer Methoden, die als Mittel der kalten Revolution mit Strafe bedroht werden, wenn ihre Anwendung eine Gefahr für die verfassungsmäßige Ordnung herbeiführt. Diese Methoden bestehen darin, daß die Täter durch Anwendung von Massenterror, durch planmäßige Irreführung der Massen, mit sonstigen verwerflichen Mitteln die Einführung von Maßnahmen oder Einrichtungen betreiben, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar sind, oder daß sie mit diesen Mitteln auf die Ausschaltung oder Lahmlegung verfassungsmäßiger Einrichtungen hinarbeiten.
    Es wird auch die Vornahme von Handlungen, die lebenswichtige Betriebe außer Tätigkeit setzen können, als eine Begehungsform dieses Tatbestandes angeführt. Auch hier ist Voraussetzung, daß der Täter mit der Absicht, einè Änderung oder Untergrabung der verfassungsmäßigen Ordnung herbeizuführen, handelt und in dieser Richtung eine Gefährdung herbeiführt. Ich glaube, daß hier eine brauchbare Lösung gefunden ist.
    In der Erkenntnis, daß eine kalte Revolution regelmäßig nicht von Einzelpersonen, sondern von Personenmehrheiten, von staatsfeindlichen Gruppen betrieben wird, haben wir weiter in unserem Entwurf eine Vorschrift mit Strafrechtsnormen gegen die von staatsfeindlichen Vereinigungen drohenden Gefahren vorgeschlagen. Teilweise ist dies in Ausführung des Art. 21 des Grundgesetzes, der sich mit den staatsfeindlichen Parteien befaßt, schon in den Bestimmungen der §§ 41 und 38 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes, das jetzt bei Ihnen zur Verabschiedung liegt, geschehen. Für die verwandte Bestimmung des Art. 9 des Grundgesetzes, der Vereinigungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten, für verboten erklärt, ist eine Strafvorschrift notwendig. Sie ist im § 129 Abs. 1 des Entwurfs enthalten. Durch sie wird es möglich sein, den organisierten Staatsfeind schon um dieser Organisation wegen zu treffen und ihn unschädlich zu machen, bevor er in Aktion treten kann.
    Das war der eine Streitpunkt oder Differenzpunkt mit dem Bundesrat.
    Der andere hat in der Öffentlichkeit stärkeren Niederschlag gefunden. Es ist die Bestimmung über die Störung der Rechtspflege, die in unserem Entwurf in § 137b enthalten ist. Auch hier handelt es sich nach meiner Überzeugung um ein Problem des Staatsschutzes. Eine Demokratie verdient diesen Namen nicht, wenn sie nicht eine rechtsstaatliche ist. Die Gerichte sind die Träger des rechtsstaatlichen Gedankens. Sie müssen in die Lage versetzt sein, unabhängig ihre hohe Aufgabe zu erfüllen. Die Unabhängigkeit muß mit allen Mitteln, nach meiner Meinung notfalls auch mit den Mitteln des Strafrechts, gehütet werden. Aus diesem Geist ist diese Strafvorschrift geboren, die nicht, meine Damen und Herren, das Ziel hat, den Richter der Kritik der Öffentlichkeit zu entziehen.

    (Abg. Dr. Greve: Doch!)

    — An dieses Ziel ist nicht gedacht!

    (Abg. Dr. Greve: Wer soll denn das entscheiden?)

    — Herr Dr. Greve, an dieses Ziel ist nicht gedacht. Sie müssen mir ja zugestehen, festzustellen, aus welchen Motiven heraus ich Ihnen diese Vorschrift vorschlage.

    (Zurufe links.)

    Es geht uns nicht um den Schutz des Gerichts, es geht uns um den Schutz der Rechtspflege

    (Sehr richtig! rechts)

    und die Wahrung einer unabhängigen Gerichtsbarkeit. Man kann über die Zweckmäßigkeit des Vorschlags streiten; aber auf jeden Fall müssen Sie mir zugestehen, daß das meine Intention ist. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist eins der wichtigsten Kriterien, durch die sich eine Demokratie von den autoritären Systemen unterscheidet. Wir haben schauerliche Erfahrungen mit der „gelenkten" Rechtspflege gemacht, und wir erleben jetzt, daß sich Gleiches im Osten vollzieht. Die Waldheimer Prozesse rechtfertigen die schärfste Anklage gegen den Geist, der dort drüben herrscht, gegen dieses Sich-Hinwegsetzen über die primitivsten Garantien


    (Bundesminister Dr. Dehler)

    einer ordentlichen Rechtspflege. Wir wissen, meine Damen und Herren, auch in einem demokratischen Staat gibt es Kräfte, die ihren Einfluß auf Verfahren nehmen wollen, die einschüchtern wollen, die die an den Gerichtsverfahren Beteiligten in irgendeiner Richtung lenken wollen. Dem soll ein Ende gesetzt werden.
    Wie wenig es sich, Herr Kollege Greve, bei dieser Vorschrift um einen Schutz der Gerichte handelt, mögen Sie daraus ersehen, daß auch die am Verfahren Beteiligten sowie ihre Vertreter und Verteidiger des strafrechtlichen Schutzes teilhaftig werden, wenn man versucht, sie mit unlauteren Mitteln zu beeinflussen. Es soll eine Freiheit von Furcht geschaffen werden, die allen Prozeßbeteiligten zugute kommt.

    (Abg. Dr. Greve: Das brauchen wir nicht!)

    - Wir brauchen s! Wer Zeuge war, mit welchen Druckmitteln gerade in politischen Prozessen Einfluß genommen wurde, der kann keinen Augenblick im Zweifel sein, daß es notwendig ist, hier für Abwehr zu sorgen.
    Neben diesem Ehrenschutz der einwandfreien Rechtspflege steht das Verbot einer vorsätzlichen oder leichtfertigen falschen Berichterstattung in der Öffentlichkeit über gerichtliche Verfahren. Der eigentliche neuralgische Punkt dieser Vorschrift, Nr. 3 des § 137b, bestimmt, daß die Berichterstattung über gerichtliche Verfahren zeitlich beschränkt werden soll. Sie wissen vielleicht, daß diese Bestimmung in der Öffentlichkeit starker Kritik unterzogen worden ist. Man hat liebenswürdigerweise von einer zweiten Bambergensis, von einer neuen Bamberger Peinlichen Halsgerichtsordnung, gesprochen. Es ist nicht an dem!

    (Widerspruch und Lachen links.)

    Es geht nicht um eine Beschränkung der Pressefreiheit. Es geht nicht darum, der Presse einen Maulkorb anzulegen. Man kann über die Formulierung durchaus debattieren. Der Bundesrat hat Bedenken geäußert. Ich habe es deshalb für richtig gehalten, die Vorschrift noch stärker zu profilieren. Eine Strafbarkeit soll nach meinem jetzigen Vorschlag nur dann Platz greifen, wenn vor der Entscheidung erster Instanz, bevor ein Gericht in erster Instanz entscheidet, das noch ausstehende Ergebnis eines gerichtlichen Verfahrens öffentlich in einer Weise erörtert wird, die geeignet ist, die Unbefangenheit der Mitglieder des Gerichts, der Zeugen und der Sachverständigen oder sonstwie die Findung der Wahrheit einer gerichtlichen Entscheidung ernsthaft zu gefährden.

    (Abg. Paul [Düsseldorf]: Wer stellt das fest?)

    — Warten Sie nur ab! Ich werde Ihre Frage beantworten. — Die Strafbarkeit wird in doppelter Weise beschränkt, um alle Garantien dafür zu schaffen, daß ein Mißbrauch dieser Bestimmung nicht eintritt.
    Die Vorschrift ist auf jeden Fall auf den Kern dessen zurückgeführt, was von Anfang an mein Anliegen war: Schutz der Prozeßparteien und der Angeklagten vor irgendeiner Stimmungsmache, die sich im Gerichtssaal in Form der Beeinflussung der Gerichtsmitglieder, der Zeugen, der Sachverständigen und eben damit als Störung der Wahrheitsfindung geltend machen kann. Wir wollen alles vermieden wissen, was eine gerechte Entscheidung hindern kann. Wer in der Praxis stand, weiß, wie verhängnisvoll tendenziöse Berichterstattung ist, wie sie sich auch auf das Erinnerungsbild der Zeugen und oft auch auf den Willen der Sachverständigen in ihrem Streben nach Objektivität auswirkt, wie besonders auch auf die Schöffen und Geschworenen. Schließlich sind die Richter ja auch nur Menschen. Solchen psychologischen Einwirkungen sind die Gerichtsbeteiligten immer ausgesetzt. Diesen Gefahren wollen wir begegnen.
    Man hält mir entgegen, es sei falsch, auf das Vorbild des contempt of court in England zu verweisen; dort seien die Verhältnisse vollkommen anders. Übrigens gibt es diese Bestimmung nicht nur dort in den angelsächsischen Staaten, sondern es gibt sie seit langem — und sie haben sich auch bewährt — z. B. auch in Osterreich; seine Gerichtsstruktur ist durchaus der unseren ähnlich. Wenn gerade in einem Lande mit so hohem Ansehen der Gerichte wie in England diese Strafrechtsbestimmung notwendig ist, dann ist doch der Schluß zwingend, daß bei uns eine gesteigerte Notwendigkeit zu bejahen ist.
    Um aber Ihre Frage (nach links) zu beantworten, sage ich folgendes. Wir haben, um Mißbräuche zu vermeiden, vorgesehen, daß ein Verfahren nur mit Ermächtigung der obersten Dienstbehörde eingeleitet werden soll. Damit ist es ausgeschlossen, daß irgendwo aus Ressentiment ein Strafverfahren eingeleitet wird, so daß also in Wirklichkeit nur der Oberlandesgerichtspräsident darüber entscheidet, ob ein schwerwiegender Fall vorliegt. Vor allem, meine Damen und Herren, ist bei dem gegebenen Tatbestand zu bedenken, daß eine Verurteilung nur bei vorsätzlichem Verhalten des Täters möglich ist, also nur, wenn dem Täter nachgewiesen werden kann, daß alle Tatbestandsmerkmale, also auch das Wissen um die ernstliche Gefährdung einer gerichtlichen Entscheidung vorhanden sind, daß dieser Zweck von dem Wissen und dem Wollen des Täters umfaßt wird. Ich glaube, daß ich Ihnen — trotz aller Kritik meines Herrn Kollegen Dr. Greve — diesen Vorschlag zur ernsten Erwägung unterbreiten darf.
    Das sind die beiden kritischen Punkte der Vorlage.
    Was ich bis jetzt besprochen habe, befaßt sich vor allem mit dem Schutz des Staates und seiner Verfassung, mit den Normen zur Gestaltung des öffentlichen Lebens. Aber, meine Damen und Herren, es darf nicht der Eindruck entstehen, als ob immer noch der Staat an der Spitze aller strafrechtlich geschützten Rechtsgüter stünde. Bisher hat das Strafgesetzbuch mit den Bestimmungen zum Schutz des Staates begonnen, mit den Vorschriften über Hochverrat und Landesverrat. Ich meine: diese Vorstellung hat ihre innere Berechtigung verloren. Der souveräne Staat ist nicht mehr der unbeschränkte Herrscher unserer Rechtsordnung. Auch hier hat sich eine große Umwälzung vollzogen. Die Staaten sind im Begriffe, von dem Thron ihrer Souveränität herabzusteigen, einen Teil ihrer Souveränität auf internationale Staatengemeinschaften zu übertragen. Schon das Grundgesetz der Bundesrepublik hat ausdrücklich diese Möglichkeit vorgesehen, hat vorgesehen, daß die Bundesrepublik zur Wahrung des Friedens sich in Staatengemeinschaften einordnen und hierbei Hoheitsrechte auf diese Staatengemeinschaften übertragen kann. Damit wird die staatliche Souveränität als höchstes und unantastbares Rechtsgut aufgegeben. Es wird eine neue Wertordnung aufgerichtet, und an der Spitze dieser Wertordnung steht der Friede.


    (Bundesminister Dr. Dehler)

    Deswegen schlage ich Ihnen vor, auch an die Spitze unseres Strafgesetzbuches den Schutz des Friedens zu stellen. Wir haben Ihnen einen Tatbestand mit der Überschrift des „Friedensverrats" vorgelegt. Es soll vor allem die Vorbereitung eines Angriffskrieges unter Strafe gestellt werden. Es soll unter schwerste Strafe gestellt werden, wer in der Absicht, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, öffentlich gegen ein fremdes Volk hetzt. Jeden, der die Gefahr des Krieges heraufbeschwört, jeden, der die Gefahr eines Angriffskrieges heraufbeschwört, soll nach diesem Entwurf schwerste Strafe treffen. Das deutsche Volk hat im Rückblick auf die Verheerungen und das Unglück des letzten Krieges keinen sehnlicheren Wunsch als den nach dauerndem Frieden.
    In diesen Zusammenhang sind gestellt die Vorschriften gegen die friedengefährdende Beweismittelfälschung und gegen Neutralitätsbruch. Es soll verhindert werden, daß Deutschland durch das friedengefährdende Verhalten Einzelner in einen Krieg zwischen anderen Staaten hineinverwickelt wird.
    Von besonderer Aktualität ist das Verbot der Anwerbung für den Wehr- und Rüstungsdienst einer anderen Macht, auch für die Volkspolizei des Ostens.

    (Zurufe von der KPD.)

    Es ist ein ernstes Anliegen, daß Deutsche zukünftig nicht mehr für machtpolitische Ziele anderer Staaten mißbraucht werden. Insbesondere muß verhütet werden, daß Bürger unseres Staates für den Militär- und Rüstungsdienst der Ostzone geworben werden, um eines Tages vielleicht zum Bruderkrieg gegen die Bundesrepublik antreten zu müssen. Von diesem Verbot der Anwerbung ist aber eine Ausnahme gemacht für den Fall, daß die Anwerbung für zwischenstaatliche Einrichtungen erfolgt, an denen die Bundesrepublik beteiligt ist.

    (Zuruf von der KPD: Also doch!)

    Wenn das Abendland in Gefahr ist, soll es — das ist wenigstens meine Überzeugung — den Söhnen unseres Landes nicht verboten sein, zur Verteidigung ihrer Heimat beizutragen.

    (Zuruf von der KPD: Das haben wir schon oft gehört!)

    Eine Demokratie — —

    (Glocke des Präsidenten.)