Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In letzter Zeit häuften sich die Fälle, daß Eltern voller Sorge zu mir kamen und mir ihr Leid darüber klagten, daß sie in ihrer Freizügigkeit wesentlich dadurch beschränkt sind, daß, wenn sie von einem Land zum andern ziehen wollen, ihre Kinder in der Schulzeit etwas zurückversetzt werden, d. h., daß durch den verschiedenen Beginn des Schuljahres die Kinder an Zeit verlieren. Zum Beispiel fängt in Bayern, wo ich wohne, das Schuljahr im Herbst an; dagegen hier in Bonn im Frühjahr. Wenn nun Beamte von Bayern nach hier versetzt werden, dann ergibt sich, daß Differenzen entstehen und daß die Kinder zum Teil für eine bestimmte Klasse weit vorgeschritten sind. Das würde an sich nichts schaden. Schlimmer ist es, wenn die Kinder in ihrer Schulausbildung noch um einige Monate zurück sind. Sind diese Schüler sehr begabt, und kommen die Schulen den betreffenden Eltern entgegen, dann können die Schüler mit Hilfe von Nachhilfestunden das Klassenziel zum Beispiel noch bis zum nächsten April erreichen. Aber wenn die Kinder nur durchschnittlich begabt sind — und davon müssen wir doch ausgehen —, gibt es Schwierigkeiten, und die Kinder werden dann Ostern nicht mit versetzt und verlieren ein Schuljahr.
Davon, daß Eltern von einem Land zum anderen übersiedeln, werden nicht nur die Beamten — z. B. diejenigen, die für die Bundesbehörden in Frage kommen — betroffen, sondern — und das erschien mir für den Antrag wesentlich — vor allen Dingen die Heimatvertriebenen. Die Zahl derjenigen, die von der Umsiedlung betroffen sind, geht in die Hunderttausende. Darum hielten wir es für unsere Pflicht, noch einmal mit allem Nachdruck den Antrag zu stellen, daß dahin gewirkt wird, den Schuljahresbeginn einheitlich festzulegen. Denn wenn ein Kind in der Schule nicht mitkommt, bedeutet das auch eine finanzielle Mehrbelastung für die Eltern, die ja für die Ausbildung der Kinder verantwortlich sind. Das kann man gerade den Heimatvertriebenen nicht zumuten.
Der weitaus größte Teil der Länder hat den Schulbeginn bereits auf das Frühjahr festgesetzt, und ich kann es mir nicht vorstellen, daß einer hier im Hause ist, der es nicht für gut befindet, daß der Schuljahresbeginn in sämtlichen westdeutschen Ländern einheitlich festgelegt wird.
Wenn wir uns für den Frühjahrsbeginn ausgesprochen haben und dabei fast wünschen, daß man im Hinblick auf die variable Lage des Osterfestes den 1. April nimmt, dann stützen wir uns weitgehend auf die Gutachten, die wir von Schulfachleuten eingeholt haben. Wenn der Ostertermin gewählt wird, werden durch die Ferien vier fast gleichmäßige Teile des Jahres für die Erziehung und die Ausbildung der Kinder gegeben sein, während der Herbstbeginn mit den sehr langen Ferien, die aus den Herbstferien und den großen Ferien zusammengezogen sind, eine Drittelung des Jahres verursacht. Dadurch entsteht ein sehr langer Zeitraum der Schulzeit. Es hat sich ergeben, daß die Kinder dann zum Schluß dieses Jahresdrittels recht ermüdet sind. Diese Ermüdungserscheinungen wirken sich dann wesentlich auf die Leistungen der Kinder in der Schule aus.
Zum zweiten war maßgebend, daß in Handel und Gewerbe die Einstellung der Lehrlinge vor allen Dingen im Frühjahr erfolgt. Es ist erwünscht, daß — natürlich muß, wenn der Schulbeginn im Frühjahr ist, das Schuljahr auch im Frühjahr enden — die Zeit der Einstellung der Lehrlinge mit der Schulentlassung zusammenfällt. Auch haben unsere Hochschulen ihren Studienplan überwiegend so eingerichtet, daß das Studium nach Möglichkeit im Sommersemester beginnt.
Ich darf noch einmal auf die Schulkinder selber zurückkommen. Wer von Ihnen noch an die Schulzeit — mehr oder weniger gern — zurückdenkt, der wird sich dessen erinnern können. daß der Hauptdruck der Arbeit kurz vor Schuljahresende war, sei es daß der Schüler oder die Schülerin vorher ein wenig gebummelt hatte und noch in einen letzten Start kam, um das Rennen zur Versetzung zu machen, sei es daß der Lehrer erkannte, daß er vielleicht den Lehrplan noch nicht richtig erfüllt hat. Kurzum: im letzten Vierteljahr wird anerkanntermaßen in der Klasse am intensivsten gearbeitet. Wenn nun dieses Vierteljahr in die Sommermonate fällt, so bedeutet die Mehrarbeit für Lehrer und Schüler doch eine gewisse Belastung. Die Kinder wollen lieber draußen herumspringen, und die große Hitze in den Klassen ist auch nicht gerade sehr an genehm. Wer im letzten Jahr, wo gerade in den letzten Wochen vor dem Abitur eine große Hitzeperiode war. Hie Abiturienten gesehen hat, weiß. wie die Schüler durch Mehrarbeit belastet waren.
Der Herbstanfang ist für die Lernanfänger auch nicht so schön insbesondere nicht in Gegenden, in denen sie einen sehr weiten Schulweg haben. In Baden, wo in den ländlichen Gemeinden die Sommerferien schon am 15. Juni beginnen, und die Schulzeit in den höheren Schulen erst im Herbst beginnt, entsteht für die ländlichen Schüler ein Vierteljahr Ferien, und sie verlieren, wenn sie auf die höhere Schule gehen, beinahe ein Vierteljahr Ausbildungszeit. Das ist aller sehr schlecht, besonders im Hinblick auf die Heimatvertriebenen, die ja meistens auf dem Lande wohnen. Natürlich darf der Schuljahresbeginn nicht irgendwie einen Einfluß auf die Einteilung der Ferien haben; das bleibt selbstverständlich den Ländern überlassen. Da soll weitgehend auf die klimatischen Verhältnisse, die wirtschaftlichen Bedürfnisse usw., wie zeitliche Verteilung des Aufenthalts in Kurorten und Überbelastung der Bundesbahn, auch zum Beispiel auf das Erfordernis, die Kinder als Hütebuben einzusetzen, Rücksicht genommen werden. Hier ist nicht daran gedacht, in irgendeine kulturelle oder sonstige Maßnahme einzugreifen. Es handelt sich hier bei unserem Antrag lediglich um eine schultechnische, schulorganisatorische Maßnahme.
Nun ist im kulturpolitischen Ausschuß, wie Sie wissen, über den Herrn Bundestagspräsidenten bereits ein Antrag eingebracht worden, der, glaube ich, ein Sechs- oder Siebenpunkteprogramm enthält. Ein ähnlicher Antrag wurde bereits an die Herren Kultusminister gestellt. Wie ich gerade gestern hörte, ist die Antwort eingegangen, daß so ziemlich alle Länder, die bisher noch den Herbsttermin haben, in Erwägung ziehen wollen, den Schuljahresbeginn auch auf das Frühjahr zu verlegen. Als einziges Land hat — ich muß sagen: leider — Bayern noch keine Antwort gegeben. Mir tut es sehr leid; denn gerade mich berührt es besonders, weil ich auch aus Bayern bin — trotz meiner Sprache — und weil diese Bitte gerade von seiten der Heimatvertriebenen und der bayerischen Beamten an mich gerichtet wurde. Ich möchte besonders meinen Kollegen aus Bayern sagen, daß sie im Interesse von Bayern handeln, wenn sie mit uns gehen und sagen: Wir wollen der Kultusministerkonferenz als Schulanfang einheitlich das Frühjahr vorschlagen, weil sonst Bayern als einziges Land eventuell die Schwierigkeit haben würde, daß die Heimatvertriebenen sich bei einer eventuellen Umsiedlung von Bayern in andere Bundesgebiete sperren. Es liegt doch im Interesse auch meiner Kollegen von der Bayernpartei, daß recht, recht viele von den Heimatvertriebenen in vielleicht bessere Verhältnisse in andere Bundesländer umgesiedelt werden. Außerdem würden Sie auch die bayerischen Beamten unterstützen, sei es von der Bundesbahn, sei es von der Post, die sich bemühen, an die höheren Bundesstellen versetzt zu werden, und die Beförderungsstellen auszunutzen. Auch für diese wäre es unangenehm, wenn sie mit Rücksicht auf ihre Kinder auf eine Beförderung verzichten müßten.
Ich möchte Sie daher bitten, unsern Antrag zu unterstützen, durch den wir die Bundesregierung bitten, bei der ständigen Konferenz der Kultusminister dahin zu wirken, daß der Beginn des Schuljahres für alle Länder einheitlich auf das Frühjahr festgelegt wird.