Meine Damen und Herren! Als uns der Antrag auf Drucksache Nr. 1118 auf den Tisch gelegt wurde, haben wir uns wohl alle an die 16. Sitzung des Hohen Hauses im November vorigen Jahres erinnert.
Damals stand auch ein Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zur Debatte. In diesem Antrag wurde der Herr Finanzminister gebeten, im Wege der Vorfinanzierung den Betrag von 120 Millionen zur Verfügung zu stellen, damit die Hausrathilf e noch vor Weihnachten ausgezahlt werden könnte. Es gab darüber eine sehr heftige Debatte. Der Herr Abgeordnete Bucerius war es, der damals unsern Antrag einen Agitationsantrag nannte.
Wenn vor wenigen Wochen von der CDU ein ähnlicher Antrag vorgelegt wurde, dann ist das wohl nachträglich die beste Würdigung des Antrags, den wir damals von uns aus eingereicht haben. Aus der unangenehmen Lage, in die die CDU-Fraktion durch die Debatte in jenen Novembertagen gekommen war, rettete sie dann ja bei der namentlichen Abstimmung das Ja des Bundeskanzlers, dem sich alle übrigen Mitglieder der Fraktion anschlossen.
- Herr Brookmann, auch wenn Sie noch so freundlich lächeln, das, was sich damals hier zugetragen hat, hat allerdings auch schon sehr viel Heiterkeit in diesem Hause erregt! Immerhin hat es in diesem Fall, Herr Kollege Kunze, ja einige Monate gedauert, bis Sie anscheinend Ihre Ansichten gewandelt haben. Wir haben vorhin an einem andern Beispiel erlebt, daß zur Not nur acht Tage dazu erforderlich sind, um zu einer anderen Ansicht zu kommen!
— Ja natürlich, es kommt immer darauf an, wen es gerade trifft!
Und durch diese Zwischenbemerkung bringen Sie mich gleich auf das, was ich jetzt sagen wollte. Denn wenn man das Datum dieses Antrags sieht, muß man feststellen, daß er am 4. 7. vorgelegt worden ist, also wenige Tage vor der Wahl in Schleswig-Holstein.
Es ist eine bekannte Tatsache, daß diese Frage der
120 Millionen, — Graf Spreti, ringen Sie doch
nicht so die Hände! Über diese Dinge muß ganz
deutlich gesprochen werden, vor allem jetzt, nachdem der abgeänderte Antrag vorliegt, aus dem die
120 Millionen plötzlich wieder verschwunden sind!
Es ist damals im Wahlkampf in Schleswig-Holstein über die Dinge viel gesprochen worden, und offenbar sollte jetzt dieser Antrag dazu dienen, den Schaden, der entstanden war, einigermaßen wieder gutzumachen. Nun, meine Damen und Herren, Retourkutschefahren ist immer eine etwas gefährliche Angelegenheit: einmal macht es keinen guten Eindruck, zweitens muß man sich aber auch über den Weg völlig klar sein, sonst kann man leicht auf Abwege geraten, und das ganze Gefährt fällt um. Und die Tatsache, daß Sie heute schon bei der Begründung Ihren Antrag völlig abändern müssen, beweist ja, daß Sie den Weg nicht gekannt haben. Denn in diesem Antrag heißt es, daß die Bundesregierung durch das Hauptamt für Soforthilfe den Betrag von 120 Millionen DM zur Auszahlung bringen soll. Über die Mittel des Soforthilfeamtes oder des Soforthilfefonds — das hat eben Herr Schütz schon betont — kann die Bundesregierung in keinem Fall verfügen; und wir sagen: Gott sei Dank kann sie nicht darüber verfügen, sondern darüber verfügt nach den Richtlinien, die von der Bundesregierung aufgestellt und vom Kontrollausschuß genehmigt werden müssen, lediglich der Präsident des Hauptamtes in Verbindung mit dem Kontrollausschuß. Insofern hätte also der Antrag von vornherein eine ganz andere Form haben müssen. Wir wissen allerdings, daß der Herr Bundesfinanzminister im tiefsten Innern seines Herzens den Wunsch hat, über das Hauptamt für Soforthilfe etwas mehr zu sagen zu haben, als ihm das nach dem Soforthilfegesetz zusteht. Es hat sich ja in den letzten Monaten hinter den Kulissen ein heftiges Ringen um die Stellung des Hauptamtes abgespielt.
Zu einem Teil ist diese Auseinandersetzung zuungunsten des Herrn Bundesfinanzministers entschieden, und wir werden bei den Haushaltsplanberatungen dem Herrn Bundesfinanzminister ganz deutlich zeigen, wo seine Grenzen gegenüber dem Hauptamt liegen. Denn wir wünschen einen stärkeren Einfluß auf keinen Fall. Uns erfüllt der gegenwärtige Zustand schon mit einiger Sorge. Es ist ja eine bekannte Tatsache, daß dank der Finanzpolitik des Herrn Finanzministers die Bundeskasse gelegentlich erhebliche Schwächezustände hat. Bei solchen Schwächezuständen erinnert sich der Herr Bundesfinanzminister gern daran, daß in der Kasse des Soforthilfefonds Mittel zur Verfügung stehen, und er benutzt diese Gelegenheit, um dann über die Nöte des Tages hinwegzukommen. Dagegen wäre vielleicht bei einer guten und soliden Finanzwirtschaft grundsätzlich nichts einzuwenden. Wir haben aber die Befürchtung, daß sich unter Umständen in den kommenden Monaten diese Schwächeanfälle der Bundeskasse so oft wiederholen, daß es vielleicht nicht immer möglich sein wird, die entnommenen Beträge nachher wieder zur Verfügung zu stellen.
Zu dem Antrag selbst noch ein paar Punkte. Der Herr Kollege Schütz hat ausgeführt, daß im Augenblick beim Soforthilfefonds 103 Millionen zur Verfügung stehen. Ich weiß nicht, woher ihm diese Kenntnis gekommen ist. Uns ist jedenfalls in den letzten Tagen mitgeteilt, daß im Augenblick ein Betrag von 80 Millionen zur Verfügung steht. Wir haben uns aber in der letzten Sitzung des Kontrollausschusses — wenn ich nicht irre, war Herr Kollege Schütz ja zugegen — darüber unterhalten, daß wir aus diesen Mitteln erhebliche Beträge zur Verfügung stellen wollen, um für die Vertriebenen das Eigenkapital beim Wohnungsbau aufzubringen. Es
ist damals zuerst der Betrag von 20 Millionen genannt worden. Wir sind der Auffassung, daß dieser Betrag nicht ausreicht. sondern daß wir in der nächsten Sitzung des Kontrollausschusses einen wesentlich höheren Betrag werden festsetzen müssen. Das würde also bedeuten, daß im Augenblick vielleicht dann nicht 100 Millionen, sondern 50 Millionen zur Verfügung ständen. Wenn aber die Hausrathilfe möglichst schnell ausgezahlt werden soll, müßte eine Vorfinanzierung, wie sie in unserem Antrag verlangt wird, auch tatsächlich durchgeführt werden. Wenn das nicht geschieht, wird es immerhin bis zum Ende dieses Jahres dauern, bis das Soforthilfeamt in der Lage ist, diese jetzt im Betrage von 120 Millionen DM vorgesehene Aktion durchzuführen.
Wir glauben also, daß unser Antrag keineswegs überflüssig geworden ist, sondern wir greifen ja nur das auf, was im Antrag der CDU ursprünglich verlangt wurde, daß nämlich diese 120 Millionen möglichst bald zur Verfügung stehen, damit auch denjenigen, die sehnlich darauf warten, daß ihnen diese Mittel ausgezahlt werden, geholfen werden kann.
Die Antragsteller haben in Abänderung ihres Antrags — wahrscheinlich, nachdem sie unseren Abänderungsantrag zur Kenntnis genommen hatten — schon selbst den Vorschlag gemacht, daß dann die Richtlinien einmal geändert werden müssen. Diese Richtlinien — auch das hätte zum mindestens Ihnen, Herr Kollege Schütz, bekannt sein müssen, Sie haben ja vorhin darauf hingewiesen — sind im September vorigen Jahres geändert worden, und zwar im Hinblick auf die Bedürfnisse des Wohnungsbaus. Damals ist die Hausrathilfe an die letzte Stelle gesetzt worden. Wir haben dagegen sehr große Bedenken gehabt und haben uns ja auch über diese Frage unterhalten. Es würde also zur Durchführung dieser Aktion erforderlich sein, daß dann die Hausrathilfe tatsächlich sofort hinter der Unterhaltshilfe an die erste Stelle käme.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir zu dem Antrag und zu dem ganzen Verfahren abschließend noch ein Wort. Mit dem Antrag der CDU, wie er in der ursprünglichen Form vorlag und auch in der Art, wie er jetzt gestellt worden ist, wird in den nächsten Wochen kaum praktisch und durchgreifend geholfen werden können. Es ist bei der Politik, die in den Fragen der Vertriebenen gemacht wird, häufig der Ausdruck gefallen: Man muß aus Gründen der Optik dieses oder jenes tun. Ich fürchte, bei dem Antrag der CDU sind zunächst auch einmal solche Gründe der Optik maßgebend gewesen.
— Sie mögen sagen: Unerhört! Wir haben zunächst einmal im vorigen Herbst, verehrte Kollegin Weber, die Dinge hier erlebt. Ich habe Ihnen eben schon gesagt: aus diesem Antrag sind ja jetzt, nachdem Sie ihn verändert stellen, die 120 Millionen DM wieder verschwunden. Ich glaube, es ist eine sehr gefährliche Politik, gerade in den Fragen, die die Vertriebenen angehen, in erster Linie aus Gründen der Optik Anträge zu stellen. Es kommt hier darauf an, praktische und reale Hilfe zu schaffen. Das können Sie dadurch, daß Sie unseren Abänderungsantrag annehmen. Wenn dann der Herr Finanzminister diese 120 Millionen vorfinanziert, kann die Auszahlung in den nächsten Wochen erfolgen, und bis zum Jahresschluß ist der Herr Finanzminister wieder im Besitz dieser Mittel, so daß auch Schwierigkeiten für die Bundeskasse daraus nicht erwachsen können. Ich bitte Sie daher, unseren Abänderungsantrag anzunehmen und dadurch die baldige Auszahlung der 120 Millionen DM zu ermöglichen.