Die Aussprache ist geschlossen. .
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Jugendfürsorge beantragt. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Wir haben noch eine Abstimmung zu erledigen. Es ist die Abstimmung zu Punkt 13 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung,
also die Abstimmung über die Drucksachen Nr. 1127 und 1179. Hier ist kein Antrag auf Überweisung an den Ausschuß gestellt; wir stimmen also zur Sache selber ab, und zwar zunächst über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU, Drucksache Nr. 1179, Änderungsantrag zu Drucksache Nr. 1127. Wer für den Änderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Damit erübrigt sich die Abstimmung zu dem Prinzipalantrag, der ja durch diesen Änderungsantrag ersetzt worden ist. — Ich stelle fest, daß sich kein Widerspruch gegen diese Feststellung erhebt.
Meine Damen und Herren, es erhebt sich die Frage, wie wir weiter prozedieren. Es wurde mir gesagt, daß der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers Blücher eine
Regierungserklärung
zu den Tagesordnungspunkten 4 a, 4 b und 5 abgeben will. Ich nehme an, daß die eine oder andere Fraktion das Bedürfnis haben wird, nach dieser Regierungserklärung zu beraten. Wir werden also nicht um eine Pause herumkommen. Ich schlage Ihnen vor, daß wir diese Beratungspause mit einer nützlichen Mittagspause verbinden und daß wir den Herrn Stellvertreter des Bundeskanzlers bitten, die Regierungserklärung jetzt abzugeben, daß wir uns anschließend vielleicht um anderthalb Stunden vertagen und dann in der Erledigung der Tagesordnung fortfahren. Sind Sie einverstanden?
— Es ist so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a, 4 b und 5, auf die sich die Regierungserklärung bezieht, auf:
4 a. Beratung der Anordnung PR Nr. 38/50 über die Festsetzung von Getreidepreisen für die Monate Juli, August und September 1950 sowie zur Ergänzung und Änderung der Anordnung über Preisbildung und Preisüberwachung nach der Währungsreform und der Anordnung PR Nr. 84/49 über die Preisbildung für eingeführte Güter vom 18. Juli 1950 ;
4 b. Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Erklärung der Regierung zur Weiterzahlung der Subventionen für Brotgetreide und Phosphatdünger ;
5. Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Festsetzung von Brotpreisen .
Bei der Beratung werden wir die Punkte trennen. Ich bitte nun den Herrn Stellvertreter des Bundeskanzlers, das Wort zu ergreifen.
Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat über die in den aufgerufenen Punkten angesprochenen Gegenstände seit Wochen verhandelt und verhandeln müssen, und zwar deswegen, weil es sich nicht um Gebiete handelt, bei denen man Einzelentscheidungen treffen kann, sondern um Gebiete, die unbedingt als Ganzes zu sehen sind. Ich werde mich deswegen auch bemühen, zu
den sämtlichen hier aufgeworfenen Fragen eine unmißverständliche Erklärung bzw. Antwort zu geben.
Es ist vielleicht zweckmäßig, von einer Frage auszugehen, die in ganz besonderer Weise widerspiegelt, in welchem Umfang wir heute von der Entwicklung der Zeitläufe abhängig sind. Ich meine damit die Ausgleichsabgabe. Sie alle wissen, in welchem Maße, vor allen Dingen im agrarpolitischen Ausschuß dieses hohen Hauses, über diese Frage gesprochen worden ist. Sie kennen auch den Ablauf der Geschehnisse und Verhandlungen. Es war beim Bundesrat und all denjenigen Abgeordneten, die sich für die Ausgleichsabgabe einsetzten, die Überlegung bestimmend, daß sie vor allen Dingen auch dazu dienen solle, unsere Böden in Zukunft nicht verarmen zu lassen. Man wollte aus der Ausgleichsabgabe vor allem die Superphosphate subventionieren, deren Preis von der Landwirtschaft auch nach der Erhöhung der Getreidepreise nicht aufgebracht werden kann, weil der Erhöhung der Getreidepreise ganz wesentliche Ausgabeerhöhungen — auch durch den Ausfall anderer Stützungen — gegenüberstehen. Infolgedessen schien dieser Gedanke praktisch. Die Bundesregierung selbst hatte sich allerdings am 5. Juni dagegen geäußert, und zwar deswegen, weil ihr diese Abgabe nicht im Zuge ihrer gesamten Wirtschaftspolitik zu liegen schien; außerdem wollte sie in keiner Weise an diese Abgabe herangehen, ohne ihre Auswirkungen im einzelnen überprüft zu haben. Die Überprüfung möglicher Auswirkungen fiel nun in eine Zeit außerordentlicher Preisentwicklungen hinein.
Während sich also entgegen dem Beschluß der Bundesregierung noch im Juni sowohl der Bundesrat als auch ein. großer Teil der Abgeordneten dieses Hauses für die Ausgleichsabgabe einsetzten, geschah es, daß noch im Juni die Preise für die wesentlichen Grundstoffe der Margarine fortgesetzt etwa bis zum 28. Juni so erheblich absanken, daß die Verfechter einer solchen Abgabe recht zu haben schienen. Es wäre nämlich in der Tat durch die Senkung der Rohstoffpreise eine Ausgleichsabgabe möglich gewesen, ohne daß , dadurch dieses wichtige Gut für die Versorgung unserer Bevölkerung verteuert worden wäre. In der Zwischenzeit aber haben sich auf Grund der Ihnen bekannten weltpolitischen Ereignisse die Verhältnisse ganz grundsätzlich und sehr gründlich geändert.
Ich darf vielleicht, ohne Sie zu ermüden, mit Ihrer Einwilligung einige Zahlen nennen. Die Sojabohne ist ein klassisches Beispiel für die von mir gekennzeichnete zahlenmäßige Entwicklung: am 3. Juni 312,8 Cents, am 17. Juni 293,8 Cents, am 8. Juli 312 Cents und am 15. Juli 325,8 Cents. Sie sehen hier den unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Beschlüssen und dem, was für die Beschlüsse letzten Endes maßgeblich sein muß. Sie können dieselbe Entwicklung, nämlich das Anziehen der Preise, auch bei Sojaöl, beim Olivenöl und bei all den anderen Rohstoffen beobachten. Ist aber dieser gesteigerte Preis eine für lange Zeit zu erwartende, unverrückbare Tatsache, dann entfällt die Begründung, die die Ausgleichsabgabe möglich zu machen schien, nämlich die Aufrechterhaltung der Preise für den Verbraucher. Und das ist der Grund — und nicht irgendeine Unsicherheit —, der die Bundesregierung veranlaßt hat, auf diese Ausgleichsabgabe zu verzichten, was ich hiermit ausdrücklich feststelle.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie werden bei diesen Ausführungen an manchen Stellen eine sehr große Sorge haben. Ich habe nämlich als
einen der wesentlichen Gründe für den Gedanken der Erhebung einer Ausgleichsabgabe die Sorge darum genannt, daß die Landwirtschaft nicht in der Lage sein würde, die ohnedies noch immer unzureichend ernährten Böden weiterhin mit Superphosphaten zu unterhalten. Das ist die Sorge, die die Bundesregierung voll teilt. Gerade heute wird für das Verhalten der Bundesregierung gegenüber den Fragen der Agrarpolitik nur eines bestimmend sein müssen, nämlich daß die gegenwärtige Erzeugung nicht nur gehalten, sondern noch gesteigert wird.
Wenn es überhaupt eine Pflicht und eine Verantwortung für diese Regierung in diesem Augenblick gibt, dann ist es diese, an die Ernährung des Volkes zu denken. Und wir werden bei den Maßnahmen, die wir einleiten, um die Preisstützung bei der Beschaffung der Superphosphate zu gewährleisten, nicht vergessen, daß es die beste Investition in der Landwirtschaft im Augenblick und in der Zukunft ist, die Qualität und Erzeugungsfähigkeit unserer Böden zu halten. Daher wird das ganze Interesse der Bundesregierung eben dieser Frage gelten; und es zeichnen sich auch die Möglichkeiten der Finanzierung nicht nur mit Hilfe der Länder, sondern gerade aus der Tatsache ab, daß es sich letzten Endes um die wesentlichste Betriebsaufwendung handelt.
Ich komme zu der Frage der Subventionen für das Brotgetreide und zu der Frage des Brotpreises überhaupt. Der Herr Bundesfinanzminister hat in all den letzten Monaten niemals eine Unklarheit darüber bestehen lassen, daß ihm die Fortführung einer Gesamtsubvention nicht möglich sei. Auf tier anderen Seite ist stets davon ausgegangen worden, daß wir in der heutigen Zeit keinesfalls daran denken können, eine Brotpreisgestaltung zu gestatten, die in krassem Gegensatz zu der Lage der breiten Massen der Bevölkerung steht. Was die Subventionen betrifft, so ist es der Grundsatz und die Haltung der Bundesregierung, daß die Differenz, die sich zwischen Inlands- und Auslandspreisen ergibt, mit Hilfe von Subventionen, zu deren Aufbringung auch die Länder werden berufen sein müssen, aufgebracht werden soll. Auf der anderen Seite können wir nicht darauf verzichten, unsere Landwirtschaft überhaupt am Leben zu erhalten und klare Richtlinien bezüglich der Preise zu schaffen. Daher bleibt die Bundesregierung bei ihrer Vorlage, wonach der Roggenpreis im Mittel auf 280 DM und der Weizenpreis im Mittel auf 320 DM je Tonne gebracht werden. Die Differenzen zwischen diesen Inlandsrichtpreisen und dem Preis für die eingeführten Getreidemengen werden getragen werden.
Um die Frage des Brotes, diese schwerste aller politischen Fragen, zu lösen, haben nun sehr schwierige, aber auch von viel gutem Willen getragene Verhandlungen mit den beiden Gewerben, auf die es am allermeisten ankam, mit den Müllern und mit dem Backgewerbe, stattgefunden. Es ist von beiden Seiten ein beträchtliches Maß an Opfern verlangt worden; sie haben sich in klarer Erkenntnis der Lage und der Verpflichtungen, die sich aus dieser Lage ergeben, bereit gezeigt, dieses Opfer zu bringen. Meine Damen und Herren! Es wird sofort zu den bisherigen Preisen, also den Preisen vor dem 30. Juni, der Bevölkerung ein ortsübliches Konsumbrot zur Verfügung gestellt.
— Meine Damen und Herren! Ich freue mich über
das Interesse, das von der ganz linken Seite dieses
Hauses kommt. Glauben Sie mir, für uns ist das
eine Sache, die nicht mit dem kalten Wort „Interesse" abgetan ist, sondern ich versichere Ihnen, daß uns in einem solchen Augenblick die Versorgung mit einem jeder ortsüblichen Anforderung entsprechendem Brot auch eine Herzenssache war,
die nichts mit Politik im allgemeinen Sinne zu tun hat,
sondern nur mit unserer Verpflichtung. Sie sollten doch, wenn Sie allzu bequem mit der Kritik bei der Hand sind, selbst die Schwierigkeiten ebenso kennen und die Stunde, in der wir leben, ebenso ernst wie wir nehmen. Infolgedessen haben wir es für unsere Pflicht gehalten, diesen Weg zu gehen, und wir haben in den Verhandlungen eben jenes Ergebnis erreicht, das ich eben nannte.
Lassen Sie mich aber in diesem Zusammenhang zur Frage der Versorgung der Bevölkerung überhaupt etwas sagen. Wir verurteilen auf das allerschärfste jene, denen es besser geht als den armen Leuten und die sich deswegen gerechtfertigt fühlen, zu hamstern.
Meine Damen und Herren! Wir wissen, daß dieses Hamstern immer ein Diebstahl am Ärmsten ist.
Ich will Ihnen aber auch etwas anderes mit aller Deutlichkeit sagen. Die Bundesregierung hat sich durchaus nicht nur mit solchen Erklärungen und Gedanken befaßt. Wir wissen, daß es unsere Aufgabe ist, durch eine geschickte Handhabung der uns gegebenen Vorräte, durch eine Erhöhung der Vorräte, durch entsprechende finanzielle Maßnahmen, die uns zu einer derartigen Vorratswirtschaft in die Lage versetzen, dafür zu sorgen, daß wir überall eingreifen können, wo durch unvernünftige Käufe vorübergehend Schwierigkeiten zu entstehen drohen.
Für uns steht am Anfang und am Ende: die Aufrechterhaltung der gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung, unsere jetzige Vorratslage, die Möglichkeit, die Vorräte zu vermehren, und nicht zuletzt die ergriffenen Maßnahmen, um auch die Ernte in Sicherheit einzubringen, und ein entsprechender Preisschutz für denjenigen, der nunmehr abliefern soll.
Meine Damen und Herren, alles das zusammen gibt uns die Möglichkeit, mit Ruhe daran zu denken, wie sich die Versorgung der Bevölkerung in den nächsten Monaten abwickeln wird. Sie wird auf lange Zeit gesichert sein, und das scheint uns im Augenblick überhaupt das Wesentlichste zu bedeuten.
Ich darf noch etwas zu dem sagen, was als kleine, hämische, geistreichelnde Bemerkung natürlich ausgezeichnet ist. Das ist die Frage des Brotes. Meine Damen und Herren, das, was angeboten wird, ist in den meisten Gebieten Deutschlands das von jeher am meisten gekaufte Brot gewesen.
Wir können nicht daran vorbeigehen, in Zeichen solcher Not dafür Sorge zu tragen, daß das Erzeugnis deutschen Bodens, nämlich der Roggen, auch für die Ernährung der deutschen Menschen verwendet wird und nicht liegenbleibt, wie das in der Vergangenheit häufig der Fall gewesen ist.