Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf vielleicht gleich bei der Frage der Zuständigkeit beginnen. Hier haben wir bewußt von einem Programm für die deutsche Jugend und nicht für die bayrische, nordrhein-westfälische, hamburgische, bremische Jugend gesprochen; denn wir glauben, daß das Jugendproblem ein deutsches und letzten Endes ein europäisches, aber kein bayrisches Problem ist.
Sie machen uns nun den Vorwurf, daß wir damit gegen Art. 74 des Grundgesetzes verstoßen. Ich habe es Ihnen vorhin schon gesagt; wahrscheinlich waren Sie da nicht im Saal, Herr Kollege. Aber wenn Sie uns sagen, daß wir auf die Vergangenheit zurückgreifen, indem wir einen Tag der deutschen Jugend und nicht einen Tag der bayrischen Jugend fordern, Herr Kollege von der Bayernpartei: Wer greift wohl in seinem Konzept mehr zurück? Wer will wohl den Zustand des Rheinbundes vor anderthalb hundert Jahren restaurieren? Ich glaube also, mit dem Rückgriff sind Sie uns im Hinblick auf Ihr staatsrechtliches Konzept weit überlegen.
— In der Lautstärke, glaube ich, können wir uns messen, Herr Kollege!
Wenn Sie allerdings der Meinung sind, wir sollten einen Tag der bayrischen Jugend einführen — nun gut, Sie sollen ihn haben! Bitte, laden Sie uns aber, die Nichtbayern, dazu ein, damit wir der bayrischen Jugend sagen, daß es unmöglich ist, von Europa zu reden, Europa schaffen zu wollen und sich auf der unteren Ebene in föderalistisch überspitzten Länderegoismen zu zerreden.
Was die im niedersächsischen Landtag vorliegenden Entwürfe der Kollegen der dortigen FDP-Fraktion betrifft, so sollte man, glaube ich, hier keine Parallelen ziehen. Ich könnte Ihnen, Frau Kollegin Keilhack, sonst sagen, daß Ihr Oberbürgermeister Henßler auch anderer Meinung ist als Sie. Daraus ziehe ich noch lange nicht den Schluß, daß auch Sie über den Kollegen Henßler am Ende doch zu einem Arbeitsdienst kommen.
Die Frage der Ziffer 5! Außerordentliche Zeiten bedingen außerordentliche Maßnahmen. Wenn Herr Kollege Ribbeheger meint, diese Maßnahmen würden zum Kollektivismus führen, und uns unterstellt,
daß wir das wollten — Herr Kollege Ribbeheger, ich wage nicht die Frage aufzuwerfen, wo vielleicht die individuelle Unabhängigkeit größer wäre, ob bei uns, der liberalen Partei, oder bei Ihnen, dem Zentrum.
Also hier sollte man nicht diese Simplifikationen, dieses Von-einem-Extrem-ins-andere-Fallen praktizieren und so tun, als ob es nur immer extreme Lösungen gäbe.
Aber ganz besonders muß ich der Kollegin Thiele etwas sagen. Ich muß sagen: ich bedauere es, daß eine menschlich so sympathische Frau
Sie sagen: die Regierung ist bisher sehr langsam gewesen. Allerdings, die autoritären Staaten sind ein schnelles Segelschiff, das mit geschwellten Segeln — ob sie braun oder rot sind, spielt keine Rolle, die Verwandtschaft ist ohnehin groß — durch die Ozeane fährt, bis es auf ein Riff stößt und sehr schnell untergeht. Die demokratischen Institutionen sind sehr langsam und schwerfällig. Man hat auf diesem Floß die Füße immer im Wasser; aber dieses Floß geht nie unter, Frau Kollegin!
Und wenn Sie dann von den Formulierungen sprechen, so glaube ich, daß Sie uns in dieser Beziehung weit, weit voraus sind; denn Ihre Schwesterpartei sagt ja in der SED-Hymne:
Die Partei, die Partei,
Die hat immer recht,
Und, Genossen, es bleibe dabei!
Das ist Ihr Refrain,
und deswegen glaube ich auch nicht, daß das Ihre eigene Meinung war. Ich fürchte, wenn Sie hier eine eigene Meinung vertreten, teilen Sie das Schicksal Ihrer Kollegen.
Aber ich darf Ihnen auch noch einen guten Rat geben. Bitte versuchen Sie, Ihre menschlich sympathische Art in einer Aussprache mit Ihrer Genossin Heta Fischer zu einer Praxis menschlicher Methoden sich auswirken zu lassen. Ich glaube, hier tun Sie dem Frieden und vor allem dem Frieden im Herzen einer Mutter einen guten Dienst. Das wäre für Sie als Frau eine hervorragende Aufgabe.
Wenn Sie noch zu einem „Friedenstreffen" an Rhein und Ruhr aufrufen, so sollten wir, glaube ich, alles tun, um zu vermeiden, daß an Rhein und Ruhr mit Lügen, Schlagworten und Phrasen genau so Rattenfängerei getrieben wird, wie Sie das drüben tun. Ich glaube, wir sollten alles tun, um zu vermeiden, daß an Rhein und Ruhr dieses Pseudo-Friedenstreffen überhaupt stattfindet.