Rede:
ID0107804900

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 9
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Strauß.: 1
    8. 8: 1
    9. Minuten.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juli 1950 2779 78. Sitzung Bonn, Freitag, den 21. Juli 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 2780D, 2831C Persönliche Bemerkungen betr. Einladung des Abg. Goetzendorff zur Beratung des Antrags betr. Gablonzer Waren (Drucksache Nr. 884) im Außenhandelsausschuß: Spies (CSU) 2181A Goetzendorff (DRP-Hosp.) 2830D Anfrage Nr. 95 der Abg. Strauß, Kemmer, Dr. Jaeger, Spies, Stücklen u. Gen. betr. Einziehung zur Fremdenlegion (Drucksachen Nr. 1111 und 1198) 2781C Beratung der Interpellation der Abg. Frau Dr. Steinbiß, Frau Kalinke, Dr. Hammer u. Gen. betr. Regelung von Gesetzen und Verordnungen der Länder auf Bundesebene (Nr. 1082 der Drucksachen) . . . . 2781C Frau Dr. Steinbiß (CDU), Interpellantin 2781D Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern 2782C Beratung der Interpellation der Fraktion der FDP betr. Bestreikung argentinischer Staatsdampfer in Hamburg (Nr. 1196 der Drucksachen) 2782D Rademacher (FDP), Interpellant 2782D, 2786B Storch, Bundesminister für Arbeit . 2783C Böhm (SPD): zur Sache 2784B persönliche Bemerkung 2786C Kohl (Stuttgart) (KPD) 2785B Walter (DP) 2785D Beratung der Interpellation der Abg. Dr. Frey u. Gen. betr. Mangel an Arbeitskräften in der Landwirtschaft (Nr. 1089 der Drucksachen) 2786C Strauß (CSU) (zur Geschäftsordnung) 2786D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Anerkennung von Nottrauungen (Nr. 1134 der Drucksachen) 2787A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Schwerkriegsbeschädigtenbetriebe (Nr. 1136, 330 der Drucksachen) . 2787C Lenz (CDU), Berichterstatter . . . . 2787C Übersicht über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Nr. 1133 der Drucksachen) 2788A Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Nr. 1127 der Drucksachen; Änderungsantrag Nr. 1179) . . . 2788B, 2802C Richter (Frankfurt) (SPD), Antragsteller 2788B, 2790D Degener (CDU) 2788D Storch, Bundesminister für Arbeit 2789C Dr. Wellhausen (FDP) 2790B Abstimmung 2802C Beratung des Antrags der Abg. Mende u. Gen. betr. Programm für die Betreuung der deutschen Jugend (Nr. 1030 der Drucksachen) 2791C Mende (FDP), Antragsteller . 2791C, 2801C Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern 2793D Frau Keilhack (SPD) 2794A Strauß (CSU) 2796C Farke (DP) 2799A Frau Thiele (KPD) 2799C Dr.-Ing. Decker (BP) 2800C Ribbeheger (Z) 2801A Regierungserklärung in Verbindung mit der Beratung der Anordnung PR Nr. 38/50 über dieFestsetzung von Getreidepreisen für die Monate Juli, August und September 1950 sowie zur Ergänzung und Änderung der Anordnung über Preisbildung und Preisüberwachung nach der Währungsreform und der Anordnung PR Nr. 84/49 über die Preisbildung für eingeführte Güter vom 18. Juli 1950 (Nr. 1177 der Drucksachen) und mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Erklärung der Regierung zur Weiterzahlung der Subventionen für Brotgetreide und Phosphatdünger (Nr. 1188 der Drucksachen) sowie mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Festsetzung von Brotpreisen (Nr. 1161 der Drucksachen) 2781A, 2786D, 2802C, 2804C Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers 2802D, 2808D Unterbrechung der Sitzung . . 2804C Faßbender (FDP) 2804D Ollenhauer (SPD) 2805D Lübke (CDU) 2806D Kohl (Stuttgart) (KPD) 2807D Dr. Glasmeyer (Z) 2808C Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 2808C Abstimmungen 2809A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Festsetzung vor Brotpreisen (Nr. 1161 der Drucksachen) 2787A, 2810A Dannemann (FDP) 2810A Dr. Glasmeyer (Z) 2810C Zweite Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und Z eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Nr. 420 der Drucksachen) und des von der Fraktion des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiedereinführung der Befreiung nichtöffentlicher Schulen und Erziehungsanstalten von der Umsatzsteuer (Nr. 656 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 1123 der Drucksachen); in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Umsatzsteuer für die Verbände der freien Wohlfahrtspflege (Nr. 1124, 262 der Drucksachen) . 2787A, 2811A Neuburger (CDU), Berichterstatter 2811B, 2816D Schmücker (CDU) 2811D Dr. Koch (SPD) 2812C Mensing (CDU) 2814A Dr. Kneipp (FDP) 2814D Eickhoff (DP) 2815B Dr. Reismann (Z) 2815D Pelster (CDU) 2816A Dr. Hartmann, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium . . . . 2816B Dr. Oellers (FDP) 2817B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) über die Anträge der Fraktion der SPD betr. Interzonenhandel (Nr. 1135, 943 und 1084 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abg. Rademacher, Juncker, Dr. Friedrich, Dr. Schäfer und Fraktion der FDP betr. Interzonenhandel (Nr. 1164 der Drucksachen) . . . 2787B, 2817C Stegner (FDP), Berichterstatter . . . 2817C Rademacher (FDP), Antragsteller . 2819A Wehner (SPD) 2819C Beratung des Antrags der Fraktion der BP betr. Zulassung zum Gewerbebetrieb und Untersagung eines Gewerbebetriebes (Nr. 1016 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der BP betr. Berufsständische Ordnung des Handwerks (Nr. 1017 der Drucksachen) 2788A, 2820D zur Geschäftsordnung: Dirscherl (FDP) 2821A Dr. Seelos (BP) 2821B Strauß (CSU) 2821C Stegner (FDP) 2823D zur Sache: Dr. Etzel (Bamberg) (BP), Antrag- steller 2821D Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Hausrathilfe (Nr. 1118 der Drucksachen; Änderungsantrag Nr. 1195) 2788A, 2824A Schütz (CSU), Antragsteller 2824A Mellies (SPD) 2825A Dr. Oellers (FDP) 2826C Beratung des Antrags der Abg. Frau Dr. Ilk u. Gen. betr. einheitlicher Beginn des Schuljahres (Nr. 1090 der Drucksachen) . . 2827C Frau Dr. Ilk (FDP), Antragstellerin . 2827C Dr. Seelos (BP) 2828D Frau Arnold (Z) .. . 2829B Weltner (SPD) 2829B Ewers (DP) 2829C Dr. Edert (CDU-Hosp.) 2829D Gaul (FDP) 2830C Nächste Sitzungen 2781C, 2831C Die Sitzung wird um 9 Uhr 14 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Irma Keilhack


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Neben einigen selbstverständlichen technischen Forderungen, wie Erleichterungen der Paß- und Visumbestimmungen für Auslandsreisen und Erweiterung der Fahrpreisermäßigungen usw., enthält der uns vorgelegte Antrag - Programm für die Betreuung der deutschen Jugend — eine Reihe von Vorschlägen, die im einzelnen noch im Ausschuß beraten werden müßten.
    Wir begrüßen und befürworten alle die Maßnahmen, die den deutschen Jugend- und Sportverbänden helfen, mit Jugendtreffen und echten sportlichen Veranstaltungen die deutsche Jugend für ihre Organisationen zu werben und zu begeistern. Wir begrüßen und fördern jede Art jugendlicher Gemeinschaftsbildung, die dem jungen Menschen im Kreise Gleichaltriger und Gleichgesinnter Erlebnisse und Erfahrungen vermittelt, die ihn vor der Vermassung schützt und ihm schon in jungem Alter das Gefühl für die Rechte und Pflichten gibt, die ihm in der Gesellschaft und in einem politisch freien demokratischen Staat gegeben bzw. auferlegt werden. Wir erwarten von der Bundesregierung und von den Länderregierungen, daß sie ihre Bemühungen um diese junge Generation in jeder Beziehung verstärken werden, für eine Jugend, die materiell durch den totalen Krieg und psychisch durch den Mißbrauch, den man im Hitlerreich mit ihr trieb, schwer geschädigt worden ist.
    Hierzu gehört, daß man vor allem auch dem Teil der deutschen Jugend, der sich auch heute schon wieder in freien Verbänden um eine Neugestaltung jugendlichen Lebens bemüht, alle nötige Finanzhilfe, alle behördliche und alle menschliche Unterstützung gibt, die sie in die Lage versetzt, in anständigen Heimen unter ordentlichen Voraussetzungen ihre Gruppenabende, ihre Veranstaltungen, ihre Aussprachen und Treffen abzuhalten, daß man das Jugendwandern vor allem durch ein enges Netz von Jugendherbergen in Deutschland, aber auch über Deutschland hinaus durch den Fortfall des erschwerenden Visum- und Paßzwanges unterstützt.
    Meine Damen und Herren! Die persönliche Beziehung zum Menschen der anderen Nation und der anderen Landschaft schafft doch erst die echte Verbindung, die zur Toleranz und zur Verständigung mit anderen Volksgruppen und Völkern führt.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir begrüßen in diesem Zusammenhang ganz besonders die Bemühungen in Deutschland und im Ausland um den Austausch zwischen den jungen Menschen. Wir begrüßen es, daß man für sehr viele Gruppen, z. B. für die Studenten, generelle Erleichterungen schafft, möchten sie aber ausgedehnt wissen auf die Jugendlichen aus allen Schichten, d. h. auch auf die jungen Arbeiter.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir möchten die Kultusminister der Länder vor allem bitten, einen ständigen Schüleraustausch schon bei den jüngeren Jahrgängen als reguläre Schuleinrichtungen aller, also auch der Volks-, Berufs-, Ober- und Hochschulen einzurichten. Bedenken Sie bitte, daß fast 80 % unserer Jungen und Mädel durch die Berufs- und Volksschulen erfaßt werden und daß gerade diese im späteren Leben nur sehr wenig Möglichkeiten haben, aus eigener Anstrengung Auslandsfahrten unternehmen zu können. Ich bitte vor allen Dingen die deutschen Lehrer, sich dieser Aufgabe ganz besonders anzunehmen. Die Erziehung zur Einordnung in eine Fahrtengemeinschaft, der Reiz der Andersartigkeit der fremden Länder und seiner Bürger sind wesentliche pädagogische Faktoren. Sie fördern die charakterlichen Qualitäten, deren ein demokratisches Staatswesen bedarf, das diese jungen Menschen wenige Jahre später gestalten sollen.
    Zu diesem Kapitel gehört auch die Unterstützung internationaler Jugendtreffen in Deutschland, die im Ausland das Verständnis für Deutschland weiter verbessern helfen.
    In diesem Zusammenhang hoffen wir auch, meine Damen und Herren, daß es recht bald möglich sein wird, den § 4 des Reichsjugendwohlfahrtgesetzes als Pflichtaufgabe der Jugendämter wieder in Kraft zu setzen.
    Die Anregungen des Antrages Nr. 1030 finden in vielen Punkten unsere Zustimmung. Wir verstehen jedoch nicht, daß die Freie Demokratische Partei als antragstellende und zugleich Regierungspartei nicht vor seiner Einreichung oder mindestens zugleich mit ihr bei der Regierung angemahnt hat, wieweit die vom Bundestag im April beschlossenen Sofortmaßnahmen zur Behebung der Not der berufs-, arbeits- und heimatlosen Jugend sind, die auf Grund eines sozialdemokratischen Antrages vorgeschlagen und vom Bundestag angenommen worden sind.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Diese Maßnahmen, meine Damen und Herren, wurden in sehr sorgfältiger und ernsthafter Arbeit vom Bundestags-Jugendfürsorgeausschuß zusammengestellt. Sie könnten wirklich sehr viel dazu tun, der Jugend zunächst das zu sichern, was die erste Voraussetzung aller weiteren Förderungsmaßnahmen sein muß, nämlich dem jungen Menschen die Sicherung seines Lehrberufs zu geben, ihm einen Arbeitsplatz zu schaffen, ihm das Dach über dem Kopf zu sichern nach dem unsteten Leben der Nachkriegsjahre.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir würden ferner sehr gern eine schnelle Verabschiedung unseres Antrages zur Kinderbeihilfe sehen, der die Sicherung des Kindes, des Jugendlichen und seiner Familie erstrebt.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! Die Anziehungskraft eines demokratischen Staates, der seinen Bürgern


    (Frau Keilhack)

    und seiner Jugend nicht das Blendwerk der Massenaufmärsche mit Fackeln und Fanfaren anbieten will, um sie so geräuschloser um ihre Freiheit und in Zwangsarbeitsläger und KZ's zu bringen, — die Anziehungskraft dieses Staates besteht in der Sicherung der sozialen Existenz seiner Bürger und vor allem seiner jungen Bürger.

    (Händeklatschen bei der SPD.)

    Sichtbare ernste Bemühungen auf diesem Gebiet würden das Vertrauen zum heutigen Staat ganz außerordentlich stärken.
    Wir bemängeln in diesem Zusammenhang weiter, daß noch immer nicht ein einheitliches fortschrittliches Jugendarbeitsschutzgesetz vorgelegt worden ist, das die Arbeitskraft der Jugendlichen fördert und schützt. Hierin sehen wir einen sehr schweren Mangel der jetzigen Staatsführung, der jedoch, meine Damen und Herren, sich nicht nur auf jugendpolitisches Gebiet begrenzt, sondern im gesamten Raum der Sozialpolitik besteht.
    In Anbetracht der bedrohlichen Nachbarschaft und der Ausbreitungstendenzen des Bolschewismus bitte ich Sie auch heute wieder, sich der vollen Tragweite einer unsozialen Politik bewußt zu sein. Von der Sozialdemokratie ist sehr oft darauf hingewiesen worden, daß das beste Bollwerk gegen den Totalitarismus faschistischer und bolschewistischer Prägung der soziale Staat, die soziale Demokratie ist. Das gilt auch besonders für die Lage der Jugend. Wir bitten deshalb noch einmal um einen genauen Bericht über die getroffenen Maßnahmen in dieser Beziehung.
    In diesem Zusammenhang erkläre ich für meine Fraktion, daß die Punkte 4 und 5 des FDP-Antrages Nr. 1030 von uns entschieden abgelehnt werden.

    (Händeklatschen bei der SPD.)

    Zum Punkt 4: Die Landarbeit muß im Rahmen eines ordentlichen Arbeitsverhältnisses gemacht werden. Das Ernährungs- und Landwirtschaftsministerium muß sich zusammen mit den Bauernorganisationen einmal genau überlegen, wie man den ländlichen Beruf anziehender macht.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Denn darauf kommt es ja doch wohl an. Landflucht und das Widerstreben, eine Landarbeit anzunehmen, haben nicht zuletzt ihre Ursache in der schlechten Unterbringung der Hilfskräfte und in den schlechten Arbeitsbedingungen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Dazu kommt, daß man sich in dörflichen Gemeindeverwaltungen noch immer nur sehr wenig darum bemüht, den gesteigerten kulturellen Ansprüchen auch der Landjugend etwas entgegenzukommen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Hier liegt eine sehr dankenswerte Aufgabe für die Organisationen und die Selbstverwaltungskörperschaften.
    Der Arbeitsdienst, meine Damen und Herren, der in Punkt 5 des FDP-Antrages noch schamhaft als „freiwillig" bezeichnet worden ist, der in einer Gesetzesvorlage der gleichen Partei vom 7. Juni im niedersächsischen Landtag aber schon unverhohlen ein Zwangsarbeitsdienst ist

    (Hört! Hört! links)

    und dem man den Pferdefuß des Reichsarbeitsdienstes der Nazizeit schon ansieht, wird schärfstens von uns bekämpft.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir sind sicher, daß wir die überwiegende Zustimmung der deutschen Jungen und Mädel finden.
    Wir brauchen keine Notstandsarbeit, sondern echte Berufsausbildung. Wir brauchen echte Arbeitsplätze im Rahmen eines durchgreifenden Arbeitsbeschaffungsprogramms für unsere Achtzehn- bis Fünfundzwanzigjährigen, damit sie ihr erlerntes Wissen weiterverwerten und sich vor allem ein Fundament für die Schaffung einer Familie bauen können.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Sie sollen nicht wieder mit geschultertem Spaten in Reih und Glied marschieren.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die glatte Ablehnung dieser Art des Arbeitsdienstes hat jedoch nichts mit den Fürsorgemaßnahmen zu tun, die teilweise als Jugendaufbauwerk bezeichnet werden und die die entwurzelte und schon sozial gefährdete Jugend in der Nachkriegszeit in Aufnahmeheimen zusammenfaßten, ihnen dort ein neues Zuhause schafften und ihnen nach seelischer und körperlicher Gesundung dann Arbeits- und Lehrstellen zu vermitteln versuchten. Das ist eine soziale Tat, die unsere volle Unterstützung findet. Bei aller Förderung der ideellen Werte der Jugendarbeit erwarten wir nach wie vor die größten finanziellen Anstrengungen durch den Staat für eine gute, familienähnliche Unterbringung der Kinder und Jugendlichen, die an den Geschehnissen der letzten Jahrzehnte am schuldlosesten sind, ihre Eltern und Heimat verloren haben und Störungen erlitten, deren Auswirkungen erst in späteren Jahren sichtbar sein werden. Sichern wir der Jugend ein häusliches und ein Familienleben, eine Arbeits- und Berufsmöglichkeit! Aktivieren wir ihren Wissensdurst und ihre Lernfreude, die jeder junge Mensch hat! Der moderne Berufs- und Schulunterricht, der aufgeschlossene, gemeinschaftsfördernde Erzieher, die gut geleitete Volkshochschule, die in ein System von Heimvolkshochschulen, ähnlich wie es in Schweden und Dänemark ist, einmünden kann und die vor allen Dingen auch den Wissensdurst der Land- und Stadtjugend zu befriedigen vermag, dazu ein Ausbau der anregenden und fördernden Tätigkeit der Landesjugendämter für die Jugend, die noch nicht zu einer Organisation gestoßen ist, mit dem Ziel der Persönlichkeitsbildung werden, meine Damen und Herren, den jugendlichen Nachwuchs bilden, der nötig ist, um einen demokratischen und freiheitlichen Staat mit Leben zu erfüllen. Alles, was wir in dieser sicher sehr harten und sehr sorgenvollen Zeit an der Jugend unterlassen, wird das spätere staatliche Leben vervielfacht belasten.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Neben diesen Maßnahmen fordern wir, daß in allen Schulen und Universitäten die Soziallehre ein Lehrfach wird, ein Pflichtfach werden muß, damit auch von hier aus das Bewußtsein staatsbürgerlicher Notwendigkeiten und gesellschaftlicher Verpflichtungen vertieft wird. Die Demokratie und die Selbstverwaltung, meine Damen und Herren, kann in allen Altersstufen gelebt und auch gelehrt werden. Ich möchte Sie an die Stabilität der politischen Verhältnisse in den nordischen Staaten, in Amerika und England erinnern, die ihre Ursache nicht zuletzt darin hat, daß das demokratische Bewußtsein ihrer Bürger bei ihnen ständig geschult und erhalten wird. Auch unsere Jungen und Mädel müssen erfahren, daß es ohne Pflichten keine Rechte gibt. Sie müssen sie üben lernen. Aber eine gesunde junge Generation ist immer bereit, Pflichten, die ihrem Alter angemessen sind, zu erfüllen. Wir Erwachsenen müssen der Jugend wieder das Gefühl geben, nicht Untertanen, sondern Bürger ihres Staates zu sein,


    (Frau Keilhack)

    an dessen Ausgestaltung sie mitwirken soll. Deshalb begrüßen wir auch die Bemühungen um die Annäherung der Staats- und Kommunaiverwaltungen an die Jugend, wie sie sich etwa im Städtetag dokumentiert hat, oder wie es in meiner Stadt, in Hamburg, geschieht, wo in einer Woche durch Öffnung aller Jugend-, Schul- und Kultureinrichtungen das Leben der hamburgischen Jugend und ihre Betreuung für die hamburgischen Bürger sichtbar gemacht wird.
    Meine Damen und Herren! Die Jugend ist heute zweifellos ökonomisch, soziologisch und psychisch in einer so andersartigen Situation, daß es nötig ist, auf der Bundesebene eine leistungsfähige Zentral-
    und Forschungsanstalt für Jugendfragen auf zubauen. Diese muß mit den modernen wissenschaftlichen Methoden, in Zusammenarbeit auch mit der ausländischen Wissenschaft, die während unserer Abgeschlossenheit im Hitler-Reich zu sehr wichtigen Erkenntnissen gekommen ist, die auftretenden Jugendprobleme gründlich studieren und sie vor allen Dingen auch für die Praxis auswerten. Sie müßte eine Koordinierungsstelle werden und zugleich anregend für die Länderjugendarbeit sein. Sie muß der Gesprächspartner für die Bundesjugendorganisationen, für die internationalen Einrichtungen werden, wie es zum Beispiel die UNESCO ist. Alle diese Dinge können heute noch nicht gemacht werden. Wir werden einen entsprechenden Antrag in Kürze nachreichen.
    In Anbetracht des Umfangs der Aufgaben auf jugendpolitischem Gebiet, denen wir uns nicht entziehen können und nicht entziehen wollen, wenn unsere Jugend nicht in Passivität und Resignation zurückfallen soll — ich führte es bereits an anderer Stelle aus —, was zu einer Bedrohung der Entwicklung unseres Staates führen würde, fordern wir einen außergewöhnlichen Anruf an alle verantwortungsfreudigen und gutwilligen Deutschen. Im Namen meiner Fraktion mache ich Ihnen den Vorschlag, einen „Jugendgroschen" einzuführen, der freiwillig, vielleicht durch Aufkleben einer kleinen Marke auf Theater- und Kinokarten, bei Sport- und sonstigen geselligen Veranstaltungen, auf Wettscheinen usw., entrichtet wird. Viele Deutsche, die dazu noch in der Lage sind und denen die Sache der Jugend am Herzen liegt, werden bereit sein zu helfen. Dieser „Jugendgroschen" soll helfen, an den vielen Aufgaben, die vor uns liegen, etwas mitzutun. Gerade unsere Erwachsenengeneration ist es unserem Nachwuchs schuldig.
    Wir schlagen die Verwaltung eines solchen „Jugendgroschens" in Form einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft vor, deren Zweckbestimmung und Zusammensetzung einer näheren Auseinandersetzung unterliegen müßte. Dieser „Jugendgroschen" soll kein Bettelgroschen sein. Reichere Länder wie die Schweiz und Schweden führen ähnliche Aktionen seit Jahren durch, und zwar manchmal in Form einer Sonderbriefmarke oder, wie in Schweden, in Form der Solsticka, der Sonnenhölzchen, als einer ständigen Einrichtung. Es sind Streichholzpäckchen, die bebildert sind, mit einem Aufschlag verkauft werden und deren Erträge für Jugend- und Kindereinrichtungen zusätzlicher Art verwendet werden. Der Jugendgroschen soll Ausdruck der Fürsorge sein und vor allen Dingen Ausdruck der Zusammengehörigkeit zwischen den erwachsenen und den jungen Bürgern unseres Landes. Ich glaube, das werden auch die Jungen verstehen, denen wir helfen wollen und von denen wir hoffen, daß sie einmal
    die freiheitsbewußten Träger eines demokratischen und sozialen Staates werden.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Strauß. 8 Minuten.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns liegt der Antrag Drucksache Nr. 1030 — Programm für die Betreuung der deutschen Jugend — vor. Dieses Programm enthält eine Reihe von Punkten, die sich auf verschiedene Gebiete erstrecken: wirtschaftliche, soziale, kulturelle, sportliche, ethische und auch — im guten Sinne des Wortes gesagt — politische. Seit der Ausschuß für Fragen der Jugendfürsorge im Bundestag die Arbeit im September letzten Jahres aufgenommen hat, hat er, vielleicht sogar in formellem Verstoß gegen die Geschäftsordnung — weil ihm keine Drucksache dieser Art überwiesen worden war —, begonnen, sich über die Frage der Berufsnot und der Heimatlosigkeit großer Teile unserer Jugend zu unterhalten. Gegen Ende des letzten Jahres kam der sozialdemokratische Antrag hinzu, in dem die Bundesregierung ersucht wird, ein Programm auszuarbeiten, damit Sofortmaßnahmen zur Regelung dieser Fragen ergriffen werden können. Der Ausschuß für Fragen der Jugendfürsorge hat sich dann eingehend mit diesen Fragen befaßt und ein umfangreiches Programm ausgearbeitet, das im Plenum unverändert und beinahe einstimmig angenommen wurde. In diesem Programm wurde die Bundesregierung ersucht, nach den dort niedergelegten Punkten Maßnahmen auszuarbeiten und in die Wiklichkeit umzusetzen, die das ja von verschiedenen Seiten her außerordentlich schwierige Problem der Berufsnot, der Ausbildungsnot und zum Teil auch noch der Heimatlosigkeit der Jugend angreifen sollten.
    In der Zwischenzeit haben eine Reihe von Besprechungen zwischen den beteiligten Ministerien — zum Teil auch unter Hinzuziehung meiner Person in der Eigenschaft als Vorsitzender des Jugendfürsorgeausschusses — über diese Fragen stattgefunden. Der Herr Bundesinnenminister hat heute vorläufig abschließend das Ergebnis bekanntgegeben, wonach die Bundesregierung, um diese Fragen zu lösen, umfangreiche Maßnahmen ausgearbeitet hat, die jetzt kurz davor sind, praktisch in Angriff genommen und realisiert zu werden.
    Ich möchte dabei von Anfang an gleich einer Bitte, die mir angebracht erscheint, um vielleicht später Anfragen oder Interpellationen oder Spannungen und Schwierigkeiten zu vermeiden, lebhaften Ausdruck geben, nämlich der, daß dieses Programm der Bundesregierung — ob es nun Bundesjugendwerk heißt oder einen anderen Namen erhält; vielleicht ist an eine Stiftungsurkunde gedacht, die vom Bundespräsidenten unterzeichnet wird, die Einzelheiten stehen wohl immer noch nicht fest —, bevor eine definitive Entscheidung fällt, möglichst im Ausschuß für Fragen der Jugendfürsorge kurz durchgesprochen wird und die Regierung dort über diese geplanten Maßnahmen Bericht erstattet, damit in diesen Fragen eine Übereinstimmung zwischen Bundesregierung und Bundestag erzielt wird. Dabei gebe ich mich, nachdem die Arbeiten im Bundestagsausschuß für Fragen der Jugendfürsorge immer ziemlich einmütig verlaufen sind, dem optimistischen und durchaus berechtigten Glauben hin, daß das Programm der Bundesregierung auch dort seine Billigung erhalten wird. Es soll hier selbstverständlich nicht eine Verwischung der Aufgaben der Exekutive und der Legislative stattfinden; aber das


    (Strauß)

    Programm der Bundesregierung wird durch eine parlamentarische Untermauerung eine um so breitere Basis haben. Es soll dabei selbstverständlich keine zeitliche Verzögerung eintreten, weil mit diesen Maßnahmen noch im Laufe dieses Sommers und im Laufe des Herbstes begonnen werden muß, damit sie eine fühlbare Entlastung auf diesen Gebieten bringen.
    Wir dürfen mit Befriedigung feststellen, daß die Bundesregierung, das Innen-, das Wirtschafts- und das Arbeitsministerium — sogar mit dem Segen des Herrn Finanzministers, der in diesen Zeiten immer besonders schwer zu erreichen ist, was in keiner Weise einen Vorwurf, sondern eine Selbstverständlichkeit darstellt — die Arbeit aufgenommen und zugesagt haben, immerhin erhebliche finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, um wirkliche Lösungen zu schaffen; nicht Kunstlösungen, die nur eine Verzögerung der Lösung des Problems, aber keine wirkliche Lösung dieser ganzen Frage bedeuten würden.
    Wir haben es auch begrüßt, daß hier das Innenministerium federführend mit Unterstützung der anderen Ministerien vorangegangen ist und die Anregungen, die ihm von der Seite des Bundestages zugegangen sind, aufgegriffen und in einer wirklich positiven Weise verwertet hat.
    Wenn wir uns hier über ein Programm für die Betreuung der deutschen Jugend zu unterhalten haben, so müssen wir, ohne auf die Einzelheiten dieses Programms einzugehen, auch eine ernste Frage anschneiden. Immer, wenn ein Staat versucht hat, die Staatsbevöikerung in den Dienst seines Machtgedankens zu stellen, wie es alle totalitären Staaten tun, hat an der Spitze das Bestreben gestanden, die Jugend zu gewinnen. „Wer die Jugend hat, hat die Zukunft!" Wir kennen all diese Aussprüche, die gefallen sind, die aber heute nicht etwa der Vergangenheit angehören, sondern die in nicht allzu großer Entfernung von uns in einer zum Teil noch geschickteren Form, als die Vorbilder sie hatten, heute wieder nachgeahmt werden, und — worüber wir uns keinem Zweifel hingeben dürfen — nicht ohne Erfolg nachgeahmt werden. Jede Unterschätzung dieser Bestrebungen, alle Erwartungen, daß etwa die Jugend heute, zum Beispiel in der Ostzone, infolge der Erfahrungen der Vergangenheit gegen solche Versuche immun ist, sind nicht am Platze. Ich glaube, in diesem Sinne hat man auch in der Bundesrepublik die Ergebnisse, die Auswirkungen des Berliner Pfingsttreffens der Freien Deutschen Jugend etwas bagatellisiert. So lagen die Dinge nicht. Wenn auch einige Jugendliche nach Westberlin herübergekommen sind, um Coca Cola, Kaugummi und andere Erzeugnisse zu bewundern oder zu sich zu nehmen, irgendwie lösen diese Massenereignisse immer eine Art Sog aus. Die Jugend ist in einem bestimmten Alter für solche Massenereignisse empfänglich, wenn ihr nicht eine andere Grundlage, demokratische Grundwerte und eine feste Haltung für das Leben mit auf den Weg gegeben werden. Wir, die wir glauben, die Lage der Jugend heute einigermaßen zu überblicken — ohne unbescheiden zu sein —, haben diese Ereignisse nicht unterschätzt, sondern im Gegensatz zu mancher Presseberichterstattung sehr, sehr ernst genommen. Wir wissen, was wir dem entgegensetzen müssen.
    Es handelt sich hier, primitiv gesprochen, um die Frage: Wird die Jugend trotz der Schwierigkeiten — um mich vorsichtig auszudrücken —, die auf diesem Gebiet bestehen, heute für die Grundsätze und für die Grundelemente der Demokratie in all ihren Ausprägungsmöglichkeiten gewonnen? Oder
    geht die Jugend infolge gewisser Erscheinungen in der Demokratie, infolge mancher ungünstiger Bilder und Nachteile, die die Demokratie im Vergleich zu der rascheren Arbeitsweise totalitärer Staaten zu haben scheint, wieder andere Wege? Sind Menschen am Werke, die in der Lage sind, die Jugend auf diese anderen Wege zu führen, auf denen wir sie nicht haben wollen? Das alte Ringen um die Seele, die Haltung, die Zukunft und den Weg unserer Jugend hat begonnen. Es ist der Weg zur Demokratie oder zur Diktatur.
    Wir dürfen uns keinem Zweifel darüber hingeben, daß es nicht allein darum geht, Programme und Grundsätze aufzustellen und der Jugend demokratische Weisheiten oder demokratische Tugenden zu predigen. Es handelt sich vielmehr darum, etwas zu tun, was die Diktaturen aller Generationen immer verstanden haben, was in den zwölf Jahren der Fall war, was heute in der Ostzone in noch wesentlich größerem Maße der Fall ist, nämlich Geld für die Lösung der wirtschaftlichen, sozialen, moralischen und politischen Probleme unserer Jugend aufzuwenden. Es ist kein Zufall, daß, wenn ich recht unterrichtet bin, allein in dem Haushalt der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik ein Gesamtbetrag von 46 Millionen Ostmark für die Durchführung der Aufgaben der dort wohl zur Staatsjugend erhobenen Freien Deutschen Jugend aufgewendet wird. Wenn auch das Geld nicht das alleinige Mittel sein kann, so werden wir doch ohne die finanziellen Unterstützungen nichts erreichen können. Das Geld ist eine notwendige Voraussetzung für die Maßnahmen, die wir für unerläßlich erachten, die auch im Bundesjugendwerk — wenn der Titel so heißen sollte — vorgesehen sind. Wir dürfen uns nicht zum Vorwurf machen lassen, wiederum ein Versäumnis zu begehen oder begangen zu haben, das schon einmal begangen worden ist. Es ist zu spät, für die Heilung der Jugend oder für nachgehende Fürsorge und Betreuung, ganz gleich in welcher Form sie erfolgt, große Geldmittel aufzuwenden, wenn man vorher nicht den Mut gehabt hat, rechtzeitig das Geld aufzubringen, um vorzubeugen und konstruktive Lösungen zu schaffen. Man kann sogar glauben und sich der Hof fnung hingeben, daß dann weniger finanzielle Mittel benötigt werden als später, wenn es um die Heilung geht. Diese gestaltet sich ohne Zweifel in moralischer wie finanzieller Hinsicht — in politischer Hinsicht wissen wir es sowieso — wesentlich kostspieliger.
    Der Lösung all der Nöte unserer Jugend von heute soll ja auch dieses Programm — Drucksache Nr. 1030 — dienen. Die Frage ist nicht von einem Gebiet umschlossen oder erledigt. Es ist ebenso eine wirtschaftliche, eine soziale, eine politische, eine kulturelle und eine ethische Frage. Dahinter steht immer der große Komplex: Wird die Jugend für die Demokratie gewonnen, wächst sie als Nachwuchs, als zukünftiger Träger eines mit allen echten demokratischen Elementen ausgestatteten Staates hinein, oder steht die Jugend zunächst indifferent, lethargisch, später sogar sehr leicht feindselig oder umsturzbereit dem Staat gegenüber, der es nicht fertiggebracht hat, ihre Fragen, und zwar die allernächstliegenden Fragen, zu lösen. Davor stehen wir. Das ist die Aufgabe, und dieser Aufgabe müssen wir gerecht werden.
    Meine sehr verehrten Anwesenden! Wenn wir heute von einem Programm sprechen, das auf Bundesebene behandelt wird, so wollen wir doch keinen Zweifel darüber lassen, daß wie alles versuchen werden, keine Reichsjugendführung — was mit diesem Antrag nicht gemeint sein und wozu er mißdeu-


    (Strauß)

    tet werden kann — wieder aufleben zu lassen, bei der nicht allein vom staatspolitischen Gesichtspunkt aus, sondern auch vom allgemeinpolitischen Gesichtspunkt eine Reihe von Gefahren auftauchen würde. Wir brauchen keine Reichsjugendführung mehr und wir wollen keine Reichsjugendführung mehr!
    Wir wollen auch gar nicht haben, daß dem Staat die Jugend für bestimmte politische Zwecke, die er verfolgt, dienstbar gemacht wird. Das Verhältnis liegt, wie mein Vorredner sagte, in dem Falle ganz anders. Der Staat hat für das Volk und hier im besonderen Maße für die Jugend da zu sein. Wenn dies der Fall ist, wird auch die Jugend bereit sein, diesen Staat einmal so zu tragen, daß manche Erscheinungen, die heute noch möglich sind, in einer reiferen politischen Generation nicht mehr möglich sein werden. Wir brauchen keine Reichsjugendführung mehr, wir brauchen keine Staatsjugend mehr, denn diesen wahnsinnigen Weg in die Katastrophe, den man heute anderswo wieder beschreitet, lehnen wir mit allem Nachdruck ab.
    Es geht hier nicht allein darum, daß heute die nichtorganisierte Jugend in irgendeiner Form betreut wird, ganz gleich wie die Vorschläge dazu lauten, sondern es geht darum, daß diese nichtorganisierte, heute sich noch im freien Raum der Jugend befindende Generation an die bereits bestehenden großen demokratischen Jugendverbände herangeführt und für diese gewonnen wird, ob das katholische Jugend, evangelische Jugend, Pfadfinder, Falken oder andere Organisationen sind, die heute bereits Träger von solchen Jugendaufbauwerken geworden sind und die in sich auch die Möglichkeit und die Kräfte haben, um die Jugend, wenn sie richtig unterstützt wird, der Entwicklung zuzuführen, die wir wünschen. Auch auf diesem Wege müssen die staatlichen Maßnahmen auf der Ebene der Länder und auf der Ebene des Bundes einen Beitrag leisten, denn in diesen Jugendverbänden, ganz gleich wie ihr Name ist, wird immerhin ein Stück Arbeit geleistet, das ein wertvolles Stück Erziehung der Jugend hin zu einem demokratischen Staat, zu einem gesunden, vernünftigen und sozialen Wirtschaftssystem darstellt. Bei diesem Programm gehen wir von vornherein davon aus, daß diese Drucksache dem Ausschuß für Fragen der Jugendfürsorge und dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung — dem ersteren federführend — überwiesen wird.
    Ich wollte im einzelnen zu diesen Punkten nicht in weitläufiger Weise Stellung nehmen. Ich nehme auch an, daß die Kollegen von der SPD die Vorschläge, die sie heute bei der Debatte nach Einbringung des Antrages gemacht haben, im Ausschuß einbringen werden, um sie gründlich beraten und mit einarbeiten zu können. Man kann ohne weiteres, wenn man die Ziele zugrunde legt, die mit dem Antrag gemeint sind, die Punkte 1, 2 und 3, wenn sie in richtiger Form durchgeführt werden und nicht eine Art Bundesmonopol auf der einen Seite oder eine Reichsjugendführung staatlicher oder verbandlicher Art auf der anderen Seite geschaffen wird, begrüßen. Man wird sich im Ausschuß darüber unterhalten, wie das in der Praxis durchgeführt werden kann, ohne daß unsere staatspolitischen Grundsätze auf der einen Seite und die Notwendigkeiten der Jugendlage auf der anderen Seite vernachlässigt werden. Man wird sich sehr sorgfältig über die Punkte 4 und 5 zu unterhalten haben. So begrüßenswert auf der einen Seite die Gewinnung von Landarbeitern aus der jüngeren Generation ist, so notwendig es auf der anderen Seite ist, daß die Jugend
    bei uns auch an die Landarbeit herangeführt wird, um einmal die wirtschaftlichen und auch die biologischen Grundlagen unseres Lebens zu sehen und um den Wert der bäuerlichen Arbeit kennenzulernen, so ist doch damit noch keine echte Lösung der eigentlichen Frage erzielt, die darin besteht: Wie kann man ganze Generationen von Landarbeitern durch Gewinnung der Jugend erreichen? Hier geht es aber darum, eine echte Sozialpolitik auf dem Lande zu schaffen, die nicht ohne staatliche Unterstützung eingeleitet werden kann, eine echte Sozialpolitik, auch mit menschlichen und beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten, und nicht allein darum, die Jugend vielleicht ein Jahr im Landdienst zu beschäftigen und sie dann, ohne daß sie einen Schritt weiter ist, wieder berufslos dem wirtschaftlich heute sehr harten Leben gegenüberzustellen.

    (Sehr richtig!)

    Was den Punkt 5 anlangt, die Schaffung von Möglichkeiten für einen freiwilligen Jugendhilfsdienst, so ist vorhin von dem Gesetz, das in Niedersachsen eingereicht wurde und hart an einen echten Arbeitsdienst im alten Sinne des Wortes heranreicht, gesprochen worden. Ich kenne es nicht und kann es hier nicht nachweisen. Wir haben Entwicklungen dieser Art in Schleswig-Holstein. Darf ich mir dazu ein offenes Wort erlauben. Es geht bei diesen Bestrebungen nicht darum, die alte Führergarnitur des Reichsarbeitsdienstes in ihrem liebgewordenen Beruf unterzubringen,

    (Beifall)

    sondern es handelt sich allein darum, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Jugend in einen Beruf für das Leben hineinzuführen, denn der Beruf ist das Rückgrat des Lebens. Wenn Sie die Jugendlichen-Kriminalitätslisten durchsehen, dann werden Sie feststellen, daß der größte Prozentsatz der Delinquentenquote aus Menschen besteht, die kein Rückgrat für das Leben durch einen echten Beruf erhalten haben. Wo die Möglichkeiten der Wirtschaft allein nicht ausreichen, muß der Staat subsidiär in Erscheinung treten. Das soll nicht durch eine zentrale Diktatur von oben geschehen. Soweit ich von Programmen des Bundeswirtschaftsministers gehört habe, wird man dort sehr intensiv und mit nicht unerheblichen Mitteln nunmehr durch echte Investitionskredite für die Beschäftigung Jugendlicher eine Ausweitung der Arbeitskapazität für Jugendliche vornehmen. Darauf legen wir Wert, echte Arbeitsplätze zu schaffen und nicht das Problem zu verzögern und zu verschleppen. Frau Kollegin Keilhack hat vollkommen recht: die Jugend wird erst dann für den Staat gewonnen werden, wenn der Staat ihre wirtschaftlichen und sozialen Probleme löst. Darüber sind wir uns alle einig. Wir können aber auf diesem Gebiet nicht so verfahren, wie es vielleicht bei etwas primitiver Vorstellung manchmal geprägt wird.
    Es ist ein schwerer Weg, der zu gehen ist. Es sind bereits Fortschritte auf diesem Wege erzielt worden. An seinem Ende steht eine wirtschaftlich ungeheuer notwendige Maßnahme vor uns, nämlich den Strukturwandel, den heute unsere Wirtschaft durchmacht, so zu lösen bzw. durchzuführen, daß dann, wenn unsere industrielle, wirtschaftliche und gewerbliche Kapazität weit genug ist, um all die zugewanderten Millionen Menschen aufzunehmen, nicht ein Mangel an ausgebildeten Arbeitern herrscht, sondern bis dahin eine Generation in die Wirtschaft nachgewachsen ist, die positiv zum Staate steht und die im Wirtschaftsleben ihren Mann stellt.

    (Lebhafter Beifall in der Mitte und rechts.)