Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort wird nicht gewünscht? — Punkt 1 der Tagesordnung ist damit erledigt.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung: Beratung der Interpellation der Abgeordneten Rademacher, Dr. Schäfer und Fraktion der FDP betr. Bestreikung argentinischer Staatsdampfer in Hamburg .
Es ist eine Redezeit von je 5 Minuten für die Begründung und die Regierungsantwort vorgesehen,
und eine Gesamtzeit für die Aussprache von 40 Minuten. Kein Widerspruch? — Es ist so beschlossen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rademacher.
Rademacher , Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem 15. Juli liegt in Hamburg der argentinische Staatsdampfer „Rio Gualegay", der auf Anordnung der deutschen Gewerkschaften, unterstützt durch einen Beschluß der internationalen Gewerkschaft in London, bestreikt wird.
Meine Damen und Herren! Alle Versuche, diese sich einseitig auf deutsche Häfen auswirkende Maßnahme zu beseitigen, sind bis heute ergebnislos verlaufen. Es sind nicht nur die höchsten Stellen der Bundesregierung ersucht worden, sondern auch die Spitzen der hamburgischen und bremischen Behörden, darunter die beiden sozialdemokratischen Bürgermeister Brauer und Kaisen, welch letztere sich durchaus bemüht haben, diese einseitige Schädigung für den Hamburger und Bremer Hafen zu vermeiden. Es ist nicht möglich gewesen, den verantwortlichen Mann für diese Dinge, das Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Herrn Kummernuß, zu erreichen,
um von ihm eine Entscheidung herbeizuführen. Soweit wir unterrichtet sind, findet heute ein internationales Treffen der zuständigen Gewerkschaften in Stuttgart statt, wo diese Dinge weiter besprochen werden sollen. Tatsache bleibt aber, daß sich an diesen angeblichen internationalen Beschluß der Gewerkschaft in London lediglich die deutschen Gewerkschaften gehalten haben.
Es sind einwandfreie Beweise dafür vorhanden, daß diese argentinischen Staatsdampfer sowohl in London als in Dünkirchen, in Antwerpen, in Rotterdam, in Amsterdam und auch in Genua entladen und beladen worden sind.
Lediglich in den deutschen Häfen ist dieser Parole. gefolgt worden; und wir müssen uns wirklich fragen, ob die Solidarität so zu verstehen ist, daß die einen sie als Linientreue auffassen und die anderen als Geschäft!
Lediglich dagegen wehren wir uns!
Die Schäden sind unermeßlich, meine Damen und Herren! Es liegen in Hamburg 3000 tons Exportware für diese Dampfer; und auch in Bremen liegen 1000 tons, darunter ein allererster Auftrag der Mercedes-werke in Untertürkheim, die den ausdrücklichen Auftrag hatten, über Benelux zu verladen, sich aber selbständig das Recht genommen haben, deutsche Häfen zu unterstützen, und nunmehr vor dieser nicht auszudenkenden Folge stehen.
Meine Damen und Herren! Wir Deutschen haben eine merkwürdige Tugend, nämlich die Tugend der Übertreibung.
Wenn wir Krieg machen, dann betreiben wir ihn bis zur Selbstvernichtung.
Wenn wir in Pazifismus machen, dann geben wir das letzte Hemd her; und ähnlich verhalten wir uns in Fragen der Solidarität.
— Meine Damen und Herren! Ich darf ein englisches Sprichwort, abgewandelt, hier bekannt geben: „Solidarity begins at home!" Ich glaube, die deutsche Not ist so groß, daß in einem Falle, wo eine internationale Parole von den anderen Ländern nicht befolgt wird, auch wir uns in erster Linie auf unsere eigene Not besinnen sollten.
Meine Damen und Herren! Ich darf darum mit Spannung die Antwort auf die an die Regierung gestellten Fragen erwarten, um unter Umständen in der Debatte für meine Fraktion noch einmal näher darauf einzugehen.