Rede von
Otto
Niebergall
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Herr Bundesfinanzminister, ich glaube, Sie haben sich die Sache etwas billig gemacht. Ihre Politik würde doch bedeuten: Vogel friß oder stirb! Wir denken nicht daran, eine solche Politik zu fördern. Ohne Übertreibung: diese Debatte muß nach unserer Meinung
unter dem Motto „Die Versprechungen des Herrn Bundeskanzlers und die Preise" geführt werden. Ich gestatte mir deshalb, im Zusammenhang mit dem sozialdemokratischen Antrag und unserer Stellungnahme die Frage aufzuwerfen: Was sind Worte und Versprechungen des Herrn Bundeskanzlers an die Adresse der Werktätigen wert?
In Verbindung mit der Pfundabwertung erklärte der Herr Bundeskanzler von dieser Stelle aus, daß keine Preiserhöhungen und Belastungen eintreten würden. Eine ähnliche Erklärung gab die Regierung bei der Begründung unseres Antrages, keine Brotpreiserhöhung zuzulassen, ab, und noch vor wenigen Tagen erklärte der Herr Bundeskanzler gegenüber den Gewerkschaften, daß keine Erhöhung des Brotpreises zugelassen und keine Fettsteuer eingeführt werde.
Und was ist heute? Aus allen Großstädten kommen die Mitteilungen über Brotpreiserhöhungen. Das Weiß- und Roggenbrot wird in einzelnen Städten schon für 85 Pfennig gegen früher 77 Pf ennig verkauft, das Kilo Weizenbrot für 70 gegen früher 60 Pfennig. Neben diesen Preiserhöhungen hat das Bäckerhandwerk seinen Mitgliedern empfohlen, das Gewicht der Brötchen von 46 auf 44 Gramm herabzusetzen. Hinzu kommt jetzt noch die Margarineausgleichsabgabe von 25 Pfennig pro Kilo. Dabei ist es Tatsache, daß der deutsche Margarinepreis mit an der Spitze in Europa liegt, die bisherige Qualität der Margarine aber sehr viel zu wünschen übrig läßt.
— Sie sind geographisch falsch orientiert, Sie sitzen hier im Westen!
Hinzu kommt, daß die Preispolitik nur das Glied einer Kette ist. Wir werden die Auswirkungen dieser Preispolitik in der Zukunft bei allen Bedarfsgegenständen erfahren. Deshalb kann dem Herrn Bundeskanzler der Konzerne, wenn er den Werktätigen Versprechungen macht, kein Wort geglaubt werden.
Was soll angesichts dieser Tatsache die Wortakrobatik der Bundesregierung, die Margarineabgabe sei keine Fettsteuer? Den Werktätigen ist es egal, wie die Regierung dieses Kind nennt. Aber den Werktätigen ist es nicht egal, daß sie diese Politik bezahlen sollen.
Es ist lächerlich, wenn die Regierung behauptet, durch die Margarineabgabe könne mehr Butter verkauft werden. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: die Abgabe schwächt die Kaufkraft der Massen und wirkt sich produktionshemmend für unsere Landwirtschaft aus. Wir wenden uns mit aller Entschiedenheit gegen jeden Versuch der Regierung, die Verantwortung für diese Politik auf diese oder jene Schicht oder Gruppe der Werktätigen abzuschieben. Die Verantwortung tragen nicht die Bäcker, nicht die Mühlenbesitzer. Die Verantwortung für diese Politik tragen einzig und allein die Bundesregierung und jene, die auf dem Petersberg ihre Politik bestimmen. Diese Steuer- und Preispolitik ist die Folge des Marshallplans, der Liberalisierung und der antinationalen Politik der Bundesregierung. Mit dieser Politik versucht man das deutsche Volk stärker an die amerikanischen Monopole und an die amerikanischen Kriegstreiber zu binden.
Es ist nicht wahr, daß es keinen anderen Ausweg gibt als die Margarineausgleichsabgabe. Es ist
nicht wahr, daß die Subventionen der Weisheit letzter Schluß sind. Unsere eigene landwirtschaf t-liche Produktion muß gesteigert werden, den kleinen und mittleren Landwirten muß jede Hilfe gegeben werden. Es gilt, den innerdeutschen Handel zu fördern und den Handel mit den volksdemokratischen Ländern und der Sowjetunion zu entwikkeln. Wir müssen dort kaufen, wo wir nicht an die Dollarklausel, an die hohen Preise und an den Ausschuß gebunden sind, sondern dort, wo wir unsere Produktion absetzen können und wo wir billiger einkaufen können. Diese Möglichkeit, meine Damen und Herren, liegt eben nicht im Westen; denn dort hat man alles, was man braucht.
— Lachen Sie nur! Eines Tages werden Sie wegen Ihrer Kurzsichtigkeit weinen!
Der Handel mit dem Osten, wozu die Demokratische Republik durch den Abschluß der Verträge den Weg geebnet hat, wird hier dem Westen unseres Vaterlandes reiche Arbeit geben und so die Kaufkraft stärken. Damit es dazu kommt, muß eine Politik des Friedens gemacht werden und nicht die Politik des Krieges in der Gefolgschaft der amerikanischen Imperialisten. Die Kommunistische Partei hat von der ersten Stunde ab vor dieser Politik der Adenauer-Regierung gewarnt. Wie in allen großen Fragen, so haben wir leider auch in der Frage der Fettsteuer und der Preise recht behalten. Wir wenden uns deshalb an die Gewerkschaftsmitglieder: Laßt euch nicht weiter ablenken und in ein Manöver hineinziehen! Jetzt muß gehandelt werden. Wir wenden uns deshalb an die Arbeiter, Angestellten, Beamten und Geschäftsleute, an alle Werktätigen: Glaubt dieser Regierung nichts! Alle ihre Versprechungen hinsichtlich der Verbesserung der Lage in der Vergangenheit wurden nicht eingehalten. Laßt euch nicht durch Manöver ablenken! Der Kampf muß nach unserer Auffassung allerwärts geführt werden. Gegen die Preiserhöhung, gegen die Fettsteuer, für höhere Löhne muß der Kampf aufgenommen werden.
Wir fordern deshalb die Aufhebung der Brotpreiserhöhung und die Aufhebung der Fettsteuer. Wir geben trotz aller unserer Bedenken dem sozialdemokratischen Antrag unsere Zustimmung. Wir wünschen weder ein Adenauer-Brot noch eine Adenauer-Fettsteuer.
— Besser als „Heil Hitler!" Da kommen Sie ja her!