Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pelster.
Pelster Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf wohl sagen, daß die Ausführungen des Herrn Professor Baade sich wohltuend von den Ausführungen seines Vorredners, des Herrn Professor Nölting, abhoben. Die Erklärung von Herrn Professor Nölting: „So geht es wirklich nicht", ist allzu, allzu billig.
Herr Professor Baade hat im Kern richtig gezeichnet, worauf es ankommt. Hier bei uns hängt alles zusammen. Wollen wir neue Arbeitsplätze schaffen, müssen wir dafür eine Grundlage in der Eisenindustrie haben. Wir hoffen, daß wir da Erleichterungen bekommen. Dann können wir weiterarbeiten. Auch wir wollen nichts ohne Plan machen. Die Planung, von der Herr Professor Baade gesprochen hat, wollen auch wir.
Und die ist überall in einem gesunden Betrieb vorhanden. Das hat aber mit der Planwirtschaft in der Form, wie Sie sie programmäßig verkünden, nichts zu tun.
Die Arbeitslosigkeit macht gewiß Sorgen. Aber, Herr Professor Nölting, Sie und Ihr Ministerkollege Halbfell waren es doch, die uns 6 bis 7 Millionen Arbeitslose sofort nach der Durchführung der Währungsreform prophezeit und das auch durch Zahlen bewiesen haben; Gott weiß, wie. Nur haben wir diese Zahlen nicht bekommen. Ich will auf die Zahlen, die inzwischen genannt worden sind, nicht mehr eingehen. Tatsache ist, daß auch Sie anerkennen, daß in Ihrem Lande, in Ihrem Wirkungsbereich die Zahl der Beschäftigten ständig ansteigt. In Ihrem Schreiben an den Bundeswirtschaftsminister haben Sie
Deutscher Bundestag. — 75. und 76. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Juli 1950 2707
ausgeführt, daß im letzten Vierteljahr 1949, in einer Zeit, in der sonst immer ein saisonmäßiger Rückgang eintritt, die Zahl der Arbeitslosen um 11 700 und einige Zehner gestiegen sei. Sie haben aber auch anerkannt, daß in der gleichen Zeit die Zahl der Beschäftigten um 45 800 und soundso viel zugenommen hat. Da kann man doch nicht davon reden, daß irgend etwas krank sei.
Andererseits wird es notwendig sein, daß wir in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit alle Kräfte gemeinsam aufwenden. Wenn Sie sagen, der Angriff auf die Arbeitsämter sei nicht berechtigt, so möchte ich Ihnen folgendes mitteilen. Ich fordere zum Beispiel beim Arbeitsamt Lehrlinge an. Das Arbeitsamt sagt: Wir haben kein Interesse, in dem Beruf Lehrlinge zu vermitteln. Ich fordere zum Beispiel das Arbeitsamt auf, den Lehrling an dieser Stelle zu belassen. Das Arbeitsamt sagt: Nein, der kommt heraus! — Der muß also wieder arbeitslos werden. Ich teile einen anderen Fall mit. Ein Mann hat die Aufforderung, seine Stellung bei der und der Firma anzutreten. Das Arbeitsamt sagt: Nein, du bleibst da, wo du bist; du bleibst Maurer. Der Mann hätte von der Straße sein können!
Meine verehrten Damen und Herren! Es wäre gut, wenn wir auf allen Gebieten zusammenhalten würden. Es wäre gut, wenn wir dem Überstundenunwesen etwas zu Leibe gehen würden, damit es nicht diese wahnsinnigen Ausmaße annimmt. Es wäre auch gut, wenn Industriearbeiter neben der verfahrenen Schicht, sei es im Bergbau, sei es im Hüttenwerk, sei es in der Textilindustrie, sei es, wo es wolle, nicht als Schwarzarbeit auch noch im Baugewerbe eine halbe oder dreiviertel Schicht verfahren, von der dann weiter keine Belastungen ausgehen. Aber auf der anderen Seite stehen unsere Arbeitsbrüder arbeitslos auf der Straße. Das sollte man dabei auch sehen, dann könnte manches, manches auch da besser werden. Mir lag ein Schreiben Ihres Freundes, des Regierungsdirektors — oder was er ist — im Amt, Adolphi vor. Gut wäre es, wenn man ebensoviel Mühe auf die Unterbringung der Arbeitslosen aufwenden würde wie auf die Unterbringung der Genossen als Angestellte in Arbeitsämtern!