Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Verkehrswesen hat sich schon seit seinem Bestehen mit der besonderen Notlage der Waggon- und Lokindustrie befaßt. Im Dezember 1949 hat er durch eine Besichtigung der Westwaggon in Köln-Deutz die entsprechenden Eindrücke über die Notstände, aber auch über die Leistungsfähigkeit der Waggonindustrie gewonnen. Ferner hat er bei der Bereisung des Gebietes Watenstedt-Salzgitter Gelegenheit gehabt, die Waggonabteilung der Linke-Hoffmann-Busch-Werke zu besichtigen und sich auch dadurch von der einmaligen Leistungsfähigkeit dieser Industrie überzeugen können. Der Ausschuß hat dann durch gemeinsame Verhandlungen zwischen dem Bundesverkehrsministerium, zwischen der Deutschen Bundesbahn einerseits und den betroffenen Industrien
andereseits versucht, eire Regelung herbeizuführen, die es vielleicht erübrigt hätte, mit diesen konkreten Anträgen vor das Plenum zu treten.
Meine Damen und Herren, all diese Bemühungen sind einfach an der bekannten mißlichen Finanzlage der Deutschen Bundesbahn gescheitert. Vielleicht wären die Dinge nicht in dieses schwierige Stadium geraten, wenn im Zusammenhang mit den 250 Millionen, die seinerzeit aus dem ersten Arbeitsbeschaffungsprogramm freigegeben wurden, dem Bundesverkehrsministerium etwas mehr Beweglichkeiten gegeben wäre; denn unabhängig von der besondere Notwendigkeit des Oberbaus und des Brückenbaus, wie sie der Herr Verkehrsminister eben besonders betont hat, wäre es durchaus möglich gewesen, etwa durch Abzweigung von 50 Millionen DM beide Industrien nicht in diesen Notstand geraten zu lassen, in den sie heute gekommen sind. Sie haben gestern über das Bundesbahngesetz als eine der Vorausetzungen für die Gesundung der Bundesbahn _gesprochen. Es nützt alles nichts, auch nicht die sogenannten spontanen Kundgebungen, die wir, alle im gleichen Wortlaut, aus den verschiedensten Eisenbahndirektionen seitens der Gewerkschaften auf den Tisch gelegt bekommen, in denen eben dem Bundesverkehrsministerium eine verkehrte Politik gegenüber der Bundesbahn vorgehalten wird. Das ist nicht der Kern. Der Kern der Dinge ist die wirtschaftliche Notlage der Bundesbahn, die eben nur durch Kredite und durch andere Mittel, die, bereitgestellt werden müssen, zu beseitigen ist.
Wenn ich mich nun den beiden Anträgen Drucksachen Nr. 1108 und Nr. 1109 zuwende — das sind die interfraktionellen Anträge, die der Initiative des Verkehrsausschusses entsprungen sind —, so steht demgegenüber die Drucksache Nr. 1106 der SPD, die leider, nachdem sie bereits durch ihre Ausschußmitglieder ihre Unterschrift auch unter die interfraktionellen Anträge geleistet hatte, diese im letzten Augenblick wieder zurückgezogen hat. Das eine hat ja der Herr Abgeordnete Dr. Bleiß schon gesagt: die Beträge für das erste Programm, für das Jahr 1950, sind in beiden Anträgen absolut die gleichen und sie sind im Einvernehmen mit der Bundesbahn und im Einvernehmen mit den beiden Industrien sorgfältig errechnet. Die beiden Beträge von 9,8 Millionen für die Wagonindustrie und 6,4 Millionen für die Lokindustrie gelten für das gesamte Bundesgebiet, für alle Fabriken ohne Ausnahme, ob sie verbandsmäßig organisiert sind oder nicht.
Unterschiede ergeben sich aber aus den beiden Anträgen in folgenden Punkten: Während der SPD-Antrag nur von der Bundesbahn spricht — und das ist schon technisch verkehrt —, sprechen die interfraktionellen Anträge richtig sowohl von der Deutschen Bundesbahn als auch von der Südwestdeutschen Eisenbahn.
Nun aber zum Kernpunkt der Unterschiede. Der SPD-Antrag verlangt zunächst einmal eine Übersicht über den Bedarf für 1951, während die interfraktionellen Anträge von den Plänen der Deutschen Bundesbahn und der Südwestdeutschen Eisenbahn sprechen. Meine Damen und Herren, diese Pläne sind vorhanden. Die Ziffern daraus können Ihnen genannt werden. Die Bundesbahn hat den notwendigen Bedarf für das Jahr 1951 im Rahmen der 350 Millionen, die der Herr Bundesverkehrsminister genannt hat, mit 150 Millionen DM angesetzt. Die Südwestdeutsche Eisenbahn hat für den gleichen Zeitraum den Betrag von 251/2 Millionen angesetzt
und für das Jahr 1952 ist der Plan der Deutschen Bundesbahn 180 Millionen und der der Südwestdeutschen Eisenbahnen 30 Millionen. Also es braucht keinerlei Übersicht mehr gegeben zu werden, sie ist vorhanden, sie ist sogar ziffernmäßig und in der Aufstellung vorhanden, die den einzelnen Mitgliedern des Ausschusses, auch den Mitgliedern der SPD, kategorisiert nach den einzelnen Leistungen, zugegangen ist.
Meine Fraktion und ich sind allerdings der Ansicht, daß es nicht Aufgabe des Parlaments sein kann, über den Kopf des Bundesverkehrsministeriums und insbesondere der Eigenbetrieblichkeit der Bundesbahn und der Südwestdeutschen Eisenbahnen hinweg nun im einzelnen festzustellen, was gebraucht wird und wie diese einzelnen Beträge angelegt werden. Das ist eine Angelegenheit des Betriebes der beiden Bahnen. Darüber, daß ein echter bedarf vorhanden ist, besteht doch wohl nicht der leiseste Zweifel. Wir wissen, daß wir Güterwagen brauchen; ob es nun offene oder geschlossene sind, ist Angelegenheit der Bahnen. Wir wissen, daß wir neue Personenzugwagen brauchen; ob es Wagen dritter oder zweiter Klasse oder D-Zugwagen sind, ist auch eigene Angelegenheit der Bahnen. Und ob wir schließlich Dampflokomotiven, elektrische Lokomotiven oder Diesellokomotiven brauchen, ist ebenfalls eine Angelegenheit, die nur der Betrieb von sich aus entscheiden kann.
Meine Damen und Herren, der Antrag Drucksache Nr. 1106 spricht ganz allgemein von einem langfristigen Kredit, während die interfraktionellen Anträge ausdrücklich von einem Kredit aus dem Arbeitsbeschaffungsprogramm sprechen. Das ist der wesentliche Unterschied. Gegenüber der Auffassung des Herrn Berichterstatters und auch im Gegensatz zur Ansicht des Herrn Bundesverkehrsministers möchte ich zum Ausdruck bringen, daß nur für den SPD-Antrag, der langfristige Kredite vorsieht, ohne zu sagen, woher sie kommen sollen, eine Überweisung an den Haushaltsausschuß
nötig wäre. Bei den interfraktionellen Anträgen
haben wir ganz bewußt von Mitteln aus dem zweiten Arbeitsbeschaffungsprogramm gesprochen, das auch als Wirtschaftsförderungsprogramm bezeichnet wird. Werden diese beiden Anträge angenommen, meine Damen und Herren, dann erübrigt sich eine Überweisung an den Haushaltsausschuß.
Ich stelle daher abschließend den Antrag, den SPD-Antrag, Drucksache Nr. 1106, abzulehnen und dafür ohne Rücküberweisung an irgendeinen Ausschuß — der Ausschuß für Verkehrswesen hat sich ja schon seit Monaten mit dieser Angelegenheit befaßt, und die interfraktionellen Anträge sind das Ergebnis seiner monatelangen Arbeit — die Anträge Drucksachen Nr. 1108 und 1109 mit Rücksicht auf die besondere Notlage sofort anzunehmen.