Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist bekannt, daß die Reichsbahn der größte Auftraggeber auf dem industriellen Sektor in Deutschland ist.
Über eine Milliarde DM wird im Jahre 1950 von der Bundesbahn ausgegeben, und damit wird natürlich ein Stück Wirtschaftspolitik betrieben. Die Wirtschaftsbelebung hängt ja auch von diesen Dingen ab. Von dieser Milliarde Mark an Aufträgen der Bundesbahn sind über 350 Millionen Mark Aufträge für Kohlen, etwa ein Drittel des Auftragsbestandes, etwa 100/o der gesamten Einnahmen der Bundesbahn. Daneben werden große Aufträge vergeben für Schwellen, für Schotter, für Eisen, für Stahl, für Werkzeuge, für Maschinen, für Fahrzeuge, für Rohstoffe und Materialien aller Art.
Zwei Industriezweige, die wesentlich von den Aufträgen der Bundesbahn mit abhängen, sind die Lokomotivindustrie und die Waggonindustrie. Die Lokomotivindustrie zählte in Deutschland normalerweise 12 000 bis 14 000 Arbeiter. Sie hat die Bundesbahn, früher die Länderbahnen, ehemals die Reichsbahn, mit den modernsten Lokomotiven versorgen können und hat durch diesen Auftrag, den sie dauernd von den Bahnen hatte, gleichzeitig ihre Konkurrenzfähigkeit auf dem Auslandsmarkt behalten und erweitern können. Dadurch wurde sie auch zur Devisenbringerin für die deutsche Wirtschaft.
Nun ist es bei dieser Industrie so, daß momentan, glaube ich, noch 12 000 Arbeiter beschäftigt sind, daß aber die Gefahr besteht, daß noch im Laufe dieses Jahres mehrere Tausend Arbeiter entlassen werden müssen, wenn die Bundesbahn nicht mit Aufträgen einspringt, die etwa eine Summe von 9,6 Millionen für dieses Jahr erreichen sollen und die dann im Laufe des Jahres durch den Wirtschafts-
plan der Bundesbahn eine Ergänzung finden müßten, damit der Anschluß für das Jahr 1951 rechtzeitig gefunden werden kann. Diese Industrie ist darauf angewiesen, daß die Aufträge recht frühzeitig kommen, weil diese Aufträge gleichzeitig große Planungsprobleme aufwerfen. Wenn diese 9,6 Millionen Mark von der Bundesbahn an Aufträgen dazugegeben werden könnten, würde die Industrie in diesem Jahr ihre Kapazität einigermaßen aufrechterhalten und weitere Entlassungen vermeiden können, die nicht erwünscht sind, auch nicht vom Standpunkt der Bundesbahn, vor allem der Wirtschaft und der Konkurrenzfähigkeit der Lokomotivindustrie gegenüber, dem Ausland.
Es stand nun vor kurzer Zeit in der Zeitung, daß erfreulicherweise die Südafrikanische Union für 21 Millionen DM Aufträge an die Lokomotivbetriebe der Firma Krupp gegeben habe. Aber bis diese Aufträge zum Laufen kommen und sich verteilen, ist oft nicht genügend Arbeitsmöglichkeit vorhanden, so daß die Mitglieder des Verkehrsausschusses als Bundestagsabgeordnete, soweit sie nicht der SPD angehören, diese beiden unter Punkt 7b und 7c aufgeführten Anträge, die ich hier vertrete, gestellt haben.
Wir wünschten, wir hätten insgesamt für alle Parteien einen interfraktionellen Antrag einreichen können, denn auch 7a sagt ja im Grunde genommen, soweit die Summen in Frage kommen, dasselbe. Leider ist das nicht möglich gewesen, so daß diese Anträge in drei verschiedenen Unterabteilungen erscheinen.
Nun hat die Bundesbahn selbstverständlich bei ihren 31/2 Milliarden Einnahmen und Ausgaben Mittel vergeben. Aber die Bundesbahn selber leidet darunter, daß infolge des schlechten Einnahmeeinganges und rückläufiger Bewegungen, auf die ich nicht näher einzugehen brauche, zusätzliche Mittel von ihr aus nicht gegeben werden können. Man darf dabei nicht vergessen, daß die Bundesbahn Ausgaben pro Kopf eines Beschäftigten von 140 DM hat, daß sie aber Ausgaben für Materialbeschaffung jeder Art, vor allem für Kohlenbeschaffung, von 200 DM leisten muß. Man darf dabei auch nicht vergessen, daß die Einnahmen der Bahn frachtmäßig und tarifmäßig aus den Verkehrssparten etwa 142 oder 143 DM betragen. Aus diesem Unterschied, aus dieser auseinanderklaffenden Schere läßt sich ein Teil des Mangels an Kapital bei der Bundesbahn erklären.
Die Verhältnisse bei der Waggonindustrie liegen ähnlich. Diese Industrie könnte von der Bundesbahn sicher auf ein Jahrzehnt und noch darüber hinaus vollbeschäftigt werden, wenn man den Wagenpark erneuerte, verbesserte, ergänzte und die alten Wagen aus dem Verkehr nehmen könnte, um die neuen, leichteren und besseren Wagen einstellen zu können. Aber auch das ist hier nicht der Fall. Die Waggonindustrie beschäftigt zur Zeit etwa 9000 Menschen. Sie hat damit nur etwa 40% ihrer Kapazität ausgenutzt. Sie wird aber auch noch etwa 3000 entlassen müssen, wenn diese 6,4 Millionen, die in dem einen Antrag gefordert werden, nicht bereitgestellt werden können. Auch hier dasselbe wie bei der Bundesbahn. Die Bundesbahn hat diese Mittel leider nicht. Sie sieht aber ein, daß diese Aufträge vergeben werden sollten; denn es liegt, wie ich schon betonte, im Interesse der Bahn genau so wie im Interesse der Wirtschaft, daß wir leistungsfähige Waggon- und Lokomotivindustrien erhalten.
Ich darf dabei noch einen Satz einschalten. Neuerdings ist die Aluminiumindustrie, die Leichtmetallindustrie, ebenfalls auf den Plan getreten und wünscht etwa 500 000 Mark Kredit, um bestimmte Waggontypen in einer geringen Anzahl entwickeln zu können, einen sogenannten Entwicklungskredit. Ein Antrag darüber liegt nicht vor, die Männer des Verkehrsausschusses werden sich vielleicht auch damit demnächst befassen müssen. Es ist also so, daß die beiden Industrien Geld brauchen und daß die Bundesbahn keins hat. Deswegen die Anträge in dem Sinne, daß wir die Bundesregierung ersuchen, der Deutschen Bundesbahn und den Südwestdeutschen Eisenbahnen zur Erteilung von Aufträgen an die Waggonindustrie aus dem zweiten Arbeitsbeschaffungsprogramm folgende langfristigen Kredite rechtzeitig zur Verfügung zu stellen:
1. 9,8 Millionen DM zusätzlich über die bereits erteilten Aufträge hinaus für das Jahr 1950 und
2. einen ausreichenden Betrag nach dem Plan der Deutschen Bundesbahn vom 1. Juni 1950 und dem Plan der Südwestdeutschen Eisenbahnen zur Sicherung des Anschlußprogramms für das Jahr 1951.
Es ist zweitens so, daß für die Lokomotivindustrie der Antrag etwa gleich lautet, nur daß da die Dinge so sind, daß 6,4 Millionen eingesetzt sind. Ich habe mich, glaube ich, vorhin einmal versprochen und die Lokomotivindustrie mit der Waggonindustrie verwechselt. Also Lokomotivindustrie 6,4 Millionen, die Waggonindustrie 9,8 Millionen; sonst ist der Wortlaut unserer Anträge einheitlich. Ich will ihn wegen der Kürze der Zeit auch nicht verlesen.
Ich darf noch einen Satz anfügen. Wir bitten das Hohe Haus, diesen beiden Anträgen zuzustimmen und sie eventuell direkt dem Haushaltsausschuß zu überweisen; denn den Verkehrsausschuß brauchen wir, da alle Mitglieder dieses Ausschusses aus den verschiedenen Fraktionen ja an der Antragstellung als Abgeordnete beteiligt sind, nicht mehr zu bemühen. Dagegen wird der Haushaltsausschuß wahrscheinlich die gegebene Stelle sein.
Und noch eine Schlußbemerkung. Die Bundesbahnen sind ja doch in den zwei Teilen Südwestdeutsche Eisenbahnen und bizonale Eisenbahnen zur Zeit in einer gewissen Selbständigkeit begriffen. Wir wünschen ausdrücklich, daß auch die Südwestdeutschen Eisenbahnen sich an der Auftragsvergebung beteiligen und auch in dem eingeschaltet sind, was in der Zukunft zu geschehen hat. Wir wünschen aber auch, daß bei den Aufträgen, die dann vergeben werden können, wenn aus dem Arbeitsbeschaffungsprogramm diese Mittel zur Verfügung gestellt werden, alle Fabriken der Lokomotiv- und Waggonindustrie, auch im südwestdeutschen Raum, also in der französischen Zone, eine gewisse Berücksichtigung finden, die Verteilung also gerecht gestreut wird.