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ID0107401200

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    Vokabeln: 6
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    2. Wort: 1
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    4. Frau: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Thiele.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag. - 74. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Juli 1950 2663 74, Sitzung Bonn, Donnerstag, den 13. Juli 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 2664A, 2686C Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Adenauer betr. Erholungsurlaub und Vertretung durch Bundesminister Blücher 2664A Erhöhung der Zahl der Schriftführer . . 2664A Anfrage Nr. 70 der Fraktion der DP betr. Hilfe für die Handwerksbetriebe in Schleswig-Holstein und Niedersachsen (Drucksachen Nr. 866 und 1142) 2664B Interpellation der Abg. Dr. Arndt. Zinn, Freidhof und Fraktion der SPD betr. Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung für das Kurhessische Kupfer-SchieferBergwerk in Sontra (Nr. 1027 der Drucksachen) 2664B, 2685D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Verschollenheitsrechts (Nr. 1100 der Drucksachen) 2664B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Vertrieb jugendgefährdender Schriften (Nr. 1101 der Drucksachen) . . . 2664C Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern 2664C Kemmer (CSU) 2666B Hennig (SPD) 2667B Farke (DP) 2669A Gaul (FDP) 2669B Frau Thiele (KPD) 2670B Freiherr von Aretin (BP) 2671C Ribbeheger (Z) 2672B Dr. Vogel (CDU) 2673A Zur Geschäftsordnung: 011enhauer (SPD) 2673D Mayer (Stuttgart) (FDP) 2674B Frau Dr. Weber (Essen) (CDU) . . 2674B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Einwirkung von Kriegssachschäden an Gebäuden auf Miet- und Pachtverhältnisse (Nr. 507 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verf assungsrecht (23. Ausschuß) (Nr. 1105 der Drucksachen) 2674D Dr. Etzel (Bamberg) (BP), Berichterstatter 2675A Meyer (Bremen) (SPD) . . . 2676B, 2677C Dr. Brönner (CDU) 2677A Ewers (DP) 2677B Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Vereinigung des Zahnärzte- und Dentistenberufes (Nr. 1091 der Drucksachen) 2678B Dr. Hammer (FDP), Antragsteller . . 2678C Beratung des Antrags der Abg. Dr. Horlacher u. Gen. betr. Vorlage einer Denkschrift über außerdeutsche Maßnahmen zur Förderung der Landwirtschaft (Nr 1092 der Drucksachen) 2679A Dr. Horlacher (CSU), Antragsteller 2679A Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Hilfsmaßnahmen für die Bundesbahn (Nr. 1106 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abg. Rümmele, Rademacher, Ahrens, Donhauser u. Gen. betr. Auftragserteilung der Deutschen Bundesbahn an die deutsche WaggonIndustrie (Nr. 1108 der Drucksachen) und mit der Beratung des Antrags der Abg. Rümmele, Rademacher, Ahrens, Donhauser u. Gen. betr. Auftragserteilung der Deutschen Bundesbahn an die deutsche LokomotivIndustrie (Nr. 1109 der Drucksachen) . . 2679C Rümmele (CSU), Antragsteller . . . 2679D Dr. Bleiß (SPD), Antragsteller . . . . 2680D Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 2682B Rademacher (FDP) 2684D Nächste Sitzung 2686C Die Sitzung wird um 14 Uhr 40 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Karl Gaul


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister sagte eingangs seiner Begründung, daß er dieses Gesetz wesentlich als ein pädagogisches Problem sehe. So sehe ich es auch, und weil ich es so sehe, möchte ich weniger von den Paragraphen sprechen, die normal mit dem Verstand
    durchleuchtet werden, sondern ich möchte es einmal von der Pädagogik und ihrer Gehilfin, der Psychologie, anpacken.
    Meine Damen und Herren! An einer Arbeit, die sich zur Aufgabe setzt, unserer Jugend in ihrer körperlichen, geistigen und sittlichen Entwicklung zu helfen, beteiligen wir uns gern. Wir sind leider zu genau mit der Tatsache bekannt, daß gerade diese Jugend durch den Krieg und seine Folgen so bitter hart getroffen worden ist, daß sehr viele Lücken in ihrer Ausbildung auszufüllen sind, daß es an Wohnraum fehlt, an Lehrwerkstätten, daß gefährdete Jugend keine Heime hat und daß zu unserem speziellen Punkt hier sehr viel mehr getan werden muß für gute Literatur. Denn der Kampf gegen Schund und Schmutz ist dann schon halb gewonnen, wenn sich die Käufer der schlechten Literatur weniger finden.
    Meine Damen und Herren, zu einzelnen Paragraphen: Ich kenne aus meiner eigenen Erfahrung die Jugend ein wenig näher, und ich weiß, daß der normale Jugendliche nicht zu der minderwertigen Literatur greift; und wenn der intelligente Jugendliche nun eine Schrift findet, auf der steht „Für Jugendliche verboten", dann möchte er gern hinter das verschleierte Bild von Saïs sehen. Er möchte erfahren, warum nun gerade er das nicht lesen darf.

    (Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Er wird enttäuscht sein!)

    Meine Damen und Herren, in der Präambel ist ausgeführt, daß ein wesentlicher Artikel eingeschränkt wird. Das ist nach dem Art. 19 des Grundgesetzes durchaus möglich. Wir sind auch der Meinung: wenn soviel minderwertige Erzeugnisse in Wort und Bild und Schrift jetzt draußen liegen und wenn ein Gesetz gemacht werden soll, das im wesentlichen das Motiv hat, dem skrupellosen Vertrieb einen Damm entgegenzusetzen, dann werden wir einem solchen gut gemachten Gesetz zustimmen. Wir sind auch der Meinung, daß es nicht der ideale Zustand der Freiheit ist, daß dieser hemmungslose Vertrieb uneingeschränkt gestattet werden kann.
    Aber zu einigen wesentlichen Bestimmungen zu Anfang hier folgendes. Mir scheint, daß das Alter der Jugendlichen mit 18 Jahren doch noch einmal überprüft werden müßte. Ich erinnere Sie an das Gesetz zur religiösen Erziehung unserer Kinder aus dem Juli 1921. In diesem Gesetz ist bestimmt, daß kein Vierzehnjähriger ohne seinen Willen zum Glaubenswechsel gezwungen werden darf, ja daß sogar bei einem Zwölfjährigen seine Zustimmung eingeholt werden muß; und ich meine, bei einer solchen Entscheidung, die eine sehr wesentliche sittliche Kraft voraussetzt, das Alter vier oder zwei Jahre niedriger zu setzen, das sollte der Ausschuß sich noch einmal ansehen.
    Wir halten auch für bedenklich, daß der Vorsitzende einer Prüfstelle mit Zustimmung eines einzigen Mitgliedes vorläufige Entscheidungen treffen kann, und wir stimmen der Korrektur des Bundesrates zu, daß noch ein zweites Mitglied hinzugezogen werden soll, damit bei einer so wichtigen Entscheidung ein dreiköpfiges Gremium am Werk ist.
    Meine Damen und Herren! Wenn wir die Wurzel unserer Jugendnot beseitigen wollen, dann müssen wir bessere wirtschaftliche und soziale Verhältnisse schaffen. Wir müssen dafür sorgen, daß tatsächlich unsere Jugend einmal gute Lesebücher bekommt. Die hat sie heute noch nicht in allen Schulen. Und dann könnten wir uns darüber unterhalten, wie wir ihr wertvolle Jugendschriften zur Literatur auf den Tisch legen. Ich glaube, daß das ein Problem ist, das


    (Gaul)

    auch den kulturpolitischen Ausschuß interessiert, und da schon drei Ausschüsse genannt sind,

    (Zuruf von der CDU: Zwei Ausschüsse!)

    möchte ich bitten, daß wir vom kulturpolitischen Ausschuß für die positive Seite zum mindesten aber auch herangezogen werden.
    Meine Damen und Herren! Ich möchte doch ein Wort zu einer besonderen Bemerkung in der Begründung sagen. Sie geht an die Journalisten, die Verleger und an die Künstler. Es ist da so ein wenig leicht gesagt, gegen dieses Gesetz haben sich gerade diese Kreise gewehrt, und 1926 sei es nicht anders gewesen. Ja, meine Damen und Herren, die angesprochenen Kreise sind ja ein Stück der Öffentlichkeit, und zwar ein sehr wesentliches Stück, und ich persönlich bin froh darüber, daß gerade diese Leute sich dazu geäußert haben. Und ich erinnere Sie daran, daß das Gesetz von 1926 — wer aus der Geschichte lernen will, muß einmal nachsehen — sehr viel Schaden gestiftet hat. Denn es war doch 1836 bei uns möglich, daß die deutsche Polizei Goethes „Faust" verboten hat, und es war auch möglich, daß die Prüfstelle hier im Rheinland 1928 das „Magazin" Nr. 44 vom April 1928 verbot, weil darin eine Geschichte stand von Debora „Jacqueline macht Geschichten"; und ein Ausschußmitglied war so literaturbewandert, daß es darauf hinwies, daß diese Geschichte aus der Literatur von Maupassant war, und zwar aus der Novelle „Un Sage". Und hier hat dann die angerufene Berliner Prüfstelle gesagt: Nein, wir setzen diese Schrift nicht auf den Index! Das hat ein Jahr gedauert. Dann hat das Innenministerium von Württemberg diese Entscheidung von Berlin angegriffen und die Oberprüfstelle in Leipzig angerufen.
    Meine Damen und Herren! Ich habe einmal ausgerechnet gelesen, daß eine Schrift, wenn sie auf den Index gesetzt wurde, 4000 Mark gekostet hat und daß im Jahre 1928 105 Juristen und Laienrichter mit drei besonderen Büros und ihrem Personal am Werke waren. Ich könnte mir vorstellen: wenn wir kein gutes Gesetz machen, dann sollten wir diese Gelder dafür nehmen, all das andere Positive zu unterstützen, besonders die Bibliotheken, die gute Jugendliteratur herausbringen.

    (Beifall bei der FDP und bei der SPD.)

    Ich kenne die Jugend aus immerhin 40 Jahren, und ich weiß positiv, daß diese Jugend tatsächlich viel besser und nicht so gefährlich ist, wie sie unter Umständen hingestellt wird. Und wenn ich bei diesem Gesetz, wenn es gut gemacht wird, mitarbeiten will, dann möchte ich jetzt an den Schluß meiner Ausführungen ein persönliches Bekenntnis setzen. Mir persönlich, meine Damen und Herren, ist eine gute Robinson-Ausgabe mehr wert als ein schlechtes Gesetz gegen Schund und Schmutz.

    (Beifall bei der FDP und bei der SPD.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Grete Thiele


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Herren und Damen! Die Diskussion über das Schund- und Schmutzgesetz hat lebhaften Protest aus allen Kreisen der Bevölkerung hervorgerufen; und es ist nicht verwunderlich — —

    (Abg. Dr. Wuermeling: Nicht aus allen!)

    — Aber aus sehr vielen Kreisen! Ich möchte Ihnen den Journalistenverband, den PEN-Klub, die Kulturverbände, die Autoren, die Verleger, die Buchhändler usw., die Hamburger Freie Akademie nennen. Ich könnte Ihnen eine ganze Mappe solcher Proteste bringen.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Nennen Sie mal die Eltern!)

    Aber es ist bezeichnend, daß Sie jetzt sehr irreführend diese Vorlage „Gesetz über den Vertrieb jugendgefährdender Schriften" nennen, weil Sie wissen, daß Sie schamhaft diese Namen verschweigen müssen. Das Gesetz soll dazu dienen, jegliche fortschrittliche kulturelle Bewegung zu ersticken.

    (Lautes Lachen.)

    Nun, meine Herren und Damen, das ist nicht nur unsere Meinung, sondern das ist die Meinung der Öffentlichkeit, von der mein Vorredner bereits gesprochen hat. Reaktionäre Zeitungen in Bayern haben bereits die Werke von Erich Kästner, von Anna Seghers, von Becher als unter dieses Gesetz fallend klassifiziert; und das eröffnet eine ganz gute Perspektive, was Sie damit anzuwenden gedenken. Und die Hundhammersche Praxis beweist uns, daß die sehr befürwortenden und sehr vorsichtigen Äußerungen des Herrn Innenministers bei der Einbringung nichts anderes bezwecken, als darüber hinwegzutäuschen, daß hier ein Zensurgesetz eingebracht werden soll.
    Aber, meine Herren und Damen, wer der Jugend wirklich helfen will, der muß den Kampf gegen den Amerikanismus aufnehmen!

    (Lebhafte Heiterkeit.)

    Das heißt, meine Herren und Damen, gegen die Hollywood-Kitschkultur, das heißt gegen die Gangster- und Atombombenkultur, wie Sie sie in allen unseren Kinos sehen können, daß heißt gegen die Gangster-„Kultur", die zum Zwecke der Kriegsvorbereitung hier eingeführt wird, um unsere nationale Kultur zu zersetzen —

    (Zuruf aus der Mitte: Schluß! Schluß!)

    — und die allein zur Verwahrlosung der Jugend beiträgt.

    (Große Unruhe. — Abg. Dr. Wuermeling: Sie verwechseln den Osten mit dem Westen!)