Rede von
Dr.
Hermann
Schäfer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat Herr Minister Dr. Hoffmann.
Dr. Hoffmann, Finanzminister des Landes Rheinland-Pfalz: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich zu der Vorlage den ablehnenden Standpunkt der Minderheit des Bundesrates vortrage, einer allerdings respektablen Minderheit, die bei der Beschlußfassung zu dem entscheidenden § 2 des Gesetzes netto 50 % betragen hat, einer auch sehr aussichtsvollen Minderheit, die sich nach dem, was inzwischen zu erfahren war, unterdessen in eine Mehrheit verwandelt hat. Es war wohl das erste Mal, daß der Bundesrat bei einer Gesetzesvorlage zu lebhafteren Auseinandersetzungen und zu größeren Meinungsverschiedenheiten gekommen ist. Und wenn man den beträchtlichen Anteil der Justizminister an dieser Bundesratsdebatte bedenkt, könnte man die Angelegenheit bereits für so aussichtslos halten, wie eine Sache zu sein pflegt, wenn sie sich erst unter den Händen der Anwälte befindet. Ich möchte trotzdem hoffen, daß es vielleicht auch in diesem Stadium noch
möglich ist, im Rahmen dieses Vorgeplänkels um den Länderfinanzausgleich zu einer Art Waffenruhe zu kommen, die es gestattet, die juristischen Hilfsund Reservetruppen noch einmal zu beurlauben.
Die allgemeinen Grundsätze, die der Herr Bundesfinanzminister zu den Artikeln 106 und 120 des Grundgesetzes, zu der Interessenquote und zu der Vorlage als Ganzem entwickelt hat, werden von den Ländern zum größten Teil akzeptiert. Es wäre nur wünschenswert gewesen — und darin liegt der Punkt unserer Beanstandung —, daß sie im Gesetz auch wirklich logisch zur Durchführung gekommen wären und daß die sonstigen Voraussetzungen für eine Regelung außer der Reihe, für eine Regelung außerhalb des Grundgesetzes, wie sie hier erfolgen soll, gegeben seien.
Es hätte dann vielleicht darüber hinweggesehen werden können, daß die Rechtsgrundlage für den § 2 des Gesetzes in höchstem Grade zweifelhaft bleiben muß. Der Art. 106 Abs. 3 hätte einer abweichenden Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, d. h. zwischen den Ländern gesondert und keinesfalls mit dem Bundesrat, wohl nicht im Wege gestanden. So aber muß bestritten werden, daß der Art. 120 im Wege des Gesetzes eine Lastenverteilung auf die Länder zuläßt in einer Art, die dem Maßstab des Art. 106 Abs. 3, der die Steuerkraft zugrunde gelegt, zuwiderläuft. Mit diesem Aufbringungsmodus nach der Steuerkraft enthält nämlich Art. 106 Abs. 3 eine Schutzbestimmung für die steuerschwächeren Länder, die auch auf dem Wege eines Gesetzes nach Art. 120 kaum umgangen werden kann. Die Wortfassung und der Sinn des Art. 120 geben dazu keinerlei Vollmacht. Wenn es in Abs. 1 des Art. 120 heißt: „Der Bund trägt die Aufwendungen für die „Kriegsfolgelasten" mit dem Zusatz „nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes", dann war der aus den Verhandlungen des Parlamentarischen Rates klar ersichtliche alleinige Zweck dieses auf einen bayerischen Antrag hin angenommenen Zusatzes den Begriff „Kriegsfolgelasten" in seinem Umfang zu umreißen. In keiner Weise kann daher daraus die Berechtigung hergeleitet werden, das Grundschema des Art. 106 anzutasten. Ich möchte indessen auf diese juristische Seite der Angelegenheit nicht weiter eingehen, weil sie ja letzten Endes nicht hier durch Abstimmung entschieden wird. Immerhin dürfte es ratsam sein, wenn sich der Bundestag bis zur Verabschiedung des Gesetzes auch ein Urteil und vor allem ein Urteil über seine Verfassungsmäßigkeit bildet, die, wie gesagt, von einem Teil der Länder bestritten wird.
Was nun die im Zentrum des Streits stehende Interessenquote anlangt, so entstammt sie bekanntlich historisch dem kommunalen Bereich und hatte ihren vollen Sinn auch nur, dort, wo eine Unzahl unterer Verwaltungsstellen, wo Zehntausende von Gemeinden — sei es aus Nachlässigkeit, sei es aus Berechnung — bereit waren, das Interesse ihres Auftraggebers, des Bundes oder der Länder, ihrem eigenen egoistischen Lokalinteresse unterzuordnen. Die Interessenquote war insoweit nichts anderes als ein Ersatz für eine technisch schwierige oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu bewältigende Kontrolle. Zwischen Souveränitätsträgern — wie dem Reich und den Ländern — war sie eigentlich früher im allgemeinen nicht üblich, und man sollte auch die Neigung zu ähnlichen Machinationen, wie man sie offenbar den Gemeinden zutraut, nicht so ohne weiteres bei den elf Ländern voraussetzen, denen ihre finanzielle Schicksalsverbundenheit mit dem Bund, sei es angenehm oder wie hier bei dieser
Vorlage unangenehm, doch täglich zum Bewußtsein gebracht wird. Davon abgesehen, daß ihr also immer etwas Diskriminierendes anhaftet und daß sie als eine Art neues Zuchtmittel in dem Verhältnis Bund — Länder ausprobiert werden soll, wäre seitens der Länder gegen das System der Interessenquote als solches kaum etwas zu erinnern. Es ist aus Gründen der öffentlichen Pädagogik durchaus vertretbar, die Länder bei der Ausgabewirtschaft durch eine gewisse Beteiligung an dem Aufwand, an seiner möglichen Begrenzung zu interessieren. Einen Sinn hat aber dieses Verfahren doch nur dort, wo die Länder als Treuhänder der Bundesmittel, die sie verwirtschaften, überhaupt in der Lage sind, die Ausgaben zu beeinflussen, wo sie tatsächlich die entscheidende Instanz bei der Verwaltung darstellen. Das ist beispielsweise in keiner Weise bei der Arbeitslosenhilfe der Fall, deren Vollzug bei einer Selbstverwaltung liegt. Das ist aber auch großenteils ebensowenig bei den Besatzungskosten der Fall. Da hat die Landesregierung auf Anweisung der Kommissare etwas zu bezahlen, ohne auf die Höhe der Leistung mit mehr als platonischen Empfehlungen und Beschwerden Einfluß nehmen zu können.
Dazu kommt, daß die einzelnen Zonenherren offensichtlich verschieden beeinflußbar sind. Ich verweise nur darauf, daß im Jahre 1950 der Gesamtbetrag der Besatzungskosten gesenkt werden konnte, während er gleichzeitig in der französischen Zone um 200 Millionen, d. h. um ein volles Drittel des Vorjahres anstieg.
Die Länder der französischen Zone zahlen zudem — das ist eine Art negativen Reservats aus der Vergangenheit — einen Teil ihrer gegenüber der Bizone doppelt so hohen Besatzungskosten — doppelt so hoch gemessen an der Steuerkraft — in der Form einer Pauschale, d. h. einer Globalleistung, bei der niemand weiß, wofür sie überhaupt verwendet wird. Hier, angesichts einer Barleistung ohne ersichtliche Zweckbestimmung, gegen die eine Landesregierung irgendwie demonstrieren könnte, verliert selbstverständlich die Interessenquote jeglichen Sinn. Eine aussichtsvolle Einwirkung der Länder auf die Höhe der Besatzungskosten setzte vor allem voraus, daß die Gesamtbesatzungskostenlasten irgendwie auf Zonen und Länder nach einem normierten Bedarf, daß sie überhaupt nach dem Bedarf verteilt werden.
Wir halten uns nun in der französischen Zone nicht für so viel gefährlicher als die Bewohner anderer Länder, daß man uns bis heute deshalb mit einer wesentlich höheren Besatzung, und in deren Gefolge mit einer wesentlich höheren Besatzungslast hätte beglücken müssen.
Wenn aber andere Motive als die des tatsächlichen Bedarfs die Höhe der Besatzungskosten der französischen Zone bestimmen, Motive, die nur zu vermuten sind, dann müssen gegenüber diesem unerforschlichen Ratschluß der Alliierten jedenfalls Sparsamkeitsargumente der Länder völlig wirkungslos bleiben.
Mit diesen Bemerkungen zu dem Problem der Interessenquote wollte ich Ihnen, meine Damen und Herren, darlegen, daß das System, wenn es mehr Sinn als irgendein anderer schematischer Verteilungsmaßstab, wenn es überhaupt einen Sinn haben soll, sich auf Aufwandsgebiete beschränken muß, auf die die Länder auch wirklich eine entscheidende Einwirkungsmöglichkeit haben.
Wenn sich nun die Hälfte der Länder im gegenwärtigen Augenblick gegen die hier vorgesehene Interessenquote wendet, und nach dem Antrag Schleswig-Holsteins so etwas wie eine Gesamtinteressenquote — ich gebe dem Herrn Bundesfinanzminister zu, daß es keine echte Interessenquote ist — an seine Stelle setzen will, so bleibt doch das Interesse des Bundes an einer möglichst eindeutig zahlenmäßigen Fixierung des Deckungsbeitrages der Länder zu dem Überleitungsdefizit unbestritten; und keines der Länder will dem Bund irgendwie das für ihn Notwendige vorenthalten.
Die Länder sind vernünftigerweise an der Finanzlage des Bundes nicht weniger interessiert als an ihrer eigenen. Der Bund könnte sich also an dieser Länderkontroverse durchaus uninteressiert erklären. Wenn er aber doch Partei nimmt, glaube ich, daß er gut daran täte, sich für eine Lösung einzusetzen, die in der Richtung dessen liegt, was in naher Zukunft doch unvermeidlich ist, daß er also ein Verfahren unterstützte, das das gesamte Problem des Länderfinanzausgleichs entlastete, statt es weiterhin künstlich zu verkomplizieren.
Auch die Befürworter der Vorlage sprechen nämlich ganz geschämig von „Unebenheiten" dieses Gesetzes, die eben im Zuge eines kommenden Finanzausgleichs mit den übrigen Unebenheiten auszugleichen wären. Wenn das schon zugegeben werden muß, dann scheint es mir richtiger; diese Unebenheiten von vornherein zu vermeiden, dann scheint es mir richtiger, den steuerschwachen Ländern nicht erst mehr abzunehmen, als sie nach Art. 106 Abs. 3 letzten Endes zu leisten verpflichtet sind. Denn was diese Länder heute weniger zahlen, das haben sie wenigstens noch. Wann sie etwas, und was sie eventuell aus einem kommenden Länderfinanzausgleich bekommen, das hängt nach der sehr problematischen Konstruktion des Grundgesetzes voraussichtlich davon ab, daß eine Formel gefunden wird, bei der 5 Länder oder 21 Bundesratsstimmen etwas zu zahlen und 6 Länder oder 22 Stimmen etwas zu bekommen haben. Dieser Länderfinanzausgleich, auf den die Länder, die seit dem 1 April dieses Jahres keine Ausgleichsleistungen mehr erhalten, zur Aufrechterhaltung eines wenigstens primitiven Existenzminimums angewiesen sind, wird bekanntlich der „horizontale" genannt, eine Bezeichnung, deren doppelsinnige Symbolik ich zu beachten bitte. Hoffentlich heißt er nämlich nicht deshalb horizontal, weil er wie der Horizont in dem Maße, in dem man sich ihm zu nähern glaubt, in die Ferne rückt.
Das darf einmal ausgesprochen werden, daß an diesem Länderfinanzausgleich der Bund ein ureigenes, ganz egoistisches Interesse hat. Es ist ja doch nicht so, daß er in der vornehm zurückhaltenden Rolle eines väterlichen Schiedsrichters wird verharren können, eine Rolle, zu der man ihn nebenbei nicht einmal beglückwünschen könnte, weil im Zweifel ja der Schiedsrichter zuerst verprügelt wird. Aber der Bundes-Finanzminister wird für die Fehlkonstruktion des Grundgesetzes büßen müssen, die dem Bund eine eigene Ausgleichsmasse für Zwecke des Finanzausgleichs versagt hat und den Bundesfinanzminister zwingt, das, was er dem einen geben will, erst dem anderen abzunehmen.
Hier aber, wo es zunächst einmal um das Überleitungsdefizit des Bundes geht, kann dem Bundesfinanzministerium doch weniger an einem Zahlungsversprechen als daran liegen, daß es irgendwie zu
Gelde wird. Die Aussichten aber, die nach diesem Gesetz vorgesehenen Leistungen wirklich hereinzubringen, sind um so geringer, je weniger diese Leistungen der individuellen Leistungsfähigkeit der Länder angepaßt sind. Die Länder, die heute bereits Haushaltsdefizite mit 30% der Ausgabenseite aufweisen, würden dem Bund bestenfalls ihre Forderungen aus diesem Finanzausgleich „am Horizont" abtreten können. Ich will damit sagen, meine Damen und Herren, daß es bei der zugespitzten und äußerst prekären Finanzlage der finanzschwachen Länder eine Illusion wäre, von ihnen Leistungen zu verlangen, zu denen sie erst ein Länderfinanzausgleich instand setzen könnte. Jede Art Bundesfinanzausgleich — um ein Stück eines solchen handelt es sich doch wohl hier — hat nämlich den vorherigen Länderfinanzausgleich zur Voraussetzung.
Die kürzlichen Ausführungen des Bundesfinanzministeriums zur allgemeinen Finanzlage gestatten, ohne in den Geruch des Defaitismus zu gelangen, die Dinge so real zu sehen, wie sie nun einmal sind. Man wird feststellen können, daß sowohl die Gesamtrechnung der öffentlichen Hand, wie die von Bund, Ländern und Gemeinden im einzelnen gesehen, defizitär ist. In dieser Situation wird der Finanzausgleich, im ganzen genommen, nichts anderes als ein Ausgleich des Gesamtdefizits sein, d. h. eine Verteilung des Gesamtdefizits auf alle, auch auf den Bund. Da gibt es allerdings den Artikel 110 des Grundgesetzes, der den Ausgleich des Bundeshaushaltes in Einnahmen und Ausgaben vorsieht. Es gibt auch entsprechende Bestimmungen in Länderverfassungen, wo die Aufnahme ähnlich wohlklingender Postulate für gut befunden worden ist. Wir sind uns aber doch darüber klar, daß alle diese Bestimmungen einstweilen unerfüllbare Programmforderungen bleiben, ganz davon abgesehen, daß es um noch einmal auf die Pädagogik zurückzukommen, falsch wäre, allein den Bund und seine parlamentarischen und bürokratischen Instanzen das wohltuende Regulativ eines angemessenen Haushaltsfehlbetrages entbehren zu lassen; dies vor allem auch im Hinblick auf die sehr unpädagogische Bestimmung des Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes. Dort wird nämlich, wenigstens dem Grundschema nach, die große Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern so vorgenommen, daß dem Bund die Zuständigkeit für die Ausgaben vorbehalten wird, während es den Länderparlamenten überlassen bleibt, die Verantwortung für die Dekkung zu übernehmen.
Zum Zwecke der Abschreckung der Minderheit ist uns vor dem Bundestag Angst gemacht worden. Man hat uns gesagt, er pflege sich nicht sehr viel für die sehr komplizierten und im übrigen uninteressanten Interessen der Länder zu interessieren,
er pflege die Dinge einseitig oder wenigstens überwiegend politisch zu betrachten. Gerade deshalb möchte ich nicht verfehlen, mit ein paar Worten noch auszuführen, daß es sich hier um ein eminent politisches Thema handelt, nämlich um nichts weniger als um die Frage des Funktionierens eines föderalistischen Organismus überhaupt.
Als ich vor kurzem meinem Landtag den Haushalt für 1950 mit einem Fehlbetrag von 160 Millionen vorlegen mußte, konnte ich nicht umhin, darauf zu verweisen, daß die Frage der wenigstens teilweisen Deckung dieses Fehlbetrages letzten Endes eine Frage der Ländersolidarität und eine Frage der Opfer sei, die die Länder dem Gedanken des Föderalismus zu bringen bereit seien. Es dürfte kein Zweifel bestehen, daß ein ausrei-
chend wirksamer Finanzausgleich so sehr das Existenzproblem des Föderalismus darstellt, daß er selbst dann zum Funktionieren gebracht werden müßte, wenn eine unvollkommene Regelung des Grundgesetzes versagen würde. So widersinnig es klingen mag: in diesem finanziellen Kernpunkt scheint das föderalistische System nur zu funktionieren bei maßgeblicher Einschaltung einer neutralen Zentralinstanz. Es liegt nicht nur im Interesse des Landes, es liegt nicht weniger im wohlverstandenen Interesse des Ganzen, daß aus diesem Dilemma eine Lösung gefunden wird. Ein föderalistisches System, das große und kleine und kleinste Ländereinheiten mischt, das arme und reiche zusammenkoppelt und ihnen einredet, sie seien alle vor dem Gesetz und dem Föderalismus gleich, weil sie sich mit dem Mantel der gleichen Ländersouveränität umkleiden können, ein solches System muß an den unvermeidlichen Spannungen scheitern, wie sie sich aus dem unausgeglichenen Kräfteverhältnis der Bundesmitglieder ergeben. Wie die soziale Frage nicht einfach dadurch gelöst werden kann, daß der Arme mit dem Reichen die gleichen bürgerlichen Rechte teilt, so ist auch ein politischer Verband nicht denkbar, innerhalb dessen der eine von der Gnade des anderen lebt.
Jede Art Finanzausgleich schafft finanzielle und in ihrem Gefolge leicht auch politische Abhängigkeit, peinlich genug im Verhältnis Bund zu einem Lande, aber unerträglich für das föderalistische System, wenn der Kleine und Schwächere dadurch zum politischen Trabanten des stärkeren Nachbarn wird. Wie sehr dieses Thema Finanzausgleich heute bereits auf die rein politische Ebene abzugleiten droht, das beweist die politische Replik der in Anspruch genommenen Länder mit ihrer Offerte, die kleinen und o schwächeren, wirtschaftlich und finanziell längst überspielten Ländersouveränitäten samt ihrem Defizit und um den Preis ihres Defizits zu schlucken. Es ist kein Zweifel, daß ein solches Radikalmittel geeignet wäre, das Finanzausgleichsproblem ein für allemal zu regeln, und zwar um so gründlicher, je mehr ein derart konzentrierter Föderalismus dem Zentralismus nahekommt. Man braucht durchaus nicht Gegner einer vernünftigen Flurbereinigung auf der Länderebene zu sein, wenn man sich auch darüber klar sein muß, daß damit die nun einmal vorhandenen Notgebiete nicht beseitigt, sondern nur in eine andere Länderkombination verschoben würden. Immerhin scheint uns aber dieses Problem der Neugliederung des Bundesgebiets bedeutsam genug, um nicht so nebenher auf kaltem Wege unter dem Druck eines ungenügenden und überhaupt ausbleibenden Finanzausgleichs neuen, nicht minder unbefriedigenden Notlösungen entgegengeführt zu werden. Hier scheint mir ein ausgesprochen legitimes Interesse des Bundes und des Bundestags im Spiele zu sein. Der Föderalismus, wie wir ihn heute nach dem Willen derer exerzieren, die daran glauben, und der anderen, die wenigstens bereit sind, sich von seinem Funktionieren überzeugen zu lassen, steht vor seiner ersten und schwersten Belastungsprobe. Die Erfahrungen der Vergangenheit mit dem hinter uns liegenden Kalorienausgleich in der Blütezeit des Fett- und Kartoffelpartikularismus sind alles andere als ermunternd.
Aus dieser Situation, meine Damen und Herren, bitten wir, die Haltung der minderbemittelten Bundesratshälfte zu verstehen. Wir sind der Meinung, die Ländersouveränität müßte an der Kasse verteidigt werden, wenn es nicht bereits übertrieben ist, bei einigen von uns noch von Kasse zu reden. Wir sind auch der Meinung, man sollte nicht warten, und der
Bund sollte nicht zulassen, daß man wartet, bis die nächsten zwei Länder, bis Niedersachsen und Rheinland-Pfalz nach dem Muster von Schleswig-Holstein nothilfereif werden. Ich hoffe, daß man sich in diesem Hause klar darüber ist, daß solche Aktionen an den Nerv der Landeshoheit gehen, daß sie zu einer unerträglichen Einschränkung der Geschäftsfähigkeit des Landes und zu einer unausbleiblichen Abtötung der Eigenverantwortlichkeit dieser Fürsorgeempfänger führen würden.
Wir sind also, um es zusammenzufassen, nicht Gegner eines vernünftigen Interessenquotensystems an sich, aber wir möchten es erst später, erst nach dem Finanzausgleich. Bis dahin bitten wir Sie, eine Zwischenlösung nach der Art des schleswig-holsteinschen Vorschlages oder nach irgend einer anderen Art vorzusehen, jedenfalls aber nach einer solchen, die den schwachen Ländern wenigstens die Chance läßt, den Zeitpunkt des endlichen Finanzausgleichs überhaupt zu erleben.