Rede von
Dr.
Hans
Mühlenfeld
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich diese Interpellation der Fraktion der SPD in ihrer Systematik ansieht und die Ausführungen des Herrn Kollegen Arndt als Begründung zu dieser Interpellation mit angehört hat, muß man sich doch fragen: Was ist . denn eigentlich gewollt? Wir haben den Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers entnommen, daß es gerade die dauernden Anzapfungen und Verdächtigungen der SPD gewesen sind, die letzten Endes die Bundesregierung veranlaßt haben, Nachforschungen darüber anzustellen, wie es mit der konfessionellen Zusammensetzung der Beamten und Angestellten der Ministerialbürokratie aussieht. Wenn dann aber die Regierung das, wozu sie gezwungen ist, unter Wahrung der verfassungsmäßigen Rechte und Freiheiten tut, dann kommen die Herren Interpellanten von der SPD und fragen die Bundesregierung: Wie kommst du dazu, so etwas zu tun? Meine Damen und Herren, ich bin der Auffassung, eine derartige Haltung muß man als reichlich pharisäisch bezeichnen.
Mit dieser Anfrage setzt nun die SPD das gleiche Manöver fort. Sie verlangt von der Bundesregierung eine nachträgliche Durchleuchtung der in Frage stehenden Bundesbediensteten auf Korporationszugehörigkeit und auf NSDAP-Zugehörigkeit. Worauf läuft das hinaus? Im ersteren Falle auf gesellschaftliche Achtung und im letzteren Falle auf eine neue Entnazifizierung. Daß beides gegen den Grundsatz des Art. 33 des Grundgesetzes verstößt, dürfte doch wohl keine Frage sein. Es würde mich nicht wundern, wenn eines schönen Tages auf Initiative der Interpellanten von den Beamten auch Angaben darüber verlangt würden, welchen Parteien sie angehören. Ich möchte dann einmal sehen, was die SPD-Fraktion dazu sagen würde, wenn man derartige Untersuchungen anstellen wollte. Höchstwahrscheinlich würde sie einen geharnischten Protest loslassen.
Meine Damen und Herren, selbstverständlich sind Eignung und Fähigkeit ausschlaggebend und nicht die Konfession, auch nicht die politische Zugehörigkeit. In diesem Sinne stimme ich den Ausführungen meines Herrn Vorredners, des Herrn Kollegen Seelos, zu, der feststellte, daß Gott sei Dank eine Befriedung zwischen den Konfessionen eingetreten ist, die zu gemeinsamer Arbeit mit dem Ziele einer moralischen und geistigen Ertüchtigung des deutschen Volkes geführt hat. Daher sollte man sich hüten, Sprengladungen anzulegen und durch derartige Interpellationen, wie sie hier angebracht werden, eine Gefahr heraufzubeschwören, die wir glücklich sind, eben überstanden zu haben.
Meine Damen und Herren, was mich aber an der ganzen Geschichte besonders interessiert, sind die Ausführungen, die Herr Abgeordneter Arndt über die Entnazifizierung und die ehemaligen Nationalsozialisten gemacht hat. Ich denke, wir wollen mit der Entnazifizierung ein für allemal Schluß machen, und ich frage die Herren von der SPD: Erkennen Sie einen Spruchkammerbescheid, einen Kategorisierungsbescheid als Rechtstitel an oder nicht?
Ich glaube, wir kommen nicht darum herum, einen
derartigen Kategorisierungsbescheid als rechtsverbindlich und rechtskräftig anzuerkennen; andernfalls begeben wir uns in eine Rechtsunsicherheit, die allergrößte Gefahren mit sich bringen muß.
— Ich weiß schon, meine Herren, wenn die Entnazifizierung bei Personen, die Ihnen nicht ganz genehm sind, nicht so ausläuft, sind Sie besonders empfindlich.
Wir müssen die Entnazifizierungsbescheide, wie sie von den Spruchkammern ausgestellt worden sind, anerkennen. Dabei berufe ich mich auf Ausführungen, die der SPD-Abgeordnete Dr. Lütkens, ich glaube, Ende März vorigen Jahres gemacht hat, worin er sagte: Es kommt alles darauf an, daß das deutsche Volk nach besten Kräften die Selbstbereinigung vollzieht. Diesem Ausspruch und diesem Grundsatz stimmt meine Fraktion völlig zu.
Meine Herren, in diesem Falle, den Sie hier immer wieder pexieren, steht ja nun eindeutig fest, daß das deutsche Volk durch den Mund Ihrer Parteifreunde in Bornum gesprochen hat. Es trifft nicht zu, daß die Erklärung nur von einem einzelnen Mann unterschrieben worden ist. Sechs Mitglieder der SPD-Fraktion in Bornum und vier Mitglieder der CDU-Fraktion des Gemeinderates, dazu freiwillig der Herr Gemeindedirektor haben diese Bescheinigung ausgestellt, nachdem sie den Fall Ehrich genau so eifrig und genau so gewissenhaft geprüft haben, wie es die Militärregierung auch getan hat. Meine Damen und Herren, entweder erkennen wir einen derartigen Kategorisierungsbescheid als Rechtstitel mit Rechtskraft an — ich betrachte ihn als geltendes Recht —, dann müssen wir auch alle Konsequenzen daraus ziehen und jemandem, der in Gruppe V eingestuft ist mit dem ausdrücklichen Vermerk, damit ihm der Weg zur Mitarbeit am Aufbau des demokratischen Staatswesens freigemacht wird, auch die Möglichkeit dazu geben. Oder wenn wir von Kategorisierungsbescheiden im negativen Sinne sprechen, die dem Betroffenen das Recht der Betätigung in gewissem Umfange absprechen, müssen wir uns auch dazu bekennen, derartige Kategorisierungsbescheide in ihrer positiven Wirkung anzuerkennen.
Meine Damen und Herren! Zu dem Fall der Ämterpatronage möchte ich vorweg noch eins bemerken: Es ist schon so, Berufsbeamtentum und Toleranz gehören zusammen, Herr Arndt, da bin ich mit Ihnen gleicher Meinung. Ich möchte aber dem Hohen Hause nun nicht vorenthalten, wie Sie, meine Herren von der SPD, das in die Praxis umsetzen. Vor mir liegt ein Schreiben aus Düsseldorf vom 19. 4., und mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, möchte ich nur zwei Sätze daraus verlesen - alles andere schenke ich mir zunächst — unter Fortlassung der Namen, um damit zu zeigen, daß es mir nicht darauf ankommt, Personen zu treffen und ihnen Schwierigkeiten zu machen, sondern das Grundsätzliche herauszustellen. Diese Personen, um die es sich hier handelt, meine Herren von der SPD, gehören in Ihre Reihen. Es heißt in diesem Schreiben aus Düsseldorf:
Der Genosse Rieschmann, Arbeitsamt Minden, sucht einen sozialdemokratisch organisierten Berufsberater. Die Stelle ist nach TOA V dotiert. Meine Bemühungen im näheren Umkreis haben keinen geeigneten Bewerber auftreiben können.
Unter besonderer Beachtung der Vertraulichkeit dieser Angelegenheit bitte ich, in den Ämtern dieserhalb Nachfrage zu halten und eventuell nähere Angaben dem Genossen Rieschmann unmittelbar zukommen zu lassen. Ferner bitte ich unter Hinweis auf den Herner Beschluß, die nachwuchsfähigen und besonders förderungswürdigen Genossen in den Ämtern festzustellen. Es ist erwünscht, daß von diesen Genossen eine kurze Lebenslaufdarstellung mit Beurteilung charakterlicher und persönlicher Art gestellt wird.
Wie in Herne beschlossen, ist beabsichtigt, diese Unterlagen dem Deutschen Gewerkschaftsbund und dem Genossen Dr. W. als Unterlage für eventuelle Vakanzen zuzuleiten. Mit dem Genossen H. habe ich vereinbart, daß die westfälischen Freunde diese Unterlagen an Herrn H. und die rheinischen Kollegen an mich unter „Persönlich" zuleiten.
Ich glaube, das spricht doch wohl Bände,
und man sollte nicht mit Steinen werfen, wenn man im Glashause sitzt. Meine Damen und Herren, und hier wende ich mich mal wieder an Sie, meine Herren von der Linken insbesondere: Sind es nicht gerade Sie gewesen, Ihre Freunde in Schleswig-Holstein, die wenige Tage vor der Wahl dort eine Erklärung herausgegeben haben, die in ihren wichtigsten Punkten bezüglich der Entnazifizierung lautet — es sind Ihre sämtlichen Kollegen, Ihre Kollegen von der Landtagsfraktion der SPD in Schleswig-Holstein —:
Wiederherstellung der vollen staatsbürgerlichen und sozialen Gleichberechtigung aller Staatsbürger! Schluß mit der Zweiteilung Deutschlands in Staatsbürger verschiedenen Rechts!
Volle Gleichberechtigung für alle Staatsbürger, die nicht ehrenrühriger und verbrecherischer Dinge schuldig sind!
Meine Damen und Herren! Wenn ich Ihnen nicht vorher gesagt hätte, wer der Verfasser ist, hätten Sie höchstwahrscheinlich angenommen, das hätte meine Fraktion von sich gegeben.
Es sind Ihre Leute, die noch vor einem Jahre etwas anderes gesagt haben.
— Herr Dr. Greve, stimmt es, oder stimmt es nicht? Sie haben noch vor einiger Zeit eine ganz andere Haltung eingenommen.
Mir scheint, meine Herren, es ist für Sie notwendig, zu dem zu stehen, was Ihre Freunde in Schleswig-Holstein gesagt haben, und daraus die Konsequenzen zu ziehen, andernfalls man das für ein übles Wahlmanöver halten müßte.
Meine Damen und Herren! Es ist meine Pflicht, nachdem ich mich gründlich mit dem Fall Dr. Ehrich habe beschäftigen müssen, hier zu erklären, daß an den ganzen Beschuldigungen, die gegen Dr. Ehrich vorgebracht werden, nicht ein Wort wahr ist.
Nicht ein Wort!
Dr. Ehrich ist zwar Landesgruppenleiter gewesen.
— Meine Herren, das bestreitet ja niemand; das ist aber keine Gauleitereigenschaft oder etwas ähnliches.