Rede von
Maria
Dietz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wir begrüßen diesen Antrag. Wir begrüßen es auch, daß er von weiten Kreisen unseres Volkes getragen wird. Nicht nur aus der sozialistischen Jugendbewegung, auch aus der Jungen Union und aus den Kreisen der Frauen und Mütter sind uns zahlreiche Zustimmungserklärungen zugegangen. Vor zwei Tagen hat die Weltorganisation der Mütter uns einen Brief geschrieben, in dem sie nicht nur diesen Antrag billigt, sondern die volle Unterstützung aller maßgebenden Stellen fordert. Wer mit Kindern zu tun hat, die Mutter in der Kinderstube, die Lehrerin in der Erziehung, der weiß, wie nachhaltig die Art und Weise des Kinderspiels den werdenden Charakter beeinflußt. Wenn das Kind Dörfer und Städte baut, wenn es mit anderen Worten Werte schafft und dann hingeht und diese Werte, sei es auch nur im Spiel, mit Kanonen und Tanks wieder zerstört, dann zeigt das eine Ehrfurchtslosigkeit, dann zeigt sich darin ein Geist der Zerstörung, der unwillkürlich auch in die ganze Haltung des jungen Menschen eingeht. Ist es nicht grauenvoll, wenn auf der letzten Spielzeugausstellung in Nürnberg ein Atomzertrümmerungsspielzeug für 19,75 DM verkauft wurde? Ist es nicht grauenvoll, daß dieses Gespenst, vor dem wir alle erheben, sich nun den Eintritt in die Kinderstuben erschleicht, um dort einen Platz einzunehmen? Ich bin der Ansicht, der deutsche Geist ist erfinderisch genug, um andere Spielzeuge zu gestalten, Spielzeuge, die einen konstruktiven Charakter haben;
denn wenn das Kind mit Baukästen spielt, wenn es konstruktive Arbeit leistet, wenn es Brücken baut, wenn es bastelt, dann schafft es Werte, und dann wird in ihm der Geist des Wiederaufbaues gepflegt, den wir so sehr nötig haben, da wir ja noch in den Trümmern leben. Ich bin der Ansicht, daß gerade dieser Geist der Ehrfurcht sehr wesentlich für die Erziehung unserer Kinder ist, nachdem wir eine Zeit hinter uns haben. deren Kennzeichen die Ehrfurchtslosigkeit war. Shakespeare aber sagt: „Die Ehrfurcht ist der Angelpunkt der Welt!"
Lassen Sie mich auf drei Einwände eingehen, die man gegen diesen Antrag vorgebracht hat. Man hat zuerst gesagt: ja, wenn ihr so seid, dann dürft ihr auch nicht erlauben, daß die Kinder Räuber und Gendarm spielen, dann dürft ihr auch nicht erlauben, daß sie Indianer spielen. — Meine Herren und Damen, das ist etwas ganz anderes! Wenn das Kind Indianer spielt, wenn es Räuber spielt, dann geschieht das aus einer gewissen Romantik heraus. Das Kind lebt gern in einer imaginären Welt, aber es weiß im Unterbewußtsein ganz genau, daß das ja nur ein Spiel ist, und es wird deshalb auch kein Indianer und es wird deshalb auch kein Räuber. Aber wenn es mit Kriegsspielsachen spielt, dann ist das etwas anderes. Diese Dinge werden furchtbare, blutige Wirklichkeit.
Der zweite Einwand: man hat uns gesagt, das bedeute die Entmannung des deutschen Volkes. Ich darf Ihnen die Versicherung geben: Die
deutschen Mütter wollen auch keine Feiglinge K erziehen, sie wollen keine Muttersöhnchen, sie wollen starke, tapfere Jungen. Aber wir wehren uns dagegen, daß der Begriff des Heldentums, der Begriff des Mannestums ständig verquickt wird nur mit dem Begriff des Militarismus und mit dem der Uniform.
Wär sind der Ansicht, daß wir unserem deutschen Volke und der gesamten Menschheit mehr dienen, wenn wir alle, die Mütter aller Nationen, die Kinder zum Heldentum eines konsequent gelebten Berufsethos erziehen. Ist es kein Heldentum, wenn der Bergmann Tag für Tag in die Grube steigt, wo der Tod sein ständiger Nachbar ist? Ist es kein Heldentum, wenn der Arzt, die Krankenschwester in Zeiten ansteckender Krankheiten ihren schweren Dienst versehen und ihren Opfermut oft mit dem Verlust von Gesundheit und Leben bezahlen? Und: Ist es kein Heldentum, was die Mütter in der Vergangenheit geleistet haben, in den Jahren des Hungers? Das ist auch ein Heldentum, und es erscheint uns wesentlich, unsere Kinder nach dieser Richtung zu erziehen.
Der dritte Einwand heißt: ja, aber es könnte uns vielleicht wirtschaftlich irgendwie einen Nachteil bringen. — Dazu möchte ich folgendes sagen. Ich würde es als eine Beleidigung des deutschen Geistes betrachten, wenn wir ihn nicht für fähig hielten, andere Spielzeuge als ausgerechnet solche herzustellen, die der Vernichtung dienen, Spielzeuge nämlich, die auch in der gesamten Welt hohe Anerkennung finden.
Das viel Wichtigere aber ist dies: wir müssen a uns davor hüten, die Rangordnung der Werte umzukehren oder zu verschieben; denn an erster Stelle stehen für uns erzieherische und ethische Werte; die stehen hoch und weit über kaufmännischen und rechnerischen Interessen. Wir haben es einmal erlebt in der Vergangenheit, daß man diese Ordnung der Werte umgekehrt hat, und unser Volk ist dabei an den Rand der Katastrophe getrieben worden, damals, als man das Nützlichkeitsprinzip auf den Thron erhob und als man das ethische Gesetz unter die Macht dieses Nützlichkeitsprinzips zwang und das Nützlichkeitsprinzip zur Norm des Handelns machte. Wir dürfen nicht noch einmal in diesen Fehler verfallen, und es ist in die Verantwortung dieses Hohen Hauses gegeben, dafür zu sorgen, daß sich dieses Unglück nicht wiederholt.
Ich bin mir bewußt, daß das, was wir heute hier über diesen Punkt sprechen und beschließen, nur ein Stein ist, den wir reichen, ein Stein zu dem großen Friedensdom, den wir bauen wollen und in den unsere leidzerquälte Menschheit einziehen soll; aber es i s t doch wenigstens ein Baustein. Denken Sie an das Wort des Altmeisters Pestalozzi: „Im Hause muß beginnen, was leuchten soll im Vaterland"!