Meine Damen und Herren! Gewiß wird es immer wieder vorkommen, daß das Hohe Haus der Meinung ist, daß eine Sache nicht genügend geklärt sei und man sie deswegen an den Ausschuß zurückweisen müsse. Aber im allgemeinen — und ich möchte sagen: grundsätzlich — wird das doch nur dann geschehen und geschehen dürfen, wenn der Tatbestand nicht genügend geklärt ist, wenn sich also in der Plenardebatte erweist, daß wir noch nicht genügend Grund unter den Füßen haben und darum nicht entscheiden können, worum es in Wirklichkeit geht. Aber, meine Damen und Herren, hier ist doch der Tatbestand völlig klar!
Es steht genau fest, was der Abgeordnete Bielig geschrieben hat und was auf seinen Artikel hin erfolgt ist. Darüber ist, glaube ich, kein Streit. Verschieden ist lediglich die Auffassung über die strafrechtliche Beurteilung, die dem Artikel des Herrn Abgeordneten Bielig zuteil werden soll.
Aber, meine Damen und Herren, diese strafrechtlichen Dinge sind doch nicht das Eigentliche, vor dem wir stehen. Wir sind doch kein großes Schöffengericht, das ein Urteil abzugeben hätte, ob Herr Abgeordneter Bielig sich nach §§ 185 ff. des Strafgesetzbuches strafbar gemacht hat oder nicht. Selbst wenn das Haus der Meinung sein sollte,
daß er sich nach dem Strafgesetzbuch strafbar gemacht hat, könnte dieses Haus, ohne irgendwie gegen seine Pflichten zu verstoßen, sagen: aus allgemein politischen Erwägungen — nicht parteipolitischen — verweigert dieses Haus die Genehmigung der Strafverfolgung. Das ist die Entscheidung, die wir hier zu treffen haben, und keine andere. Und hierfür hat doch der Ausschuß genügend Gelegenheit gehabt, sich eine Meinung zu bilden. Er hat sich eine Meinung gebildet und hat beschlossen, dem Hause zu empfehlen, die Strafverfolgung nicht freizugeben.
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir, glaube ich, zu dem verfahrensmäßig entscheidenden Punkt. Wenn es sich, wie hier, lediglich darum handelt, das Für und Wider eines Ausschußvorschlags wesentlich vom Politischen her zu bewerten, dann sollte man nie zur Zurückweisung an den Ausschuß greifen, nur weil es jemand darauf ankommt, nicht Tatsachen, sondern Bewertungen neu zu diskutieren.
Dann sollte es ausschließlich Sache dieses Hauses sein, zu sagen, ob es dieser Empfehlung, die immer eine politische Empfehlung ist, auch wenn es sich um Tatbestände aus dem Bereich der Justiz handelt, beitritt oder nicht beitritt.
Das ist aber nicht Sache des Ausschusses, sondern Sache des Plenums.
Stellen Sie sich doch bitte vor: Wenn im Ausschuß aus Zufälligkeitsgründen, die leider Gottes fast jeden Tag eintreten, gegenüber der letzten Sitzung eine andere personelle Besetzung sein sollte, dann laufen wir doch Gefahr, daß nur deswegen, weil ein Abgeordneter vom Urlaub zurückgekehrt ist oder ein anderer einen Schnupfen bekommen hat, andere Auffassungen zum Zuge kommen und der Ausschuß Ihnen auf Grund desselben Tatbestandes eine genau konträre Entscheidung empfiehlt. Wir ruinieren damit doch den Respekt vor der Ausschußarbeit und gerade den Respekt vor der Arbeit von Ausschüssen, die im wesentlichen — wirklich ganz im wesentlichen — ihre Empfehlungen unter politischen Gesichtspunkten zu geben haben. Wenn wir nicht beim erstenmal nein sagen, dann rutschen wir in eine Entwicklung ab, von der kein Mensch weiß, wohin sie führen kann.
Dem Ansehen des Parlaments und der Arbeit der Ausschüsse dieses Parlaments jedenfalls würde ein solches Verfahren nicht nützen.
Und nun, meine Damen und Herren, zum Fall Bielig selbst! Mögen Sie so oder so zur strafrechtlichen Bewertung des Aufsatzes stehen: fest steht doch, daß der Abgeordnete Bielig seinen Artikel berichtigt hat.
Er hat in diesem Berichtigungsartikel alles erklärt, was er auf Grund der Stellungnahme des angegriffenen Ministers erklären konnte und — ich sage es ausdrücklich — erklären mußt e. Damit ist doch die Sache ausgeräumt, soweit sie einen politischen Charakter hatte. Damit ist doch die Möglichkeit gegeben, daß einer, wenn der Artikel zitiert werden sollte, demgegenüber die Berichtigung zitieren kann. Damit ist doch alles, was in dieser Angelegenheit an Politischem stecken konnte, weg; und wenn Sie, meine Damen und Herren, Wert darauf legen, daß der Abgeordnete Bielig trotzdem und
justament bestraft wird, weil nun einmal die Möglichkeit gegeben ist, ihn vor das Schöffengericht zu ziehen, so verstehe ich das nicht recht. Ein solches Eifern steht dieser Sache nicht an. Sie hätten Gelegenheit genug gehabt, in anderen Fällen solchen Eifer an den Tag zu legen.
Bedenken Sie doch, meine Damen und Herren, wann die ganze Geschichte passiert ist! Der Artikel ist doch mitten in der Hedler-Krise, oder sagen wir doch: im Hedler-Skandal geschrieben worden.
— Vorher ist er geschrieben worden?
— Gut, meine Damen und Herren, dann möchte ich Sie auf etwas hinweisen, was Ihrem Antrag die letzte Berechtigung nimmt: Herr Hedler, von dem Sie nicht bestreiten werden, daß er Aussagen ähnlich denen, die Kollege Bielig dem Minister Seebohm in den Mund gelegt hat, getan hat, hatte damals noch das Vertrauen Ihrer Partei.
Sie können es dann doch einem Abgeordneten einer anderen Partei nicht so sehr übelnehmen, daß er ein Verhalten, das Herr Hedler an den Tag gelegt hat — nicht erst in Neumünster, wo man ihn fassen konnte, sondern schon lange vorher, Frau Abgeordnete Kalinke —, auch bei anderen Mitgliedern Ihrer Partei mindestens für möglich hielt.