Rede von
Dr.
Herwart
Miessner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DRP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Namens der Deutschen Reichspartei habe ich folgende Erklärung abzugeben:
Erstens: Der Herr Bundeskanzler hat in seiner heutigen Rede vor dem Bundestag ausgeführt, daß man die Frage des Eintritts in den Europarat und die Frage der Saarkonventionen nicht als gleiche Größen nebeneinanderstellen könne. Das mag bei äußerlicher Betrachtung so scheinen. Wesentlicher aber ist uns, die wir als einzige Partei die nationale Rechtsopposition darstellen, der Geist, der sich in der erwähnten Saarkonvention offenbart hat. Der Kanzler selbst hat vor einigen Wochen in schärfster Form die französischen Methoden bei Behandlung der Saarfrage gebrandmarkt. Wir können nicht umhin, hier an dieser Stelle festzustellen, daß der Geist der Verständigung innerhalb des französischen Volkes noch nicht die notwendigen Fortschritte gemacht hat, die zu einer so festen gegenseitigen Bindung, wie sie der Europarat darstellt, erforderlich sind. Es will uns geradezu als ein Fanal erscheinen, wenn im Augenblick, in dem man sich anschickt, Europa zu formen, von den verantwortlichen Staatsmännern Frankreichs ein solcher Giftpfeil wie die Saarfrage auf das deutsche Volk abgeschossen wird, der nun wie ein Keil zwischen den beiden Völkern sitzt. Die Deutsche Reichspartei kann sich daher nicht der Argumentation des Herrn Bundeskanzlers anschließen, der die Bedeutung der Saarfrage in ihrem tieferen Kern zu verkleinern suchte.
Zweitens: Der Herr Bundeskanzler hat am Schluß seiner Ausführungen gesagt, daß derjenige, der gegen den Eintritt in den Europarat stimmt, sich zwar nicht unbedingt für den Osten, aber jedenfalls gegen den Westen erklärt. Unsere Antwort dazu ist folgende: In der Politik ist — wie wir es ja aus dem Tauziehen um den heutigen Termin selbst erlebt haben, nämlich vor oder nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen — oft nicht die Entscheidung selbst, sondern ist manchmal noch mehr der Zeitpunkt der Entscheidungen von wesentlichster Bedeutung. Man kann nicht durch die Annahme einer Einladung zu ungelegener Zeit politisch ungünstige Folgerungen auf sich nehmen. Das aber täten wir, wenn wir uns durch diese Einladung zum Beitritt in den Europarat nicht nur das Gesetz des Handelns, sondern sogar den Zeitpunkt des Handelns vorschreiben ließen.
Drittens: Die Deutsche Reichspartei sagt sehr wohl ja zu Europa. Wir wollen aber lieber ein halbes Jahr später als gleichberechtigter Partner in den Europarat eintreten als heute durch ungleiche Bedingungen einen Start, der für uns und unsere Kindeskinder bindend sein wird, beginnen. Die Frage der Souveränität ist kein leeres Wort. Das Blut unseres deutschen Volkes steht auf dem Spiel! Treten wir erst einmal ohne volle Souveränität, d. h. unter ungleichen Bedingungen, in den Europarat ein, so sind wir nicht mehr Herr der Entscheidung über Krieg und Frieden und damit den Einsatz
!unseres eigenen Blutes, wie heute morgen schon an dieser Stelle gesagt worden ist. Gerade die Deutsche Reichspartei aber, die einen sehr großen Teil der ehemaligen Berufssoldaten vertritt, muß dieses mit aller Deutlichkeit hier klarstellen.
Ich fasse zusammen: Der Giftpfeil der Saarkonvention sowie die noch immer bestehende Diffamierung Deutschlands mit den sich daraus ergebenden Folgerungen sind unserer Meinung nach nicht dazu angetan, heute schon eine geeignete Grundlage für eine wirkliche Völkerversöhnung der beiden Völker Frankreichs und Deutschlands zu bilden, die wir an sich mit ganzem Herzen bejahen. Die Deutsche Reichspartei warnt daher die Bundesregierung nachdrücklichst vor einem vorzeitigen Eintritt in den Europarat. Sie wird bei der Abstimmung gegen den Eintritt stimmen.