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    Deutscher Bundestag. — 68. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Juni 1950 2457 68. Sitzung Bonn, Dienstag, den 13. Juni 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 2457C, 2502D Mandatsniederlegung des Abg. Dr. Schlange-Schöningen 2457C Eintritt des Abg. Horn in den Bundestag 2457C Anfrage Nr. 76 der Fraktion der FDP betr. Verwendung der als erste Hypothek ausgegebenen ERP-Mittel (Drucksachen Nr. 92G und 1012) 2457C Anfrage Nr. 81 der Fraktion der BP betr. Abkommen über die Inanspruchnahme von privatem Wohnraum und von Hotels durch die Besatzungsmächte (Drucksachen Nr. 959 und 1015) 2457D Interfraktionelle Erklärung betr. Gebiet östlich der Oder-Neiße-Linie 2457D Löbe (SPD), Alterspräsident . . 2457D Dr. von Brentano (CDU) (zur Geschäftsordnung) 2458B Abstimmung 2459A Unterbrechung der Sitzung 2458C, 2459A Ausschluß des Abg. Reimann für 30 Sitzungstage 2458D Unterbrechung der Sitzung . 2458D Erste und zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Eu- roparat (Drucksache Nr. 984) 2459B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 2459B Dr. von Brentano (CDU) 2466D Dr. Schumacher (SPD) 2470B Dr. Schäfer (FDP) 2478B Dr. Seelos (BP) 2481A Blücher, Vizekanzler 2484D Frau Wessel (Z) 2485B Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 2490A Dr. von Merkatz (DP) 2493B Tichi (WAV) 2496A Nuding (KPD) 2496C Dr. Miessner (DRP) 2500C Clausen (SSW) 2501B Dr. Dorls (SRP) 2501B Dr. Leuchtgens (DRP) (Persönliche Bemerkung) 2502C Nächste Sitzung 2502D Die Sitzung wird um 9 Uhr 24 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Gebhard Seelos


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin glücklich, daß mein Vorredner wieder die Note angeschlagen hat, die ich von dieser so wichtigen, hochpolitischen Debatte erwartet habe; denn das Blitzen und Donnern der politischen Olympier interessiert uns nicht so sehr. Es handelt sich
    hier nicht um parteitaktische Fragen es handelt sich
    um eine europäische Frage und nicht um die des nordrhein-westfälischen Wahlkampfes.

    (Sehr gut! rechts. — Abg. Zinn: Der Kanzler ist leider weg, Herr Seelos! Er hört es nicht!)

    Ich möchte mich auch nicht in solchen Polemiken ergehen, sondern diese Schicksalsfrage des deutschen Volkes behandeln; denn seit langen Jahren hat es keine so packende Idee wie diese europäische Idee gegeben. Damit sie nicht bloß ein Wunschtraum bleibe, sondern Verwirklichung finde, muß man ganz nüchtern und realistisch die Schritte tun, die uns Stück für Stück diesem Ziel näherbringen.
    Aus diesem Grunde muß man den Schuman-Plan so sehr begrüßen, weil er eine praktische Tat zur Durchführung dieser europäischen Idee bedeuten kann. Wir sind allerdings der Überzeugung, daß ohne eine grundsätzliche Bejahung der politischen Europaidee auch eine wirtschaftliche Vereinigung und Zusammenarbeit Europas nicht verwirklicht werden kann. Eine übernationale Organisation, ein europäischer Bund ist schon deshalb notwendig, weil all die bereits bestehenden internationalen Organisationen in Europa wie das Marshallplanbüro der OEEC oder das künftige Büro des Schuman-Plans für die europäische Stahl-, Eisen- und Kohlenbewirtschaftung nicht im luftleeren Raum ohne demokratische Kontrolle als übergeordnete Wirtschaftsbehörden über den europäischen Staaten fungieren können.
    Man soll sich auch hüten, wie es eben Herr Schumacher so stark hervorgehoben hat, dieses künftige Europa als eine dritte Macht zwischen den zwei Weltmächten USA und Sowjetrußland und als eine Art arbiter mundi gestalten zu wollen. Wir haben nun einmal die alte Machtstellung Europas in einer tragisch-grandiosen Selbstzerfleischung verspielt und müssen nur danach trachten, nicht in völlige Abhängigkeit von anderen außereuropäischen Mächten zu kommen. Wir wollen den europäischen Lebensstil wahren, die ethischen und kulturellen Lebensnotwendigkeiten Europas sichern und die wirtschaftlichen Grundlagen erneuern. Dieses Europa darf keinesfalls in einem Gegensatz zu den Vereinigten Staaten von Amerika gebildet werden, sondern in gemeinsamer Zusammenarbeit. Nichts könnte der europäischen Idee mehr schaden, als wenn ihr Pate, die Vereinigten Staaten, das Gefühl bekämen, Europa wolle sich nur mit amerikanischen Geldern und Mitteln als wirtschaftlicher und politischer Konkurrent einigen. Wir dürfen nicht den Enthusiasmus brechen, mit dem die Vereinigten Staaten ihre junge Macht in den Dienst des Wiederaufbaues der Welt und besonders von Europa stellen. Wir wollen ihnen den Glauben an ihre Sendung lassen, für die wirtschaftliche und politische Integration Europas verantwortlich zu sein. Andererseits dürfen es uns aber die Amerikaner nicht verargen, wenn wir unsere europäische Tradition, unser Denken und Fühlen erhalten wollen. Es ist für uns vielleicht das letzte köstliche Gut, die abendländische Kultur im Rahmen einer notwendigen wirtschaftlichen Existenzsicherung zu erhalten, wenn schon die Vereinigten Staaten die europäische Ordnung der Welt abgelöst haben.
    Zusammen mit den Vereinigten Staaten wollen wir eine atlantische Gemeinschaft bilden und aus dem militärischen Begriff des Atlantikpakts herauskommen. Durch den beschlossenen Beitritt Amerikas und Kanadas zur Marshallplanorganisation der OEEC wird der Wille dargetan, so wie es in anderer Form Bidault in seiner Atlantikidee tut, daß die atlantische Gemeinschaft keineswegs bloß eine militärische Basis haben soll. Nur eine friedliche atlantische Gemeinschaft wollen wir durch unseren Beitritt zum Europarat stärken, und wir weisen entschieden die Idee zurück, daß der Beitritt zum Europarat den Auftakt für die Einbeziehung in den atlantischen Militärpakt bedeute. Es ist gut, daß der Bundeskanzler so eindeutige Erklärungen in dieser Hinsicht abgegeben hat.
    Wenn wir uns zu einem Beitritt in den Europarat entschließen. dann wollen wir nachdrücklich unterstreichen. daß es keinen europäischen Bund, kein einiges Europa und keinen Europarat gibt, wenn nicht unter gleichberechtigten Staaten. In dem Kampf regen die kommunistische Unfreiheit kann es kein Europa von freien und unfreien Staaten geben. Formal kann man wohl damit operieren, daß das Besatzungsstatut keine auswärtige deutsche Politik und keinen deutschen auswärtigen Minister versehe. daß daher eine Vertretung Deutschlands im Ministerrat in Straßburg technisch gar nicht möglich sei. Materiell bleibt jedenfalls eine Unterscheidung zwischen souveränen Staaten und einem nichtsouveränen Deutschland bestehen, die eben mit der Europaidee unvereinbar ist.
    Allerdings entspricht diese Unterscheidung der tatsächlichen Lage, und hier möchte ich im Gegensatz zum Herrn Bundeskanzler doch darauf hin-


    (Dr. Seelos)

    weisen, daß uns im Petersberger Abkommen keineswegs auch nur annähernd unsere Souveränität zurückgegeben wurde. Die verschiedenen Eingriffe der Hohen Kommissare schon acht Tage nach dem Beginn der Bundesrepublik und dem Amtsantritt der Regierung in der Kohlenpreisfrage reden eine deutliche Sprache. Praktisch ist die Wirksamkeit der Bundesregierung nur insoweit verstärkt, als sie jetzt, ohne ein Veto der Hohen Kommissare befürchten zu müssen, etwa bestimmen kann, ob es in Deutschland eine Sommerzeit geben soll oder nicht.
    Was soll denn unser Volk davon halten, wenn wir unter Friedensschalmeien in die Straßburger europäische Familie einziehen sollen und gleichzeitig im sechsten Jahre nach Kriegsende die Hämmer und Bohrer ertönen, die große deutsche Werke wie das Werk in Töging am Inn, bei Krupp, in Watenstedt-Salzgitter und an anderen Orten demontieren? Wie soll das Volk an eine übernationale europäische Stahl- und Kohlenbehörde glauben, wenn noch heute das modernste Edelstahlwerk demontiert wird und wir von vornherein mit einem großen Handicap in diese europäische Wirtschaftsbehörde eintreten sollen?
    Die Alliierten machen gemäß dem Kommuniqué der Londoner Konferenz vom Mai 1950 dann weitere Zugeständnisse in bezug auf die Wiederherstellung der deutschen Souveränität, wenn wir unsere demokratische Gesinnung beweisen. Dazu möchte ich folgendes sagen: Die Alliierten müssen uns eine demokratische Gesinnung ermöglichen.
    Der Aufbau Deutschlands im Rahmen des Marshallplanes und Demontage schlagen sich gegenseitig tot. Demontage und Remontage der demontierten Werke mit Hilfe von Marshallplangeldern sind ein wirtschaftlicher Unsinn und eine Vergeudung von Kapital. Die Prozesse und die Verurteilungen von deutschen Kriegsangeklagten sechs Jahre nach Kriegsende unter völlig unzureichender Beweisführung sind unfaßlich. Der Verkauf der Botschaften gerade kurz vor der Zeit, in der man uns verspricht, daß wieder deutsche auswärtige Vertretungen möglich sind, ist ein Widerspruch. Die Beschlagnahme von 400 000 Wohnräumen in der beschränkten deutschen Westrepublik durch die Besatzung ohne jede Vereinbarung, ohne jede Besprechung mit den Deutschen, die Bundesgenossen sein sollen, ist nicht mehr tragbar. Es lassen sich immer erneute Beispiele für den Widerspruch und die Unlogik der Besatzungspolitik nachweisen, die den Glauben an die demokratischen Kräfte im deutschen Volke schwächen müssen und die Erziehung des deutschen Volkes zur Demokratie erschweren. Zum Beispiel erscheint auch die Schaffung einer zentralen Bundespolizei als ein Widerspruch, nachdem man kurz vorher, vor wenigen Wochen, in einem großen Land, nämlich in Bayern, eine Zentralisierung der Landespolizei verboten hat, weil sie den Sicherheitsbestimmungen widerspreche.
    Wir bitten die Hohen Kommissare nachdrücklich, uns endlich von den Widersprüchen der alliierten Besatzungspolitik im sechsten Jahre nach Kriegsende zu befreien und den Weg zu einer Völkerversöhnung freizumachen. Das deutsche Volk will heraus aus seiner erdrückenden Enge. Die Jugend will endlich wieder Ideale sehen, und zwar ohne unnötig harte Belastungen, für die sie kein Verständnis hat und die sie nur verbittern. Man soll nicht Leuten wie Remer und Hedler Wasser auf ihre Mühlen gießen. Die Alliierten machen uns aber wehrlos gegen solche Bewegungen, wenn sie ihre derzeitige Politik nicht beschleunigt revidieren.
    Mit tiefer Besorgnis hat es uns erfüllt, daß der Herr Bundeskanzler zu der gleichen Zeit, in der der Beschluß der Bundesregierung zum Eintritt in den Europarat erfolgte, es für richtig gehalten hat, eine zentrale Bundespolizeibehörde von 25 000 Mann Stärke bei den Alliierten zu beantragen.

    (Zurufe von der CDU: Was hat das mit dem Europarat zu tun?)

    Ich erinnere den Bundestag daran, wie die Bayernpartei aufs schärfste angegriffen worden ist, weil sie von ihrem verfassungsmäßigen Recht Gebrauch gemacht hat, eine Verfassungsänderung auf strafrechtlichem Gebiet zu beantragen. Nun wendet sich Bundeskanzler Adenauer, ohne vorher den Bundestag zu fragen, ohne vorher die Länder zu befragen oder auch nur zu informieren, an die Alliierten und verlangt mit dieser zentralen Polizei eine Verfassungsänderung, die an die Grundlagen der deutschen Bundesrepublik greift. Ich bin überzeugt, daß die Verfassung überhaupt nicht zustande gekommen wäre, wenn die Polizeizuständigkeit, die Polizeibefugnisse nicht den Ländern vorbehalten geblieben wären; denn sicherlich hätten sich dann nicht nur Bayern, sondern auch mehr als drei andere Länder mit einer solchen Regelung nicht abgefunden.
    Wenn die Alliierten noch heute Besatzungsrecht
    unserem Verfassungsrecht vorgehen lassen, dann
    mögen sie das mit ihrem demokratischen Gewissen
    vereinbaren. Es ist aber unerträglich, wenn der
    deutsche Bundeskanzler über die Alliierten gewichtige Rechte der Länder beseitigen will. In diesem Vorgehen hat der Bundeskanzler alle Thesen
    der Bayernpartei von den hemmungslosen zentralistischen Kräften der Bonner Regierung bestätigt.
    Was will der Kanzler mit 25 000 Mann Bundespolizeitruppen? Es ist doch wohl kaum anzunehmen,
    daß er so viele Doppelposten für die Bundesbehörden benötigt. Oder glaubt er, nur dann mit Sicherheit einer erfolgreichen Arbeit huldigen zu können,
    wenn er eine eigene Truppe im Lande seines befreundeten Ministerpräsidenten Arnold unterhält?

    (Zurufe von der CDU: Europa!)

    Woher — so fragt man sich weiter — hat der Herr Bundesfinanzminister, der für die Kriegsopfer die Gelder nicht hat, die 200 Millionen, die die Einrichtung dieser 25 000 Mann starken Polizei erfordert? Was sagen die aus Bayern kommenden Bundesminister und Staatssekretäre zu diesem Vorgehen?

    (Wiederholte Zurufe von der CDU: Europa!) Sind diese Entwürfe mit Zustimmung des für die Polizeiangelegenheiten zuständigen Staatssekretärs von Lex gemacht worden?


    (Erneute Zurufe von der CDU.)

    Die Bundesregierung sollte aber vor allem bedacht sein, nicht den naheliegenden Verdacht einer anderen Verwendung dieser Polizeitruppe aufkommen zu lassen.

    (Zurufe von der CDU: Europa!)

    Wenn die Polizei verfassungsmäßig auf die Länder dezentralisiert wird und ihnen die etwa erforderliche kasernierte Bereitschaftspolizei zugewiesen wird, hat ein solcher Verdacht keine Berechtigung. Wenn Acheson vor einigen Tagen erklärt hat, daß die Vereinigten Staaten weiterhin an der Entmilitarisierung Deutschlands festhalten werden, dann kann nur bei einer solchen Handhabung der Poli-


    (Dr. Seelos)

    zeifrage ein etwa bestehender internationaler Verdacht entkräftet werden.
    Wenn mir wiederholt zugerufen wurde: „Europa", dann kann nicht ich etwas für diese Verquikkung, sondern dann soll die Bundesregierung nicht am gleichen Tage, an dem sie den Eintritt in den Europarat beschließt, 25 000 Mann Polizeitruppe beantragen. Sonst hat das einen suspekten Hintergrund.
    Außer diesen Belastungen, mit denen Deutschland in den Europarat eintreten muß, ist auch noch auf das unnötige Vorgehen der französischen Regierung in der Saarfrage hinzuweisen, wie es die anderen Redner schon getan haben, das es den Deutschen nicht leicht macht, den Beitritt zu erklären. Immerhin bleibt die Hoffnung, daß der geniale Schritt Schumans eine Korrektur des deutschfranzösischen Verhältnisses im europäischen Rahmen bringt, so daß politische Rivalitäten alten Stils ihrer Bedeutung entkleidet werden. Wir wollen ferner hoffen, daß im Zeichen dieser Zusammenarbeit jedenfalls von Frankreich keinerlei Schritte in der Saarfrage erfolgen, die eine erneute Erschwerung der Situation erbringen würden. Ich weise, wie es schon verschiedene Herren getan haben, auf solch gefährliche Reden hin, wie sie der Kommissar Grandval jüngst gehalten hat. Vielleicht hätte man dem gleichzeitigen Beitritt der Saar etwas von seiner Bedeutung nehmen können, wenn man versucht hätte, Berlin, solange es nicht als zwölftes Land seinen Platz im Rahmen der Abordnung der deutschen Bundesrepublik einnehmen kann, gesondert bis zur Friedensregelung in den Europarat aufnehmen zu lassen.

    (Abg. Neumann: Hört! Hört!)

    Zusammenfassend möchte ich sagen, daß es uns weder die Alliierten mit ihrer Besatzungspolitik noch der Herr Bundeskanzler mit seiner Regierungspolitik leicht machen, uns zu dem Beitritt zum Europarat zu bekennen und daß es eben manchen zu schwer wird, ein Ja zu sagen, und daß sich diese der Stimme enthalten werden. Wir sehen
    aber im großen Ganzen in unserer Not keinen anderen Ausweg als Europa. Wir sehen keine Alternative unserer Außenpolitik. Herr Schumacher hat uns auch keine genannt, sondern nur gesagt, daß wir noch einige Jahre warten sollen.
    Wir lehnen den Kommunismus ab, der das Ende unseres individuellen Lebens wäre. Wir wollen auch nicht bloß ein Brückenkopf Nordamerikas sein. Wir besitzen aber nicht den Wunderstab Moses', der ein neutrales Deutschland gegen die zwei Weltmächte gefeit erscheinen läßt. Deshalb kommen wir trotz aller Bedenken zu der Bejahung des Beitritts.
    Insbesondere schreckt uns das Nein Schumachers, las er eben wieder ausgedrückt hat; denn Schumacher hat in der ganzen Nachkriegszeit die Staatwerdung der deutschen Bundesrepublik nur verzögert, und seine politischen Ansichten sind durch lie jeweilige Entwicklung immer widerlegt worden.

    (Widerspruch bei der SPD. — Zuruf des Abg. Neumann.)

    — Das war bereits in den letzten Nachkriegsjahren bewiesen!


Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Wenn Sie von einem Kollegen sprechen, bitte ich, zu sagen: Herr Kollege.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gebhard Seelos


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BP)

    Das geschah bereits im Frühjahr 1947, als Herr Schumacher ein Veto gegen
    die Zusammenkunft der deutschen Ministerpräsidenten in München einlegte. Die Idee war aber zu gut und zu richtig, als daß die Konferenz nicht auch gegen den Widerstand Schumachers zustande gekommen wäre. Aber immerhin hat er es fertiggebracht, daß die damals schon geplante Repräsentanz des deutschen Volkes durch die Ministerpräsidenten verhindert wurde, scheiterte und die Staatwerdung eines wahrhaft föderalistischen Deutschlands weiter hinausgezögert wurde.
    Dann, im Frühjahr 1948, hat Schumacher seinen Widerstand gegen die Bildung eines westdeutschen Staates beibehalten, der allein eine Rettung aus den damals unerträglichen Zuständen des Hungers und der wirtschaftlichen Auflösung bedeutet hat. Schließlich war es der Einsicht der Berliner und insbesondere von Oberbürgermeister Reuter zu danken, daß gerade im Interesse des deutschen Ostens die Notwendigkeit der Schaffung eines Weststaates sich gegen Herrn Schumacher durchsetzte.

    (Lachen bei der SPD.)

    Dann, wieder im Frühjahr 1949, hat Herr Schumacher monatelang eine wahrhaft föderalistische Bundesverfassung bekämpft und die Staatenbildung der deutschen Bundesrepublik wiederum verzögert.

    (Zuruf von der SPD: Aha! Das stimmt!)

    „Lieber kein Deutschland als ein föderalistisches Deutschland!", das war das Motto in der Odeonstraße in Hannover.

    (Lachen bei der SPD.)

    Und jetzt ist Schumacher wieder gegen einen Beitritt zum Europarat, ohne uns eine Alternative aufzuzeigen. Es ist doch eine Utopie, daß wir so lange warten können, bis das gesamte Deutschland beisammen ist.

    (Zuruf von der SPD: Das sagt doch kein Mensch!)

    — Das hat er mehr oder weniger gesagt. Diese Politik Herrn Schumachers ist wahrhaft verhängnisvoll für Deutschland.

    (Na! Na! bei der SPD.)

    Es ist interessant, daß gerade die Kreise in der SPD, die die engste Verbindung mit der öffentlichen Meinung der Welt haben,, wie die Bremer und die Hamburger Kreise, und daß gerade auch die Berliner in ihrer Isolierung, in ihrer engen Zusammenarbeit mit den Alliierten zur Behauptung dieses europäischen Vorpostens gegenüber dem Osten diejenigen sind, die - in der Mehrzahl — Herrn Schumacher widersprechen.

    (Zuruf von der SPD: Nicht die Hamburger, mein Herr!)

    — Herr Schumacher, lesen Sie doch die Rede Breitscheids anläßlich des Beitritts zum Völkerbund im Jahre 1925, der damals in flammenden Worten die Abgeordneten des Reichstags beschwor, von dieser Gelegenheit zur internationalen Zusammenarbeit Gebrauch zu machen.

    (Zurufe von der SPD.)

    Auch damals war die volle Gleichberechtigung Deutschlands nicht sofort gesichert, obwohl es damals weit mehr als heute über eine volle außenpolitische Handlungsfähigkeit verfügte.

    (Zuruf von der SPD: Na eben!)

    Damals stimmten die Deutschnationalen dagegen.
    Heute scheinen nun 130 Abgeordnete trotz aller


    (Dr. Seelos)

    Gegengründe der Weisung Schumachers zu folgen.

    (Lachen bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Welcher Weisung?)

    Aber irgendwo muß ja auch in Deutschland die preußisch-deutsche Tradition der absoluten Kommandogewalt ihre Heimstätte haben.

    (Lachen bei der SPD. — Abg. Arnholz: Unglaublich!)

    Und so weit, Herr Schumacher, kann die inner-politische Ablehnung Adenauers doch nicht gehen, daß Sie darob außenpolitische Notwendigkeiten zur Verbesserung der Lage unseres Volkes preisgeben, Vorteile, die Sie, wenn Sie an der Regierung wären, als großen Erfolg buchen würden. Oder kann man dieses Europa und seinen ersten mutigen Schritt, den Schuman-Plan, bloß deshalb ablehnen, weil er nicht Ihrer Idee eines sozialistischen Europa entspricht?
    Welches sind denn die Gründe für den Eintritt? Wo können wir besser für eine Lösung der Saarfrage wirken als innerhalb des Europarats, als in dauerndem Kontakt mit den friedlichen europäischen Staaten? Wo können wir die Unlogik der jetzigen Besatzungspolitik mit ihren Diskriminierungen und Härten besser aufzeigen als in einer Institution gleichberechtigter Staaten?

    (Lebhafte Zurufe von der SPD.)

    Wie können wir für unsere Heimatvertriebenen eher Hilfe finden, als daß wir endlich für dieses unser schwerstes Problem das Ohr der Welt gewinnen? Da drüben in Amerika haben wir festgestellt, daß selbst einflußreiche politische Kreise überhaupt nicht wissen, daß wir in Westdeutschland 8 Millionen Heimatvertriebene haben. Wo können wir besser hoffen, einen Ersatz für die einseitig Deutschlands Souveränität beengende Ruhrbehörde zu finden? Wie könnten wir uns wirtschaftlich schneller erholen und unseren Produktionsindex auf gleiche Ebene mit den weit vorgeschrittenen anderen europäischen Staaten bringen als in einem wirtschaftlich einheitlichen Europa? Wir denken nicht daran, in der Europaidee nur eine Ausflucht zu suchen. um unsere Lasten auf Europa abzuwälzen, um einen europäischen Lastenausgleich zu propagieren. Unsere vier Millionen Toten. unsere Kriegsgefangenen, unsere Kriegsversehrten und unsere Ruinen kann uns kein europäisches Land abnehmen. Aber man kann zum Beispiel einen gewissen Ausgleich unseres Bevölkerungsüberschusses oder unseres Kapitalmangels finden.
    Ein deutsches Nein, wie es Schumacher vorschlägt, bringt uns um all diese Möglichkeiten, und wir sehen eben die Gefahr, daß wir den Zeitpunkt versäumen könnten, in dem der Aufbau Europas mit der notwendigen Hilfe der Vereinigten Staaten noch möglich ist, die vielleicht selbst einmal nicht mehr willens oder in der Lage sind, weiterhin so großzügig Mittel nach Europa zu geben.
    Weiter sehen wir in einem europäischen Bund die Sicherung gegen eine sich neu bildende preußisch-deutsche Kommandostelle. Wenn schon Herr Adenauer so zentralistische Touren reitet wie bei der Bundespolizei, dann wäre ein Kanzler Schumacher das totale Ende des Föderalismus.

    (Lachen bei der SPD.)

    Wir wünschen, daß dieser übergeordnete europäische Bund möglichst stark und umfassend
    wird, damit sich in der deutschen Bundesrepublik nicht mehr ein undemokratischer Kommandogeist bilden kann, der uns abstößt.
    Schließlich denken wir ganz einfach folgendes. Nun haben wir jahrelang gewartet, wir waren draußen vor den Türen der Welt, wir haben noch vor kurzem nicht hoffen können. daß wir so bald wieder in der europäischen Völkerfamilie mitarbeiten können. Das hat auch Herr Schäfer bereits zum Ausdruck gebracht. Wir haben jetzt die berechtigte Hoffnung. mit diesem Schritt auch bald unsere völlige Gleichberechtigung zu erhalten.

    (Zurufe von der SPD.)

    In diesem Augenblick sollten wir nein sagen? Allerdings richten wir an die Alliierten den dringenden Appell: Geben Sie uns schon jetzt die Zusicherung, daß die im September sich füllende Jahresfrist für die Änderung des Besatzungsstatuts zur Wiederherstellung unserer nationalen Souveränität führen wird und daß wir als Völkerrechtssubjekt auch wieder eine eigene Außenpolitik fuhren können. Wenn der heutige Schritt in möglichst großer Geschlossenheit und Einigkeit erfolgt, dann werden auch die Alliierten nicht zögern, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.
    Nun besteht wohl bei allen Parteien, mit Ausnahme der Kommunisten, Einigkeit in der grundsätzlichen Bejahung der Europaidee, nicht aber in der Frage des Eintritts in den Europarat. Könnte nicht folgender Gedanke die Bedenken der SPD ausräumen? Ich meine. daß wir zwar den Europarat betreten, die 18 Abgeordneten wählen. sie auch nach Straßburg entsenden, daß diese aber dort als stumme Beobachter in der beratenden Versammlung bleiben, bis der deutschen Bundesrepublik die volle Gleichberechtigung zugestanden wird.

    (Zuruf von der SPD: Sie haben vorhin ganz anders geredet!)

    Stumme Beobachter und ein stummer Vorwurf! Sollte eine dahingehende Erklärung auf Änderung des Besatzungsstatuts im September durch die Alliierten schon jetzt erfolgen, dann wäre die Situation wesentlich erleichtert. Jedenfalls sollten wir einer so großen Idee und so viel gutem Willen von amerikanischer und französischer Seite dadurch begegnen. daß wir im Bundestag irgendeine Lösung finden, um diesen Staater in der Gestaltung Europas mitzuhelfen.
    Da wir als Volk weiter bestehen und leben wollen, bejahen wir den Europarat als die notwendige Lebensgemeinschaft der europäischen Völker, als Schutz vor dem Aufleben veralteter Nationalismen, als Pfand für die Erhaltung des Friedens.

    (Lebhafter Beifall bei der BP und bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der SPD: Das war ein richtiger Schuhplattler!)