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ID0106801700

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    Deutscher Bundestag. — 68. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Juni 1950 2457 68. Sitzung Bonn, Dienstag, den 13. Juni 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 2457C, 2502D Mandatsniederlegung des Abg. Dr. Schlange-Schöningen 2457C Eintritt des Abg. Horn in den Bundestag 2457C Anfrage Nr. 76 der Fraktion der FDP betr. Verwendung der als erste Hypothek ausgegebenen ERP-Mittel (Drucksachen Nr. 92G und 1012) 2457C Anfrage Nr. 81 der Fraktion der BP betr. Abkommen über die Inanspruchnahme von privatem Wohnraum und von Hotels durch die Besatzungsmächte (Drucksachen Nr. 959 und 1015) 2457D Interfraktionelle Erklärung betr. Gebiet östlich der Oder-Neiße-Linie 2457D Löbe (SPD), Alterspräsident . . 2457D Dr. von Brentano (CDU) (zur Geschäftsordnung) 2458B Abstimmung 2459A Unterbrechung der Sitzung 2458C, 2459A Ausschluß des Abg. Reimann für 30 Sitzungstage 2458D Unterbrechung der Sitzung . 2458D Erste und zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Eu- roparat (Drucksache Nr. 984) 2459B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 2459B Dr. von Brentano (CDU) 2466D Dr. Schumacher (SPD) 2470B Dr. Schäfer (FDP) 2478B Dr. Seelos (BP) 2481A Blücher, Vizekanzler 2484D Frau Wessel (Z) 2485B Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 2490A Dr. von Merkatz (DP) 2493B Tichi (WAV) 2496A Nuding (KPD) 2496C Dr. Miessner (DRP) 2500C Clausen (SSW) 2501B Dr. Dorls (SRP) 2501B Dr. Leuchtgens (DRP) (Persönliche Bemerkung) 2502C Nächste Sitzung 2502D Die Sitzung wird um 9 Uhr 24 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist notwendig, die Debatte ein wenig auf ihren eigentlichen Sinn zurückzuführen.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Man muß sich nämlich über den eigentlichen Sinn der großen Entscheidung, die zu treffen ist, über das große Ziel, das in der Form und auf dem Wege einer europäischen Föderation zu verwirklichen ist, klarwerden. Ich weiß nicht, ob man mit einer Perlenkette von kasuistischen Teiluntersuchungen mehr oder weniger negativer Art in der Lage ist, die Bedeutung und Größe einer solchen Konzeption im ganzen zu würdigen.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Meine Damen und Herren, sehen Sie: hier, an diesem Hause fließt der Rhein vorbei. An diesem Rhein und in seinen Seitentälern und auf den Uferhöhen seiner Nebenflüsse finden Sie tausenderlei Spuren einer unglücklichen Vergangenheit; da finden Sie die Wundmale einer Auseinandersetzung, die tausend Jahre hindurch die europäischen Völker und vor allen Dingen Deutschland und Frankreich immer wieder gegeneinander aufgebracht und schließlich immer wieder zu wechselseitiger Schädigung und zu wechselseitiger Störung ihres Aufstiegs veranlaßt hat. Ich glaube, man sollte mehr von dieser Erinnerung und Erfahrung ausgehen und daraus den Versuch ableiten, die gesamt-europäische Entwicklung und den Weg der europäischen Föderation so positiv zu sehen, wie es nur möglich ist.
    Meine Damen und Herren, es ist am Anfang einer großen Wendung der Dinge zu einer neuen geschichtlichen Phase immer so, daß man das Ende nicht absehen kann und daß die ersten Stufen, die man beschreitet, unzulänglich sind. Tausenderlei Schwierigkeiten und Mühseligkeiten zeigen sich da. Die mangelnde Reife gegenüber der Größe eines Gedankens wird als menschliche Unzulänglichkeit sichtbar; tausend Widerstände und Widerwärtigkeiten treten auf. Es ist also eigentlich ungeheuer bequem und billig aneinanderzureihen, was denn nun noch alles unzulänglich und mangelhaft ist. Wenn man so in der Politik verfährt, dann wird man gegenüber dem großzügigen Entschluß kleinmütig und vergißt, die Kühnheit aufzubringen, die notwendig ist, um das Wagnis einer neuen Konstruktion, einer neuen Konzeption auf sich zu nehmen.

    (Lebhafter Beifall bei der FDP.)

    All diese Einwendungen, die im einzelnen gemacht worden sind, zu erörtern, lohnt sich also gar nicht. Sie sind bekannt, und sie sind ja im Grunde genommen selbstverständlich, weil wir erst im Beginn der Dinge stehen und weil unmittelbar nach einer furchtbaren Auseinandersetzung der Völker und Mächte ungeheure psychologische Hemmungen bestehen, weil in der Wandlung der wirtschaftlichen Struktur ungeheure Interessengegensätze vorhanden sind, die begreiflicherweise kreuz und quer wirken, das Bild undurchsichtig machen und jedem, der kritisieren will, billige und leichte Gelegenheiten geben, zu verwirren und herabzusetzen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Das Entscheidende, glaube ich, liegt in den Zusammenhängen, die ich eben anzudeuten wagte, indem ich auf den Wesenskern des Geschichtsbildes verwies, das uns der Rhein und sein Schicksal zwischen den europäischen Völkern zu vermitteln vermag. Weil wir also sehen, wie die Widerstände und die gefahrvolle Möglichkeit von Reibungsverlusten zwischen den europäischen Völkern und Mächten gerade aus einem Fortbestand deutsch-französischer Gegensätze traditioneller Art bisher herausgewachsen sind, gewinnen wir gerade die Einsicht, zu sagen: Trotz aller bestehenden Hindernisse, trotz all dieser Unzulänglichkeiten, trotz der großen Restbestände eines vergangenheitshörigen Denkens wollen wir in die neue Form dieser europäischen Föderation hineingehen. Da wollen wir beweiskräftig machen, daß wir gewillt sind, dem französischen Sicherheitsverlangen Rechnung zu tragen. Wir erwarten aber auf der anderen Seite auch die Möglichkeit, mit dem Eintritt in die europäische Föderation nun weitere Schritte zu tun und weitere Möglichkeiten zu höheren Stufen neuer deutscher Souveränität zu gewinnen. Wir bedauern dabei, daß sich in der jüngsten Vergangenheit immer deutlicher ein Zwiespalt zwischen verschiedenen Arten von europäischer Konzeption gezeigt hat. Da ist sehr deutlich in dem Zusammenhang mit den Erörterungen um den Schuman-Plan die Vorstellung einer kleineuropäischen Konzeption aufgetaucht; und da muß ich sagen: uns scheint sie nicht zu genügen. Wir werden auch da den vorläufig gangbaren Weg mitgehen und sind bereit, alles zu tun, um sein Ziel zu verwirklichen. Aber wir meinen, daß das größere Europa, das sich über den Kontinent hinaus ausdehnt, die eigentliche Grundlage einer echten gesamteuropäischen Entwicklung allein zu sein vermag.


    (Dr. Schäfer)

    Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner, Herr Dr. Schumacher, hat noch einmal sehr eineingehend die Saarfrage aufgegriffen und auf die Tatsache hingewiesen — da gehe ich mit ihm durchaus einig —, daß gegenüber dem Saargebiet ein politischer Akt vollzogen worden ist, der mit dem Gedanken der Demokratie und der Selbstbestimmung schlechterdings unvereinbar ist.

    (Sehr richtig!)

    Wenn wir den Weg nach Europa oder über Straßburg zu Europa zu gehen bereit sind, dann wiederholen wir durchaus die Rechtsverwahrung, die wir seinerzeit ausgesprochen haben, als wir uns in diesem Hause über die Saarangelegenheiten, über die Vorgänge, über die politische und wirtschaftliche Handhabung und Ordnung der Dinge an der Saar unterhielten. Und ich kann auch nicht unterlassen zu sagen, daß die Deutungen, die Herr Grandval dem Schuman-Plan über die Entwicklung einer saarländischen Wirtschaft gegeben hat, in keiner Weise den Vorstellungen entsprechen, die wir von der Realisierbarkeit einer gesamteuropäischen Entwicklung auch auf der Grundlage des Schuman-Plans haben.

    (Beifall bei der FDP.)

    Wenn wir so bei dieser Entscheidung über Straßburg an die Problematik denken, die wir im Westen auf uns nehmen müssen — wir haben sie nicht geschaffen, die Bundesrepublik hat sie nicht geschaffen; die Verhältnisse an der Saar sind im Gegensatz zu unserer Überzeugung damals hergestellt worden, als die Bundesrepublik hier überhaupt noch nicht vorhanden war; es ist also die Methode, den Konkursverwalter für die Schäden eines Bankrotteurs verantwortlich zu machen, die angewandt wird, wenn man nun den Eindruck zu erwecken versucht, als wenn Unterlassungen der Bundesregierung die saarländische Entwicklung, die doch vor nunmehr schon zwei oder drei Jahren begann, veranlaßt oder zugelassen hätten —,

    (Sehr gut! bei der FDP)

    meine Damen und Herren, so wie wir also im Blick auf den Westen keineswegs von Besorgnissen und Bedenken frei sind, sagen wir aber: nicht obgleich, wie es vorhin einer der Redner ausgesprochen hat, sondern gerade w ei 1 die Dinge da so unerfreulich sind, fühlen wir uns veranlaßt, den gesamteuropäischen Weg zu gehen. Wir erhoffen gerade dadurch die praktische Möglichkeit, Verständnis für die Unhaltbarkeit von Gebietsregelungen zu gewinnen und zu wecken, die im Westen im Saargebiet und auch in anderen Grenzgebieten, die man uns genommen hat, eingetreten sind. Sehen Sie, meine Damen und Herren, gerade zur Berichtigung dieser Vorgänge glauben wir, die europäische Gesamtentwicklung fördern zu müssen.
    Aber ebenso wie wir uns den westlichen Dingen zuwenden, ebenso haben wir natürlich auch den Blick auf den Osten gerichtet. Da ist der Einwand erhoben worden, die Entscheidung für die westliche Welt wäre so etwas wie eine Absage an die Gebiete, die unter dem Einflußbereich des neuen Byzantinismus des Ostens gekommen sind, es bedeute gewissermaßen eine Preisgabe der Deutschen in jenen Landen, wenn wir unsere Schritte und Blicke gen Westen richten.. Das Gegenteil ist der Fall. Bitte, können Sie sich vorstellen, daß, wenn es nach dem Rezept des Herrn Schumacher ginge, wenn nämlich Deutschland sich noch jahrelang irgendwie in eine splendid isolation versetzte und beharrte und seine nationalen Forderungen von der Wiederherstellung
    der Einheit Deutschlands nur deklamierte, daß dann irgendwie ein Schritt praktischer Art, irgendeine Gewichtsverlagerung zugunsten solcher Forderungen innerhalb der Mächtekonstellation der Gegenwart überhaupt denkbar und möglich wäre? Nein, aber indem wir uns in eine gesamteuropäische Kombination, in eine gesamteuropäische Kräftegruppierung einfügen, bewirken wir damit auch die Gewichtsbildung und die Gewichtsverschiebung, die geeignet ist, auch diese Probleme der Lösung näher zu führen. Sie ergeben sich übrigens nicht nur in den deutschen Gebieten, die jenseits! der Oder-Neiße-Linie oder innerhalb der sowjetischen Besatzungszone von uns abgespalten worden sind, sondern sie bestehen auch bei den westslawischen Völkern, die ja durch gleiche Bedingungen verhindert sind, sich ihren traditionellen abendländischen Lebensformen zuzuwenden.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    In diesem Zusammenhang kann ich hinzufügen: Wenn wir nach Straßburg gehen, dann bedeutet das keineswegs eine Verlagerung der Schwerpunkte unserer eigenen deutschen Entwicklung. Gerade in dieser Stunde grüßen wir die Stadt Berlin, grüßen wir die alte Reichshauptstadt, weil wir der Meinung sind, daß der Schritt nach Straßburg nicht eine Verabschiedung, sondern eine bessere Möglichkeit bedeutet, bald „Willkommen" zu sagen.

    (Beifall bei der FDP und CDU.)

    Ich habe mich bei den Ausführungen des Herrn Dr. Schumacher zu erkennen bemüht, welche besseren Wege er nun eigentlich gehen möchte. Es war mir aber nicht möglich, irgendeine konstruktive Vorstellung von einer Wandlung im europäischen Raum zu erkennen, irgendwelche gangbaren Formen, Wege und Pläne zu sehen.

    (Beifall bei der FDP und CDU.)

    Mit der bloßen Verneinung kann man doch keine Politik machen, vor allen Dingen nicht in einem Volk, das so in die Tiefe fürchterlicher Abgründe hineingestürzt ist und nun mühsam wieder heraufkommen muß. Es genügt z. B. doch nicht, zu verkünden, man wolle für die Besserung der sozialen Verhältnisse, für die Erhöhung des Lebensstandards eintreten. Wie ist denn der praktische Weg dazu? Sollen wir etwa die europäischen Wirtschaften in einer fast balkanisch zersplitterten und willkürlichen Abgrenzung und Gemengelage mit allen ihren Schwierigkeiten halten, durch die eine richtige und sinnvolle, ökonomische Nutzung der produktiven Kräfte vermindert wird? Liegt nicht gerade in der Ausweitung des Wirtschaftsraums, die sich ja aus einer europäischen Föderation ergeben kann und soll, eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Hoffnung, die Lebensverhältnisse und den Lebensstandard im westeuropäischen Raum so zu entwickeln, daß diese westliche Welt anziehend bleibt? Denn das, meine Damen und Herren, ist das Entscheidende: es ist nicht damit getan, daß man sich gegenüber dem Osten rein abwehrend verhält. Die entscheidende Wirkung gegenüber den abtrennenden und wegdrängenden Kräften, die im Osten wirksam sind, wird doch gerade dadurch ausgeübt, daß wir durch die Überlegenheit des Lebensstandards in unserem Gebiet ermöglichen, daß der Blick nach hier gerichtet bleibt bei allen Menschen, die noch nicht zu streben und zu hoffen aufgehört haben.

    (Zuruf von der SPD: Das bei Ihrer Marktwirtschaft?)

    — Gerade dadurch!

    (Zuruf von der SPD: Interessant!)



    (Dr. Schäfer)

    Meine Damen und Herren, es ist dann gesagt worden, man habe einen Trumpf aus der Hand gegeben, indem man sich bereit erklärte, nach Straßburg zu gehen und Mitglied des Europarates unter Voraussetzungen zu werden, die — das gebe ich zu — im Augenblick noch keineswegs befriedigend sind, die aber die Möglichkeit zu einer besseren und günstigeren Situation in keiner Weise ausschließen. Ich will Ihnen einmal etwas sagen, meine Damen und Herren! Grundsätzlich halte ich es für falsch, eine entscheidende Frage von einer solchen gestaltenden Bedeutung für die gesamte Entwicklung, ja, ich möchte sagen, für den Verlauf der Geschichte in den nächsten Jahrzehnten, zum Gegenstand eines Schachers, zum Gegenstand von Gewinn- und Verlustrechnungen im Geiste kleinlicher Krämer zu machen.

    (Beifall bei der FDP und CDU.)

    Im Grunde genommen legt man sich dabei selbst herein. Sehen Sie, Sie können vorher Bedingungen stellen und können sie zugestanden erhalten; nun, schön, selbst wenn Sie das wirklich erreichen, dann bedeutet das aber, daß damit das Optimum dessen festgelegt ist, was Sie erreichen können. Vor dem Eintritt begrenzte Bedingungen bedeuten die Beschränkung der eigenen Entfaltungsmöglichkeit nach dem Eintritt.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Meine Damen und Herren, Sie sehen also, von den Gründen und Einwänden, die hier angeführt worden sind, bleibt nur der eine übrig, nämlich der Vorwurf gegen den Herrn Bundeskanzler, daß er die Parteien der Opposition nicht ausreichend informiert und nicht genügend zur Mitberatung herangezogen hätte. Ich will jetzt gar keine Ausführungen über die Berechtigung oder Nichtberechtigung dieses Einwandes machen. Aber ich muß feststellen: Gegenüber der Größe unserer Entscheidung ist das geradezu ein lächerlicher Einwand.

    (Sehr gut! und Bravo! bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, wegen der Verärgerung über mangelnde Gespräche kann ich doch nicht einfach die Entwicklung der gesamteuropäischen Verhältnisse zu neuen Formen aufhalten und verneinen wollen.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der SPD: Sie scheinen sehr schlecht gehört zu haben!)

    Meine Damen und Herren! Ein paar Bemerkungen dann noch zu dem Schuman-Plan. Er bedeutet eine Erweiterung und eine Ergänzung der Entwicklungen, die in den bisherigen Ergebnissen des Europarates zu vermissen sind. Dem Europarat sind große Hindernisse bereitet worden. Sie wissen alle, es sind viel Widerstände gewesen, es ist mancherlei Unfreundlichkeit um ihn erwiesen worden. Der Schuman-Plan tritt da in eine Lücke ein. Er bedeutet nämlich eins: Durch eine einheitliche Verknüpfung und Verbindung der Grundstoffindustrien der Kohle- und Eisenerzeugung bedeutet er die Bildung eines stählernen Skeletts zwischen den europäischen Volkswirtschaften.
    Wenn man Frieden in einem bestimmten Raum sichern will, dann genügt es nicht, äußere Grenzen um ihn zu legen. Landschaften wachsen erst zusammen, wenn in ihnen gesellschaftliche Mächte lebendig werden, die kreuz und quer die Menschen in ihrem Raum verknüpfen und verbinden. In diesem Zusammenhang scheint uns der Schuman-Plan eine wesentliche Unterstützung und eine realistische
    Förderung dessen, was wir anstreben, wenn wir in den Europarat einzutreten bereit sind.
    Dabei sind wir uns darüber klar, daß sich hier bei falscher Ordnung der Dinge die Gefahr einer starken monopolistischen Machtkonzentration ergeben könnte. Hier wird es notwendig sein, Formen zu entwickeln für ein Höchstmaß freier Verbundenheit. Eines wird zuerst notwendig sein: mit Hilfe dieser Rohstoffplanung und der ihn tragenden und ihn vor allen Dingen zunächst einmal formenden Institutionen die Lücken zu schließen und die Mängel zu beheben, die sich bei der bisherigen Gestaltung des Europarates leider gezeigt haben.
    Meine Damen und Herren! Herr Dr. Schumacher hat ausgeführt oder hat sich sogar dagegen gewandt, daß man die Frage des Eintritts in den Europarat zum Gegenstand parteipolitischer Erwägungen mache. Wir sind in diesem Falle wirklich mit ihm einverstanden.

    (Abg. Dr. von Brentano: Ja!)

    Es geht heute nicht um die Frage, ob das innere Leben dieses künftigen Europas nach diesen oder jenen politischen oder gesellschaftlichen Prinzipien gestaltet wird.

    (Abg. Dr. von Brentano: Sehr richtig!)

    Wir sind sicherlich bereit, für unsere Überzeugungen auch in der europäischen Entwicklung einzutreten. Aber es geht jetzt nicht darum, ob irgendein Europa nun nach diesem oder jenem Rezept im Sinne dieses oder jenes Lehrgebäudes errichtet wird. Ich muß dazu sagen: ich las in der Zeitung eine Äußerung von Herrn Dr. Schumacher auf dem Parteitag in Hamburg, in der er ein Europa, das seine innere Gestaltung unter Umständen nicht im Sinne seiner Parteiideologien finden könnte, ablehnte und ein sozialistisches Europa forderte. Da hat er doch erkennen lassen, daß es im Grunde genommen parteipolitische Maßstäbe gewesen sind, die in starkem Maße die Absicht, zu dem Europarat hier im Bundestag „nein" zu sagen, mindestens zunächst angeregt und angereizt haben.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien. — Abg. Arnholz: Die bei Ihnen übliche Unterstellung! — Weiterer Zuruf von der SPD: Wie bei Ihnen, Herr Schäfer!)

    — Nein, meine Damen und Herren, das ist keine Unterstellung. Wissen Sie, nach meinem Eindruck befinden Sie sich in einer merkwürdigen Gefahr.

    (Zuruf von der SPD: Von Herrn Dehler!)

    — Nein, ich rede jetzt von Ihnen, und zwar sind Sie allmählich auf dem Wege, eine solche Politik zu machen, die man als die Methode der partiellen oder vielleicht sogar totalen Sonnenfinsternis bezeichnen könnte.

    (Heiterkeit.)

    Sie machen es nämlich so, daß Sie vor die Lichtquelle die erstarrten und erkalteten Mondlandschaften aus abgestandenen Ideologien, aus längst verhärteten und versteinerten Vorstellungen und Doktrinen von der gesellschaftlichen Entwicklung und Gliederung stellen und infolgedessen wesentliche Teile Ihres Weltbildes fortgesetzt der tragischen Wirkung einer Unterbelichtung aussetzen und darum zu Mißdeutungen und Mißfolgerungen kommen, wie sie heute ausgesprochen worden sind.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren! Über die Einzelheiten, die staatsrechtlichen, völkerrechtlichen und wirtschaftspolitischen Folgerungen, wie sie sich aus der Straßburger Erwartung ergeben, wird im einzelnen


    (Dr. Schäfer)

    mein Fraktionskollege Dr. Becker sprechen. Ich möchte mit einem kurzen Hinweis auf die besondere Umwelt schließen, in der wir hier verhandeln. Ich möchte, weil ich auf die großen Zusammenhänge der politischen Entwicklung hinweisen möchte wie ich es schon eingangs tat —, das Bewegende, das Dynamische dieser Entscheidung in den Vordergrund rücken. Da darf ich einmal auf die Tatsache hinweisen, daß in dieser Stadt Beethoven geboren ist, zu dessen grandiosesten Werken die Musik zu dem bewegenden Gedicht Schiller von den umschlungenen Millionen der ganzen Welt gehört. Sehen Sie, meine Damen und Herren. stellen Sie unter solche weite Aspekte die heutige Entscheidung. Es geht um die Spaltung der Völker oder die Zusammenführung der Völker, die Auflösung der Volkswirtschaften in zersplitterte Räume oder ihre Zusammenfassung zu großen Austauschgebieten. Stellen Sie Ihre Entscheidung vor diese Alternativen, und ich möchte den sehen, der vor ihnen nein sagt!

    (Beifall von der FDP und CDU.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Becker. —
Meine Damen und Herren, ich habe mich eben mit Herrn Abgeordneten Dr. Becker verständigt. Frau Abgeordnete Wessel will um 14 Uhr weg. Zunächst hat Herr Abgeordneter Dr. Seelos das Wort erbeten; er bekommt es jetzt. Dann später Frau Wessel, weil sie nachher abreisen muß. Herr Abgeordneter Dr. Becker war so liebenswürdig, sich damit einverstanden zu erklären, daran anschließend zu sprechen.
Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Seelos!

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gebhard Seelos


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin glücklich, daß mein Vorredner wieder die Note angeschlagen hat, die ich von dieser so wichtigen, hochpolitischen Debatte erwartet habe; denn das Blitzen und Donnern der politischen Olympier interessiert uns nicht so sehr. Es handelt sich
    hier nicht um parteitaktische Fragen es handelt sich
    um eine europäische Frage und nicht um die des nordrhein-westfälischen Wahlkampfes.

    (Sehr gut! rechts. — Abg. Zinn: Der Kanzler ist leider weg, Herr Seelos! Er hört es nicht!)

    Ich möchte mich auch nicht in solchen Polemiken ergehen, sondern diese Schicksalsfrage des deutschen Volkes behandeln; denn seit langen Jahren hat es keine so packende Idee wie diese europäische Idee gegeben. Damit sie nicht bloß ein Wunschtraum bleibe, sondern Verwirklichung finde, muß man ganz nüchtern und realistisch die Schritte tun, die uns Stück für Stück diesem Ziel näherbringen.
    Aus diesem Grunde muß man den Schuman-Plan so sehr begrüßen, weil er eine praktische Tat zur Durchführung dieser europäischen Idee bedeuten kann. Wir sind allerdings der Überzeugung, daß ohne eine grundsätzliche Bejahung der politischen Europaidee auch eine wirtschaftliche Vereinigung und Zusammenarbeit Europas nicht verwirklicht werden kann. Eine übernationale Organisation, ein europäischer Bund ist schon deshalb notwendig, weil all die bereits bestehenden internationalen Organisationen in Europa wie das Marshallplanbüro der OEEC oder das künftige Büro des Schuman-Plans für die europäische Stahl-, Eisen- und Kohlenbewirtschaftung nicht im luftleeren Raum ohne demokratische Kontrolle als übergeordnete Wirtschaftsbehörden über den europäischen Staaten fungieren können.
    Man soll sich auch hüten, wie es eben Herr Schumacher so stark hervorgehoben hat, dieses künftige Europa als eine dritte Macht zwischen den zwei Weltmächten USA und Sowjetrußland und als eine Art arbiter mundi gestalten zu wollen. Wir haben nun einmal die alte Machtstellung Europas in einer tragisch-grandiosen Selbstzerfleischung verspielt und müssen nur danach trachten, nicht in völlige Abhängigkeit von anderen außereuropäischen Mächten zu kommen. Wir wollen den europäischen Lebensstil wahren, die ethischen und kulturellen Lebensnotwendigkeiten Europas sichern und die wirtschaftlichen Grundlagen erneuern. Dieses Europa darf keinesfalls in einem Gegensatz zu den Vereinigten Staaten von Amerika gebildet werden, sondern in gemeinsamer Zusammenarbeit. Nichts könnte der europäischen Idee mehr schaden, als wenn ihr Pate, die Vereinigten Staaten, das Gefühl bekämen, Europa wolle sich nur mit amerikanischen Geldern und Mitteln als wirtschaftlicher und politischer Konkurrent einigen. Wir dürfen nicht den Enthusiasmus brechen, mit dem die Vereinigten Staaten ihre junge Macht in den Dienst des Wiederaufbaues der Welt und besonders von Europa stellen. Wir wollen ihnen den Glauben an ihre Sendung lassen, für die wirtschaftliche und politische Integration Europas verantwortlich zu sein. Andererseits dürfen es uns aber die Amerikaner nicht verargen, wenn wir unsere europäische Tradition, unser Denken und Fühlen erhalten wollen. Es ist für uns vielleicht das letzte köstliche Gut, die abendländische Kultur im Rahmen einer notwendigen wirtschaftlichen Existenzsicherung zu erhalten, wenn schon die Vereinigten Staaten die europäische Ordnung der Welt abgelöst haben.
    Zusammen mit den Vereinigten Staaten wollen wir eine atlantische Gemeinschaft bilden und aus dem militärischen Begriff des Atlantikpakts herauskommen. Durch den beschlossenen Beitritt Amerikas und Kanadas zur Marshallplanorganisation der OEEC wird der Wille dargetan, so wie es in anderer Form Bidault in seiner Atlantikidee tut, daß die atlantische Gemeinschaft keineswegs bloß eine militärische Basis haben soll. Nur eine friedliche atlantische Gemeinschaft wollen wir durch unseren Beitritt zum Europarat stärken, und wir weisen entschieden die Idee zurück, daß der Beitritt zum Europarat den Auftakt für die Einbeziehung in den atlantischen Militärpakt bedeute. Es ist gut, daß der Bundeskanzler so eindeutige Erklärungen in dieser Hinsicht abgegeben hat.
    Wenn wir uns zu einem Beitritt in den Europarat entschließen. dann wollen wir nachdrücklich unterstreichen. daß es keinen europäischen Bund, kein einiges Europa und keinen Europarat gibt, wenn nicht unter gleichberechtigten Staaten. In dem Kampf regen die kommunistische Unfreiheit kann es kein Europa von freien und unfreien Staaten geben. Formal kann man wohl damit operieren, daß das Besatzungsstatut keine auswärtige deutsche Politik und keinen deutschen auswärtigen Minister versehe. daß daher eine Vertretung Deutschlands im Ministerrat in Straßburg technisch gar nicht möglich sei. Materiell bleibt jedenfalls eine Unterscheidung zwischen souveränen Staaten und einem nichtsouveränen Deutschland bestehen, die eben mit der Europaidee unvereinbar ist.
    Allerdings entspricht diese Unterscheidung der tatsächlichen Lage, und hier möchte ich im Gegensatz zum Herrn Bundeskanzler doch darauf hin-


    (Dr. Seelos)

    weisen, daß uns im Petersberger Abkommen keineswegs auch nur annähernd unsere Souveränität zurückgegeben wurde. Die verschiedenen Eingriffe der Hohen Kommissare schon acht Tage nach dem Beginn der Bundesrepublik und dem Amtsantritt der Regierung in der Kohlenpreisfrage reden eine deutliche Sprache. Praktisch ist die Wirksamkeit der Bundesregierung nur insoweit verstärkt, als sie jetzt, ohne ein Veto der Hohen Kommissare befürchten zu müssen, etwa bestimmen kann, ob es in Deutschland eine Sommerzeit geben soll oder nicht.
    Was soll denn unser Volk davon halten, wenn wir unter Friedensschalmeien in die Straßburger europäische Familie einziehen sollen und gleichzeitig im sechsten Jahre nach Kriegsende die Hämmer und Bohrer ertönen, die große deutsche Werke wie das Werk in Töging am Inn, bei Krupp, in Watenstedt-Salzgitter und an anderen Orten demontieren? Wie soll das Volk an eine übernationale europäische Stahl- und Kohlenbehörde glauben, wenn noch heute das modernste Edelstahlwerk demontiert wird und wir von vornherein mit einem großen Handicap in diese europäische Wirtschaftsbehörde eintreten sollen?
    Die Alliierten machen gemäß dem Kommuniqué der Londoner Konferenz vom Mai 1950 dann weitere Zugeständnisse in bezug auf die Wiederherstellung der deutschen Souveränität, wenn wir unsere demokratische Gesinnung beweisen. Dazu möchte ich folgendes sagen: Die Alliierten müssen uns eine demokratische Gesinnung ermöglichen.
    Der Aufbau Deutschlands im Rahmen des Marshallplanes und Demontage schlagen sich gegenseitig tot. Demontage und Remontage der demontierten Werke mit Hilfe von Marshallplangeldern sind ein wirtschaftlicher Unsinn und eine Vergeudung von Kapital. Die Prozesse und die Verurteilungen von deutschen Kriegsangeklagten sechs Jahre nach Kriegsende unter völlig unzureichender Beweisführung sind unfaßlich. Der Verkauf der Botschaften gerade kurz vor der Zeit, in der man uns verspricht, daß wieder deutsche auswärtige Vertretungen möglich sind, ist ein Widerspruch. Die Beschlagnahme von 400 000 Wohnräumen in der beschränkten deutschen Westrepublik durch die Besatzung ohne jede Vereinbarung, ohne jede Besprechung mit den Deutschen, die Bundesgenossen sein sollen, ist nicht mehr tragbar. Es lassen sich immer erneute Beispiele für den Widerspruch und die Unlogik der Besatzungspolitik nachweisen, die den Glauben an die demokratischen Kräfte im deutschen Volke schwächen müssen und die Erziehung des deutschen Volkes zur Demokratie erschweren. Zum Beispiel erscheint auch die Schaffung einer zentralen Bundespolizei als ein Widerspruch, nachdem man kurz vorher, vor wenigen Wochen, in einem großen Land, nämlich in Bayern, eine Zentralisierung der Landespolizei verboten hat, weil sie den Sicherheitsbestimmungen widerspreche.
    Wir bitten die Hohen Kommissare nachdrücklich, uns endlich von den Widersprüchen der alliierten Besatzungspolitik im sechsten Jahre nach Kriegsende zu befreien und den Weg zu einer Völkerversöhnung freizumachen. Das deutsche Volk will heraus aus seiner erdrückenden Enge. Die Jugend will endlich wieder Ideale sehen, und zwar ohne unnötig harte Belastungen, für die sie kein Verständnis hat und die sie nur verbittern. Man soll nicht Leuten wie Remer und Hedler Wasser auf ihre Mühlen gießen. Die Alliierten machen uns aber wehrlos gegen solche Bewegungen, wenn sie ihre derzeitige Politik nicht beschleunigt revidieren.
    Mit tiefer Besorgnis hat es uns erfüllt, daß der Herr Bundeskanzler zu der gleichen Zeit, in der der Beschluß der Bundesregierung zum Eintritt in den Europarat erfolgte, es für richtig gehalten hat, eine zentrale Bundespolizeibehörde von 25 000 Mann Stärke bei den Alliierten zu beantragen.

    (Zurufe von der CDU: Was hat das mit dem Europarat zu tun?)

    Ich erinnere den Bundestag daran, wie die Bayernpartei aufs schärfste angegriffen worden ist, weil sie von ihrem verfassungsmäßigen Recht Gebrauch gemacht hat, eine Verfassungsänderung auf strafrechtlichem Gebiet zu beantragen. Nun wendet sich Bundeskanzler Adenauer, ohne vorher den Bundestag zu fragen, ohne vorher die Länder zu befragen oder auch nur zu informieren, an die Alliierten und verlangt mit dieser zentralen Polizei eine Verfassungsänderung, die an die Grundlagen der deutschen Bundesrepublik greift. Ich bin überzeugt, daß die Verfassung überhaupt nicht zustande gekommen wäre, wenn die Polizeizuständigkeit, die Polizeibefugnisse nicht den Ländern vorbehalten geblieben wären; denn sicherlich hätten sich dann nicht nur Bayern, sondern auch mehr als drei andere Länder mit einer solchen Regelung nicht abgefunden.
    Wenn die Alliierten noch heute Besatzungsrecht
    unserem Verfassungsrecht vorgehen lassen, dann
    mögen sie das mit ihrem demokratischen Gewissen
    vereinbaren. Es ist aber unerträglich, wenn der
    deutsche Bundeskanzler über die Alliierten gewichtige Rechte der Länder beseitigen will. In diesem Vorgehen hat der Bundeskanzler alle Thesen
    der Bayernpartei von den hemmungslosen zentralistischen Kräften der Bonner Regierung bestätigt.
    Was will der Kanzler mit 25 000 Mann Bundespolizeitruppen? Es ist doch wohl kaum anzunehmen,
    daß er so viele Doppelposten für die Bundesbehörden benötigt. Oder glaubt er, nur dann mit Sicherheit einer erfolgreichen Arbeit huldigen zu können,
    wenn er eine eigene Truppe im Lande seines befreundeten Ministerpräsidenten Arnold unterhält?

    (Zurufe von der CDU: Europa!)

    Woher — so fragt man sich weiter — hat der Herr Bundesfinanzminister, der für die Kriegsopfer die Gelder nicht hat, die 200 Millionen, die die Einrichtung dieser 25 000 Mann starken Polizei erfordert? Was sagen die aus Bayern kommenden Bundesminister und Staatssekretäre zu diesem Vorgehen?

    (Wiederholte Zurufe von der CDU: Europa!) Sind diese Entwürfe mit Zustimmung des für die Polizeiangelegenheiten zuständigen Staatssekretärs von Lex gemacht worden?


    (Erneute Zurufe von der CDU.)

    Die Bundesregierung sollte aber vor allem bedacht sein, nicht den naheliegenden Verdacht einer anderen Verwendung dieser Polizeitruppe aufkommen zu lassen.

    (Zurufe von der CDU: Europa!)

    Wenn die Polizei verfassungsmäßig auf die Länder dezentralisiert wird und ihnen die etwa erforderliche kasernierte Bereitschaftspolizei zugewiesen wird, hat ein solcher Verdacht keine Berechtigung. Wenn Acheson vor einigen Tagen erklärt hat, daß die Vereinigten Staaten weiterhin an der Entmilitarisierung Deutschlands festhalten werden, dann kann nur bei einer solchen Handhabung der Poli-


    (Dr. Seelos)

    zeifrage ein etwa bestehender internationaler Verdacht entkräftet werden.
    Wenn mir wiederholt zugerufen wurde: „Europa", dann kann nicht ich etwas für diese Verquikkung, sondern dann soll die Bundesregierung nicht am gleichen Tage, an dem sie den Eintritt in den Europarat beschließt, 25 000 Mann Polizeitruppe beantragen. Sonst hat das einen suspekten Hintergrund.
    Außer diesen Belastungen, mit denen Deutschland in den Europarat eintreten muß, ist auch noch auf das unnötige Vorgehen der französischen Regierung in der Saarfrage hinzuweisen, wie es die anderen Redner schon getan haben, das es den Deutschen nicht leicht macht, den Beitritt zu erklären. Immerhin bleibt die Hoffnung, daß der geniale Schritt Schumans eine Korrektur des deutschfranzösischen Verhältnisses im europäischen Rahmen bringt, so daß politische Rivalitäten alten Stils ihrer Bedeutung entkleidet werden. Wir wollen ferner hoffen, daß im Zeichen dieser Zusammenarbeit jedenfalls von Frankreich keinerlei Schritte in der Saarfrage erfolgen, die eine erneute Erschwerung der Situation erbringen würden. Ich weise, wie es schon verschiedene Herren getan haben, auf solch gefährliche Reden hin, wie sie der Kommissar Grandval jüngst gehalten hat. Vielleicht hätte man dem gleichzeitigen Beitritt der Saar etwas von seiner Bedeutung nehmen können, wenn man versucht hätte, Berlin, solange es nicht als zwölftes Land seinen Platz im Rahmen der Abordnung der deutschen Bundesrepublik einnehmen kann, gesondert bis zur Friedensregelung in den Europarat aufnehmen zu lassen.

    (Abg. Neumann: Hört! Hört!)

    Zusammenfassend möchte ich sagen, daß es uns weder die Alliierten mit ihrer Besatzungspolitik noch der Herr Bundeskanzler mit seiner Regierungspolitik leicht machen, uns zu dem Beitritt zum Europarat zu bekennen und daß es eben manchen zu schwer wird, ein Ja zu sagen, und daß sich diese der Stimme enthalten werden. Wir sehen
    aber im großen Ganzen in unserer Not keinen anderen Ausweg als Europa. Wir sehen keine Alternative unserer Außenpolitik. Herr Schumacher hat uns auch keine genannt, sondern nur gesagt, daß wir noch einige Jahre warten sollen.
    Wir lehnen den Kommunismus ab, der das Ende unseres individuellen Lebens wäre. Wir wollen auch nicht bloß ein Brückenkopf Nordamerikas sein. Wir besitzen aber nicht den Wunderstab Moses', der ein neutrales Deutschland gegen die zwei Weltmächte gefeit erscheinen läßt. Deshalb kommen wir trotz aller Bedenken zu der Bejahung des Beitritts.
    Insbesondere schreckt uns das Nein Schumachers, las er eben wieder ausgedrückt hat; denn Schumacher hat in der ganzen Nachkriegszeit die Staatwerdung der deutschen Bundesrepublik nur verzögert, und seine politischen Ansichten sind durch lie jeweilige Entwicklung immer widerlegt worden.

    (Widerspruch bei der SPD. — Zuruf des Abg. Neumann.)

    — Das war bereits in den letzten Nachkriegsjahren bewiesen!