Rede von
Otto
Niebergall
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Niemand in diesem Hause bestreitet die Notwendigkeit einer landwirtschaftlichen Ordnung. Allerdings scheiden sich die Geister in der Frage des
Inhalts dieser Ordnung. Die kommunistische Fraktion kann dem Getreidegesetz in seiner jetzigen Fassung ihre Zustimmung nicht geben. Denn das Gesetz in seiner heutigen Gestalt hat sehr wenig mit den demokratischen, den nationalen und wirtschaftlichen Interessen der breiten Massen der Landwirtschaft zu tun; im Gegenteil, es ist eine Blankovollmacht für Regierung und Großgrundbesitz, für die wirtschaftlich Mächtigen, es ist ein Ermächtigungsgesetz. Diese Vorlage gibt der Regierung und Ausschüssen, die von der Regierung gebildet werden, Vollmachten, die nur im Bereich des Bundestages liegen. Die §§ 3 bis 11 sind dafür ein eindeutiger Beweis. Alles, was die Regierung für sich in Anspruch nimmt, wird in diesem Gesetz großgeschrieben und fest umrissen, alles, was im Interesse der breiten Massen der Bauern liegt, wird in diesem Gesetz kleingeschrieben und ist nicht scharf umrissen, sondern ist in Worte gefaßt: „Man kann, man soll".
Zu einer Regierung, die in der Vergangenheit alles versprochen hat — ich erinnere nur an die Ausführungen des Wirtschaftsministers Erhard — kann man keinerlei Vertrauen haben; denn von dem, was versprochen wurde, ist sehr wenig gehalten worden. Wir möchten von dieser Stelle aus ausdrücklich warnen, zu glauben, mit solchen Gesetzen allein sei der Landwirtschaft zu helfen. Dazu sind nach unserer Auffassung andere Wege notwendig. In erster Linie muß die landwirtschaftliche Produktion gesteigert werden. Dazu aber ist notwendig, daß die Steuern gesenkt werden, daß die Industriepreise herabgesetzt werden. Notwendig ist eine bestimmte Kredithilfe, und es muß Schluß gemacht werden mit der Liberalisierung.
Wenn Herr Dr. Horlacher hier angeführt hat, daß der Marshallplan ein Beitrag zur Hebung der Landwirtschaft ist, so möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen: Der Marshallplan ist eine „Hilfe" für die Landwirtschaft in demselben Sinne, wie der Strick für den Gehenkten eine Hilfe darstellt. Die Liberalisierung ist der Tod der deutschen Landwirtschaft. Wer das heute noch nicht glaubt, wird das in ganz kurzer Zeit erfahren müssen. Wir sehen das in seinen Auswirkungen
bereits in den ländlichen Bezirken. Ich erinnere nur an die rheinischen Winzer. Was wird heute alles angestellt durch die Einfuhr des billigen Weines, der allerdings für den Verbraucher nicht billig ist, sondern der aufgekauft wird, so daß die Manipulation teilweise dem Staate zugute kommt.
Wir sagen deshalb: wenn den Bauern geholfen werden soll, dann ist es notwendig, daß sie mit den Arbeitern, mit den Werktätigen gemeinsam in einer Front marschieren, und zwar in der Linie einer fortschrittlichen gesamtdeutschen Landwirtschaft, aber auch eines gesamtdeutschen Handels.