Darüber dürfen Sie nachher reden!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte ein Wort wiederholen, das ich bei einer Agrardebatte im Wirtschaftsrat einmal gebraucht habe: „Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt."
Wir haben heute den 1. Juni, und das neue Wirtschaftsjahr auf dem agrarischen Sektor beginnt bekanntlich in 30 Tagen. Vier Gesetze, an denen die Landwirtschaft, aber auch die Verbraucher dringend interessiert sind, die Gesetze für Getreide, Zucker, Vieh und Fleisch, Milch und Fett, sollten eigentlich längst nicht nur vorgelegt, sondern verabschiedet sein, damit sowohl auf dem agrarischen Sektor die Erzeugung weiß, woran sie ist, wie aber auch die Verbraucher wissen, wie sie sich einzustellen haben.
Vier Wochen vor dem neuen Erntejahr legt man uns — Herr Minister, ich muß das zutiefst bedauern -- ein kleines Stückwerk- dieses Werkes und dazu noch in Rahmenform vor. Ich bin mir weiß Gott nicht darüber im klaren, wann nun die dazugehörigen Ausführungsbestimmungen eigentlich erlassen werden sollen, nachdem Sie respektive Ihr Ministerium 5 Monate gebraucht haben, hier ein Rahmengesetz vorzulegen, über dessen Inhalt man sich, glaube ich, in den Ausschüssen noch sehr ernst wird unterhalten müssen.
Ich will nicht so gehässig sein, wie es heute ein Bekannter von mir ausdrücken zu müssen glaubte: Fünf Monate hat man anscheinend nötig gehabt, um ein Reichsnährstandsgesetz abzuschreiben.
Meine Damen und Herren! Was in diesem Gesetz verankert ist oder verankert werden soll, ist praktisch eine Machtfülle einer Bürokratie, zu der wir absolut kein Vertrauen haben,
t einer Bürokratie, die bisher — das muß man ein-. mal ruhig aussprechen - auf dem agrarischen Sektor die Dinge manchmal verwirrt, aber nicht entwirrt hat. Ich brauche bloß auf die Entwicklung - -
- Sie können ja mitarbeiten! Ich hoffe, daß Ihre Agrarfreundlichkeit bei dem wichtigsten Punkt, nämlich der Bezahlung der ländlichen Arbeit, so entscheidend sein wird wie jetzt Ihre Kritik.
Ich möchte bloß daran erinnern: auf dem Milch- und Fettsektor und auf dem Gebiet der Fleischerzeugung sind die Dinge absolut nicht so gelaufen, wie sie hätten laufen müssen, wenn die deutsche Landwirtschaft auf den Höchststand ihrer Erzeugungskraft gebracht werden soll, und ich glaube, das ist eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit, über deren Ernst es hoffentlich nicht zweierlei Meinung gibt. Gelingt es uns nicht, die deutsche Agrarerzeugung innerhalb der nächsten zwei Jahre auf einen Höchststand zu bringen, dann, meine Damen und Herren, befürchte ich allen Ernstes, daß wieder Zeiten eintreten können, die wir hoffentlich nicht wieder zu erleben brauchen.
Ich verstehe auch nicht, warum man in dieses Gesetz alle möglichen Kautelen über Dinge einbaut, die vielleicht einmal kommen könnten. Ich glaube, es hätte genügt, ein Gesetz zu schaffen, einfach, klar, ohne allzuviele bürokratische Bestimmungen, und man hätte die Handhabung dieses Gesetzes dann unter Ihrer Aufsicht, Herr Minister, den Kreisen überlassen sollen, die von wirtschaftlichen Dingen etwas mehr verstehen als eine Staatsbürokratie.
Dieses Kernstück — denn alles andere an diesem Gesetz ist mehr oder weniger Beiwerk — ist Schleuse und Vorratshaltung. Das ist das einzig Primäre! Wer diese Schleuse und Vorratshaltung in der Hand hat und zu handhaben weiß, dem ist es nicht schwer, den ganzen deutschen Getreidemarkt zu lenken.
Ein anderes Moment, wo die Meinungen bestimmt auseinandergehen werden, betrifft die Mühlenstelle. Ich darf ein paar ganz ernste Worte einmal zu dem Problem der Mühlen schlechthin sagen. Es ist eine bekannte Tatsache, daß die Kapazität der vorhandenen deutschen Mühlen praktisch bloß zu etwa 400/o ausgelastet ist. Hier müssen natürlich auf die Dauer gesehen andere Verhältnisse Platz greifen. Wir möchten aber eines ganz eindeutig sagen: daß wir alles tun werden, um den Schutz der Klein- und Mittelmühlen zu gewährleisten. Denn die deutsche Landwirtschaft hat an der Existenzkraft dieser Klein- und Mittelmühlen mehr Interesse als an ein paar großen Konzernmühlen. Wenn hier schon Einschränkungen gemacht werden müssen, dann, glaube ich, sollte man sie bei dem Sektor der Konzern- und Großmühlen vornehmen. Es dürfte nicht unbekannt sein, daß der Brotverbrauch von 300 kg pro Kopf im Jahre 1800 auf heute vielleicht 130 kg zurückgegangen ist. Wir begrüßen an sich diese Entwicklung, denn sie beweist uns, daß das Volk zu veredelteren Nahrungsmitteln übergegangen ist, und das setzt immerhin das Vorhandensein einer Kaufkraft voraus. Das zwingt uns aber, auf dem Gebiet des Mühlensektors so oder so über K kurz oder lang zur Ordnung zu kommen. Und das, Herr Minister, was Sie mit Ihrer Mühlen-stelle vorhaben, läßt die Dinge wieder ein Jahr lang weiterschlittern. Wir sehen auch keine Möglichkeit, wie bei einer Kontingentierung der Mühlen, sagen wir einmal, ein freier Wettbewerb zum Tragen kommen kann.
Das sind Dinge, die bei uns ernste Besorgnis erregen. Wir werden selbstverständlich mitarbeiten und versuchen, in den Ausschüssen die Dinge so zu gestalten, wie wir sie glauben gestalten zu müssen im Interesse einer produktionskräftigen Landwirtschaft, aber auch im Interesse einer Verbraucherschaft, die auf dem kürzesten Weg mit Erzeugnissen zu erträglichen Preisen versorgt werden muß.