Meine Damen und Herren! Jede Demokratie, die sich nicht selbst gefährden will, muß die Lehren aus der Vergangenheit ziehen. Die Weimarer Demokratie ist aus verschiedenen Ursachen gescheitert; aber eine dieser Ursachen war ihre eigene Schwäche und ihre Unfähigkeit, die Verfassung zu schützen, die sie sich selbst gegeben hatte. Der Parlamentarische Rat hat dieses Problem erkannt. Er hat erkannt, daß die Demokratie tatsächlich, wie mein Herr Vorredner gesagt hat. gefährdet ist, immer und aus sich selbst heraus gefährdet ist. Sie ist deshalb gefährdet, weil gerade diese Demokratie die Freiheit der Meinungsäußerung, die Freiheit der Presse, die Freiheit der Gesinnung und ihre Betätigung sehr weitgehend statuiert, weil aber gerade diejenigen, die nicht auf dem Boden der Demokratie stehen und von diesem Recht der Meinungsäußerung Gebrauch machen, in die Lage versetzt werden, durch den Mißbrauch dieses Rechtes die Demokratie zu gefährden.
Es ist tatsächlich so, daß die Demokratie immer gefährdeter in ihrem Bestand ist als jede autoritäre Staatsform. Es ist daher notwendig, Maßnahmen zu treffen, um diese Selbstgefährdung der Demokratie, die in ihrer Struktur begründet ist, zu vermeiden.
Eine dieser Maßnahmen, nur eine aus einem System von Maßnahmen, die getroffen werden müssen, ist die Schaffung des Bundesoberamtes für den Verfassungsschutz. Dieses Bundesamt ist bereits im Grundgesetz vorgesehen. Wenn also die Regierung uns heute vorschlägt, dieses Bundesamt durch Gesetz zu schaffen, so wird dadurch lediglich ein Auftrag des Parlamentarischen Rates ausgeführt.
Das Gesetz sieht eine Zusammenarbeit von Bund und Ländern vor, und es statuiert eine Weisungsbefugnis der Stelle, der dieses Amt angegliedert ist, nämlich des Bundeskanzlers bzw. des Innenministers auch gegenüber den Organen der Länder. Ich bin der Meinung, daß da, wo es sich um den Bestand des Staates handelt, auch Bedenken, die sich auf die Zuständigkeit beziehen, auch föderalistische Bedenken, zurücktreten müssen. Die Existenz eines Staates ist wichtiger als die Art und Weise. wie dieser Staat diese Existenz zu wahren sucht. Trotzdem scheint auch mir der Vorschlag des Bundesrates beachtenswert zu sein, daß sich diese Weisungsbefugnis nur im Rahmen des Art. 3 halten kann. Die Ausschüsse, die sich mit dem Gesetz zu befassen haben, werden Umfang und Art dieser Weisungsbefugnis einerseits unter Berücksichtigung, der Länderinteressen, andererseits aber auch unter Berücksichtigung der Notwendigkeit der Schlagfertigkeit dieses zu schaffenden Amtes genau prüfen und festlegen müssen.
Wenn wir uns heute in Deutschland umblicken, so erfüllen uns manche Erscheinungen mit wachsender Besorgnis. Wir sehen mit Sorge in manchen Landesteilen das Wiederaufkommen von Gedankengängen, die sehr an die Gedankengänge des Nationalsozialismus erinnern. Wir sehen das Anwachsen dieser Bestrebungen. Wir nehmen diese Gefahr zwar nicht zu ernst, wir überschätzen sie in keiner Weise, aber wir folgern daraus die unbedingte Notwendigkeit der sofortigen Schaffung dieses Amtes für Verfassungsschutz.
Diese Maßnahme kann nur eine Teilmaßnahme sein; sie muß durch strafrechtliche Maßnahmen ergänzt werden. Es ist zu begrüßen, daß der Bundesjustizminister bereits hier eine Reihe von Ergänzungsbestimmungen zum Strafgesetzbuch vorbereitet hat, die dem Hause wohl schon in der nächsten Zeit vorgelegt werden. Alles das, was wir mit Gesetzen zum Schutze dieser unserer Verfassung zu tun versuchen, ist zwar notwendig und muß getan, und zwar rasch getan werden, es reicht aber nicht aus, um dieses unser Ziel zu erreichen. Darum ist von dem Herrn Staatssekretär mit Recht darauf hingewiesen worden, daß uns — neben diesen negativen Maßnahmen des Verfassungsschutzes — eine andere, wichtige positive Aufgabe erwächst; das ist die Erziehung unseres Volkes zur Demokratie. Es ist notwendig, diese Maßnahmen des Verfassungsschutzes zu treffen, dieses Bundesamt zu schaffen; es ist notwendig, um die Demokratie gegen ihre Feinde zu schützen, gleichgültig wo sie stehen,
aber noch notwendiger ist es, daß die Demokratie in den Herzen ihrer Bürger begründet wird.