Rede von
Dr.
Hans-Joachim
von
Merkatz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem, wie die Demokratie gegen die Gefahren zu schützen sei, die aus ihr selbst entstehen, ist bisher noch nicht gelöst worden. Im totalen Staat und insbesondere in der zur Diktatur entarteten Demokratie, der sogenannten Volksdemokratie, bedient man sich zur, Schutze dieses „verfassungsmäßigen" Zustandes der Polizei, des polizeilichen Terrorsystems. Man löst also dieses Problem im Sinne der Gewalt. In der auf der persönlichen Freiheit beruhenden, rechtsstaatlich gesicherten Demokratie, die Gegenstand unseres Grundgesetzes ist, gibt es nur einen wirklichen Schutz, nämlich die aus dem innersten Wesen der Demokratie erwachsende Autorität.
Jeder Staat braucht Autorität. Diese wahre Autorität ist gleichbedeutend mit seiner Legitimität, mit seiner inneren Rechtfertigung, und diese innere Rechtfertigung wird aus dem Vorbild der Persönlichkeiten erzielt, die die Einrichtungen dieses Staates beleben, tragen, lenken und verkörpern. Ich möchte diese wahre Autorität, die innere Rechtfertigung einer Staatsform den positiven Verfassungsschutz nennen. Alles andere, was zur Abwehr der Gefahren dient, die strafrechtlich oder polizeirechtlich oder auf andere Weise abgewehrt werden müssen, gehört zum negativen Verfassungsschutz. Das von der Regierung vorgelegte Gesetz über die Schaffung eines Forschungsamtes, einer Informationsstelle, deren Aufgaben im § 3 des Gesetzes sehr präzise umgrenzt worden sind, ist nur eine kleine Teilmaßnahme auf dem Gebiet des negativen Schutzes der Verfassung.
Ich gehe bei meinen Darlegungen von dem Grundgedanken aus, daß ein Teil der Gefahren der Demokratie aus ihr selbst entsteht. Auch bei einem solchen Amt, bei einer solchen Stelle entstehen Gefahren, und zwar in zweierlei Richtung. Erstens haben wir allen Grund, mit dem Schnüffel- und Denunziantenwesen, das unser gesamtes öffentliches Leben und das Verhältnis der Menschen untereinander vergiftet, ein Ende zu machen. Es wird unbedingt, und zwar im Rahmen eines echten demokratischen Lebens, das auf eine maßvolle Willensbildung gerichtet ist, notwendig sein, bei den mit dieser schwierigen Aufgabe betrauten Menschen eine Erziehung vorzunehmen, damit die Institution, die zur Abwehr von Gefahren, zur Ermittlung von Nachrichten geschaffen wird, nicht zu einer Schnüffelstelle ersten Ranges wird, die dann noch dazu beiträgt, die Atmosphäre zu vergiften, und die das Entstehen eines gesunden Gemeinsinnes, den die Demokratie zur Wahrung ihrer inneren Autorität braucht, unmöglich macht.
Zum zweiten liegt in einer solchen Institution die Gefahr, daß die Informationen — denn mehr als die Sammlung von Informationen soll nach diesem Gesetz nicht geschehen — im parteipolitischen Konkurrenzkampf ausgenutzt werden. Darum begrüßt es meine Fraktion lebhaft, daß die Fassung des § 3
sehr präzise ist, und sie erwartet, daß man sich bei der Führung dieses, d. h. bei der Sammlung der Unterlagen, die die Regierung dann zu Beschlüssen verarbeiten kann, auch streng an diese Richtlinien und Beschränkungen hält, damit nicht irgendein Mißbrauch entsteht. Das Gesetz enthält selbst eine Sicherung: Kontrollbefugnisse und polizeiliche Exekutivbefugnisse hat dieses Amt nicht. Würde es diese Befugnisse bekommen, dann würde ein solches Amt sehr bald denselben Charakter erhalten, wie ihn die Geheime Staatspolizei gehabt hat oder die Staatspolizeien anderer Länder haben; ein Charakter, von dem Ortega y Gasset einstmals im „Aufstand der Massen" gesagt hat, sie werden dann ihre Ordnung, nämlich ihre polizeiliche Ordnung, dem ganzen Staate aufprägen. Damit würden wir aus einem solchen Amt das glatte Gegenteil von dem geschaffen haben, was mit ihm beabsichtigt wird.