Rede von
Dr.
Otto Heinrich
Greve
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Schutz der Verfassung heißt Schutz der Demokratie. Daß auf diesem Gebiet die Herren Fisch und Genossen eine andere Auffassung haben als die Mehrheit dieses Hauses, sollte uns nicht wundern. Das Auftreten des Herrn Fisch und seiner Freunde gerade zu diesem Punkt beweist uns, daß sie berechtigterweise Angst vor der Anwendung des hier zur Beratung stehenden Gesetzes gegen sie selbst haben.
— Jawohl, Herr Fisch, Sie haben gefragt, was wir schützen wollen. Wir wollen uns vor Ihnen und Ihren Gegenspielern auf der politischen Rechten mit unserer Verfassung und mit dieser Demokratie schützen, Herr Fisch!
Nichts anderes wollen wir. Was Sie uns hier erzählen, — —
— Herr Renner, seien Sie doch einmal ruhig! Hören Sie mich doch einmal an! Wenn Sie nicht wissen, wie es drüben in der Ostzone aussieht, lassen Sie es sich doch von uns sagen, die wir gelegentlich Mitteilungen darüber bekommen!
Herr Fisch hat uns wieder etwas von dem Schutzverhältnis durch die Westmächte erzählen wollen. Das ist so grotesk, wenn das einer von Ihnen sagt, die Sie doch genau wissen, wie Ihre Freunde drüben überhaupt nur in der Lage sind, physisch unter dem Schutze der dortigen Besatzungsmacht zu leben,
von geistiger Freiheit, die nach unserer Auffassung auch zum Leben in einer Demokratie gehört, ganz zu schweigen.
Ich glaube, dies zeigt zur Genüge, daß wir jedenfalls nicht gewillt sind, uns diesen Staat noch einmal durch Ihre Tätigkeit und die Ihrer Freunde auf der politischen Rechten verderben zu lassen.
Aus diesem Grunde darf ich sagen, daß meine Freunde und ich uns über die Ausführungen gefreut haben, die der Herr Vertreter des Bundesinnenministers heute hier gemacht hat. Wenn die Ausführung dieses Gesetzes von demselben Geist getragen sein wird wie die Worte, die der Herr Staatssekretär des Bundesinneministeriums heute hier gefunden hat, dann, meine Damen und Herren, wird vielleicht einer der seltenen Fälle eintreten, daß Regierung, Regierungsparteien und Opposition
hier hundertprozentig am gleichen Strang ziehen.
— Wenn, wie ich schon sagte, die Ausführung dieses Gesetzes von demselben Geiste getragen ist wie das, was der Herr Staatssekretär von Lex uns heute gesagt hat!
Meine verehrten Anwesenden! Wir stimmen also dem, was im Hinblick auf den materiellen Verfassungsschutz von dem Herrn Staatssekretär gesagt worden ist, vollinhaltlich zu.
Das hier heute zur Beratung stehende Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, das auf Grund einer Vorschrift des Grundgesetzes zu erlassen ist, regelt, wie der Herr Staatssekretär gesagt hat, im allgemeinen lediglich den polizeilichen Verfassungsschutz. Die Grundtendenz dessen, was wir wünschen, ist, daß die Ausführung dieses Gesetzes, auch in der institutionellen Durchführung, nicht zu einer neuen Gestapo führen darf. Wir haben bereits bei der Verabschiedung des Bonner Grundgesetzes Wert auf die Bestimmung gelegt, daß der Verfassungsschutz in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern nicht wieder den Charakter einer in allen Möglichkeiten verästelten geheimen Staatspolizei annehmen darf. Dem trägt der uns vorliegende Gesetzentwurf in seinen wesentlichen Bestimmungen Rechnung.
Wir sind allerdings der Auffassung, daß dieser Gesetzentwurf in manchen Punkten im Ausschuß noch einer Revision unterzogen werden sollte. Wenn in § 2 davon die Rede ist, daß dieses als obere Bundesbehörde zu errichtende Amt dem Bundeskanzler direkt zu unterstellen sei, dann erscheint es uns richtig, darüber im einzelnen noch zu sprechen. Von Herrn Kollegen Etzel sowohl wie von Herrn Kollegen Becker ist bereits darauf hingewiesen worden, daß man auch daran denken könnte, die entsprechende Organisation im Bundesinnenministerium zu schaffen. Auch unter meinen Freunden ist dieser Gedanke bereits erörtert worden.
Ich bin allerdings nicht der Auffassung, Herr Kollege Etzel, daß hier nun wieder föderalistische Dinge nicht gebührend berücksichtigt werden könnten. Auf diesem Gebiete, meine Damen und Herren, ist es uns vollkommen gleichgültig, wo die Verfassung, wo die Demokratie am besten geschützt wird, ob im Bund oder in den Ländern. Die Hauptsache ist, daß alle, Bund sowohl wie Länder, bereit sind, diese Verfassung und diese Demokratie, die unsere Verfassung überhaupt erst ermöglichte, mit allen Mitteln zu schützen.
Irgendwelche Sorgen wegen Kompetenzstreitigkeiten aber, Herr Kollege Etzel, sollten alle in diesem Hause zurücktreten lassen. Wir sollten nur dafür Sorge tragen, daß die Organe, die berufen sind, auf Grund dieses Gesetzes tätig zu werden, so schnell wie möglich tätig werden. Die Frage, ob obere Bundesbehörde oder Eingliederung in das Bundesinnenministerium, mag im Ausschuß beraten werden.
Auf eines möchte ich in diesem Zusammenhang noch hinweisen: mit der Unterstellung unter den Herrn Bundeskanzler direkt geben wir drei verschiedenen Stellen die Möglichkeit, sich um den Verfassungsschutz zu bemühen; er würde beim Bundeskanzler, beim Bundesinnenminister und beim Bundesjustizminister liegen, der seinerseits auch, wie sich bei den Beratungen im Haushalts-
ausschuß ergeben hat, das Recht für sich in Anspruch nimmt, die Verfassung zu schützen, und zwar neben dem Bundesinnenminister.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten die Aufgaben, die mit dem Schutze der Verfassung zu tun haben, nicht zerflattern lassen. Wir sollten versuchen, das, was hier geschehen muß, an einer Stelle zu konzentrieren. Welche Stelle, ob Bundeskanzler oder Bundesinnenministerium, die geeignete ist, mag im Ausschuß beraten werden. Ich gebe zu: Wegen der Tatsache, daß der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik bestimmt und möglicherweise die Richtlinien der Politik einen wesentlichen Einfluß auf den Schutz der Verfassung haben könnten, könnte das Bundeskanzleramt als die geeignete Stelle erscheinen.
Hier heute eine endgültige Entscheidung zu treffen, ist nach meiner Auffassung nicht nötig.
Aber eine andere Frage wäre noch zu prüfen. Meines Erachtens ist übersehen worden, in dem Gesetz eine Bestimmung darüber zu treffen, daß nicht nur die Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern und der Länder mit dem Bunde gesichert ist, sondern daß auch die Zusammenarbeit der Länder untereinander genügend gesichert ist, wenn es sich um Fragen des Schutzes der Verfassung handelt.
Soweit wir sonst Vorstellungen gegenüber der derzeitigen Fassung des Gesetzes zu erheben haben, werden wir das im Ausschuß tun. Es kommt hier weniger darauf an, daß irgendwelche Maßnahmen und Vorbereitungshandlungen zu Maßnahmen in Paragraphen umrissen werden. Wichtig ist hier allein, daß die Organe im Bund sowohl wie in den Ländern wissen, wo sie anzusetzen haben, und daß sie auch den richtigen Spürsinn für das haben, was zum Schutze der Verfassung zu tun ist. Es nützt gar nichts — und da gebe ich dem Herrn Staatssekretär ohne weiteres recht in seiner Feststellung, daß es auf die Besetzung der Dienststellen ankommt —, wenn die Ämter immer nur nach links sehen und glauben, da geschehe etwas, während sie nach rechts zu sehen nicht vermögen oder nicht wagen und infolgedessen nicht merken, daß auch dort etwas geschieht.
Wesen und Inhalt der Aufgaben, die auf diesem Gebiete des Schutzes der Verfassung und dessen, was zum Schutze der Verfassung zu tun ist, liegen, müssen sein: auf Grund der Maßnahmen dieser Organe, um die es sich hier handelt, müssen die notwendigen Mittel gegen alle Feinde der Demokratie angesetzt werden. Da darf, Herr Staatssekretär, die Zentralstelle und dürfen die Behörden, die mit dem Schutz der Verfassung befaßt werden, auch nicht davor zurückschrecken, bis in die Reihen der Regierungsparteien hineinzuleuchten,
wenn bei ihnen irgend etwas nicht so ist, wie es nach dieser Verfassung sein soll.
Ich glaube, wir haben insoweit berechtigten Anlaß, auf bestimmte Erscheinungen der letzten Zeit hinzuweisen.
Wir sind mit Ihnen durchaus einig, daß das Amt und die Dienststelle, die hier in Rede stehen, ohne Ansehen der Person und der Sache alles das tun sollen, was nötig ist, um diese Verfassung zu schützen, und daß Sie ihnen die Mittel an die Hand geben müssen, die dazu notwendig sind. Die Forderung nach politischer Zuverlässigkeit der mit dem Schutz der Verfassung betrauten Männer und Frauen ist eine conditio sine qua non, wenn diese Verfassung besser geschützt und die Demokratie sicherer erhalten werden soll, als das in der Vergangenheit in Deutschland möglich war.