Rede von
Walter
Fisch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Es muß um die Demokratie im Lande sehr schlecht bestellt sein, wenn sie sich ausgerechnet einen Mann, der 1933 dem Hitlerschen Ermächtigungsgesetz seine Zustimmung gegeben hat, heute hier in diesem Hause als Fürsprecher und als Generalanwalt für den Schutz der Demokratie aussucht.
Meine Damen und Herren, ich habe leider nur 5 Minuten Zeit,
mich zu diesem Thema zu äußern, bei dem es um die Ausschaltung entscheidender Grundrechte geht. Ich muß mich darum auf einige wenige Punkte beschränken.
Erstens: Meine Fraktion erhebt entschieden Protest gegen das sonderbare Geheimverfahren, das bei der Schaffung von Bestimmungen, die zum Teil auch heute noch nicht bekannt gegeben worden sind, angewandt worden ist. Der Herr Minister des Innern hat bereits vor über sechs Monaten dem zuständigen Ausschuß sehr detaillierte Angaben über seine Pläne gemacht. Heute erst wird uns diese Gesetzesvorlage auf den Tisch gelegt. Bereits vor über zwei Monaten wurde bekannt, daß einer Tagung der westdeutschen Innenminister sehr genaue Informationen über die Pläne des Herrn Bundesinnenministers vorgelegen haben. Auf dieser Konferenz unterhielten sich die Innenminister über sehr interessante Einzelheiten dieser Pläne, wie zum Beispiel darüber, daß dem Bundesinnenministerium das Weisungsrecht für die sogenannten Verfassungsschutzstellen der Länder zustehen solle. Wir wissen also jetzt, wer in Zukunft dieses Weisungsrecht des Bundes in Sachen des „Schutzes der Demokratie" handhaben wird: Herr Ritter von Lex, da sein Chef selbst wohl die überwiegende Zeit mit kirchlichen Angelegenheiten beschäftigt sein wird.
Nach den Mitteilungen über diese Konferenz der Innenminister wurde bereits im März erklärt, daß die kommenden Organe des Verfassungsschutzes nicht der regulären Polizei unterstehen werden, dafür aber — ich zitiere wörtlich — „im Einvernehmen mit den Besatzungsmächten arbeiten sollen". Weiterhin wurde auf dieser Konferenz darüber gesprochen, daß diese Verfassungsschutz-Zentralstelle und ihre Filialen in den Ländern „ihre Informationen von nicht polizeimäßig organisierten Verbindungsleuten erhalten sollen." Aus diesen etwas vorwitzigen Veröffentlichungen ergibt sich also ganz klar — da man bis heute kein Dementi hat folgen lassen —, daß man eine neue Gestapo als verlängerten Arm der Besatzungsmächte und ihrer Militärpolizei schaffen will.
Der zweite Punkt, meine Damen und Herren! Sie geben vor, durch dieses Gesetz die Verfassung schützen zu wollen. Ich frage Sie: was Wollen Sie denn eigentlich mit Ihren Maßnahmen schützen?
Sie wollen den Eindruck erwecken, als ob dieser
Staat, der sogenannte westdeutsche Bundesstaat,
und das Grundgesetz von Bonn Ewigkeitswert besäßen.
Sie behaupten damit, daß jeder, der gegen diese Verfassung auftritt, ein Hochverräter sei, der nach dem Vorschlag der sozialdemokratischen Fraktion zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt werden müßte. Ich könnte Ihnen aus west-alliierten und deutschen amtlichen Quellen aus der Debatte über das Bonner Grundgesetz eine ganze Serie von Zitaten dafür bringen, daß alle diese Stellen das Bonner Grundgesetz und auch den durch dieses Gesetz repräsentierten Staat als ein Provisorium bezeichnet haben.
Wenn es sich aber um ein Provisorium handelt,
dann muß es jedem Bürger dieses Landes zustehen,
für die Überwindung dieses Provisoriums, d. h. für
seine baldige Ablösung durch ein geeintes, unabhängiges, demokratisches Deutschland einzutreten.
Wir werden das heute und immer tun,
weil wir nicht wollen, daß dieser westdeutsche Staat, der auf Geheiß ausländischer imperialistischer Herren zustande gekommen ist,
auch nur einen Tag länger existiert, als es das jetzige Schutzverhältnis durch die Westmächte garantiert und erzwingt.
Zum Schluß möchte ich eines fragen: wen ernennen Sie eigentlich zum patentierten Schützer dieser Verfassung? Es soll jene selbe reaktionäre Justiz sein,
die sich zu neun Zehntel aus Dienern der Hitlerjustiz zusammensetzt und die im Lande am laufenden Band Naziverbrecher freispricht oder sie mit provozierenden Scheinstrafen belegt. Es sollen die gleichen Leute — — —Vizepräsident Dr. Schäfer: Herr Abgeordneter, ich mache auf den Ablauf Ihrer Redezeit aufmerksam. Das Signal war schon einmal gegeben.