Rede von
Dr.
Max
Becker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Zunächst möchte ich den Antrag stellen, dieses Gesetz dem Ausschuß zum Schutze der Verfassung zur Bearbeitung zu überweisen.
In der Sache selbst habe ich folgendes zu sagen: Die Überschrift des Gesetzes „Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes" verspricht mehr, als bei der Lektüre der vorgeschlagenen Paragraphen in Erscheinung tritt. Der Schwerpunkt liegt offensichtlich in § 5 des Gesetzes, und die ganze scheinbare Dürftigkeit der Paragraphen ist aus der recht komplizierten verfassungsrechtlichen Grundlage zu erklären, die das Grundgesetz für diese Dinge gibt. Denn Art. 87 sieht nur eine Zentralstelle tür das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen als eine in bundeseigener Verwaltung zu führende Bundesoberbehörde vor.
Ich teile die Bedenken meines Herrn Vorredners, ob es notwendig ist, eine eigene Behörde mit dieser Aufgabe zu betrauen, bzw. ob nicht die Möglichkeit besteht, auch mit im Ministerium Lies Innern schon vorhandenen Behörden auszukommen. Dasselbe dürfte auf der Länderbasis geiten. Aber ich bitte, zu erwägen, daß Art. 91 in seinem Abs. 2 in den Fällen, in denen dem Land eine Gefahr droht und das betreffende Land nicht bereit oder nicht in der Lage ist, sich selbst zu schützen oder gegen die drohende Gefahr aufzutreten, dem Bund ohnehin schon das Recht gibt, die Polizei in diesem Lande und die Polizeikräfte anderer Länder seinen Weisungen zu unterstellen. Hier ist also schon ein Weisungsrecht begründet, das, wenn die Weisungsrechtsvorschläge des § 5 eine besondere praktische Bedeutung auf dem Gebiete der Ordnungspolizei enthalten oder bringen sollten, einer gewissen Ausweitung bedürfen würde. Ich glaube, eme sachliche Begründung für eine solche Notwendigkeit dürfte nach den Nachrichten der heutigen Presse über die Vorgänge an der Zonengrenze bei Schleswig-Holstein wohl ohne weiteres gegeben sein, und ich möchte hoffen, daß der Bundesrat gerade unter Würdigung dieser Dinge seine Bedenken gegen die vorgeschlagene Fassung des § 5 zurückstellt.
Eine kleine Arabeske noch am Rande. Der Bundesrat hat unter Berufung auf Art. 85 des Grundgesetzes der Auffassung Ausdruck gegeben, es handle sich hier um ein Gesetz, dem er zustimmen müsse. Das kann zum Teil zutreffen. Er hat aber übersehen, daß dieses Weisungsrecht nach Art. 84 Abs. 5 nur der Bundesregierung und nicht, wie es hier im Text heißt, dem Bundeskanzler zusteht. Wir werden uns wohl im Ausschuß darüber unterhalten müssen, ob nicht in § 5 entsprechend dem Grundgesetz die Worte „die Bundesregierung" eingesetzt werden müßten. Das würde auch die Beseitigung eines gewissen Schönheitsfehlers bedeuten, der uns bei der Lektüre des § 5 aufgefallen ist, in welchem es heißt: „Der Bundeskanzler oder mit dessen Vollmacht der Bundesminister des Inneren kann Weisungen erteilen." Das erweckt den Anschein, als ob, da eine besondere Vollmacht vorausgesetzt wird, der Begriff der Kollegialität innerhalb des Bundeskabinetts nicht die Würdigung erhält, die er nach dem Grundgesetz und nach den Grundsätzen des parlamentarischen Systems eigentlich verlangen dürfte.