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Hohes Haus! Meine Damen und Herren! In Vertretung des Herrn Bundesministers des Innern darf ich zu dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf Drucksache Nr. 924 folgendes ausführen.
Nach Art. 73 Nr. 10 des Grundgesetzes hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebung über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. Das Grundgesetz spricht also von Zusammenarbeit. Daraus ergibt sich, daß weder der Bund noch die Länder befugt sind, den Verfassungsschutz für sich allein zu beanspruchen. Beide sind berechtigt, und beide sind verpflichtet, auf diesem Gebiete tätig zu werden und sich dabei gegenseitig zu unterstützen. Die Regelung dieser Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern ist ausschließlich Sache des Bundesgesetzgebers. Meine Damen und Herren! Gestützt auf diese verfassungsrechtliche Grundlage spricht der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf in § 1 aus, daß der Bund und die Länder verpflichtet sind, in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten.
Verfassungsschutz ist ein Begriff, der sehr weit gespannt werden könnte. Es gibt den strafrechtlichen Verfassungsschutz, der Angriffe gegen die verfassungsmäßige Ordnung, ja zum Teil schon den Versuch, das Unternehmen solcher Angriffe mit schwerer Strafe bedroht und ahndet. Zu erwähnen sind hier insbesondere die Vorschriften über Hochverrat und Verfassungsstörung, wie sie in einem zur Zeit dem Bundesrat vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs enthalten sind. In Betracht kommen aber auch die in dem gleichen Entwurf vorgesehenen Tatbestände der Verächtlichmachung von Staatsorganen, der Staatsverleumdung und der Verunglimpfung von Staatssymbolen.
Daneben gibt es den polizeilichen Verfassungsschutz, dessen Aufgabe es ist, verfassungsfeindliche Bestrebungen rechtzeitig aufzudecken und der strafrechtlichen Ahndung zuzuführen, dessen Aufgabe es aber auch ist, verfassungsfeindliche Aktionen bei Gefahr im Verzuge polizeilich zu unterbinden. Den schwerwiegendsten Fall des polizeilichen Verfassungsschutzes, den der Gefährdung des Bestandes oder der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Bundes oder eines Landes, hat das Grundgesetz selbst in seinem Art. 91, dem Staatsnotstandsartikel, geregelt.
Es gibt aber noch eine dritte, auf weite Sicht gesehen vielleicht die wirksamste Form des Verfassungsschutzes. Sie besteht darin, das Volk und im besonderen die Jugend eines Volkes, in der Achtung vor der demokratischen Verfassung des Staates zu erziehen.
Es liegt in der Natur der demokratischen Staatsform, daß sie wenig Propaganda für sich selbst entfaltet, daß sie mehr durch ihr Wirken überzeugen will. Aber leider nimmt die zersetzende Gegenpropaganda antidemokratischer Kräfte heute zu, so daß eine sachliche Aufklärung der breiten Massen über das Wesen der Demokratie und über ihre Arbeitsweise mehr denn je vonnöten ist. Es ist nicht
einzusehen, daß die Demokratie immer bloß in der Defensive bleiben soll. Im Haushaltsplan des Bundesministeriums des Innern sind deshalb für 1950 eine Viertelmillion D-Mark zur Förderung des demokratischen Gedankens beantragt. Die Mittel sollen eingesetzt werden, um die Staatsbürger, besonders aber die Jugend über die Funktionen der demokratischen Organe und über ihr Zusammenspiel aufzuklären. Diese Aufgabe ist ein Anliegen aller wirklich demokratischen Parteien. Es ist deshalb auch vorgesehen, daß größere Beträge aus diesen Mitteln nur im Benehmen mit dem Ausschuß zum Schutze der Verfassung vergeben werden. Dadurch soll sichergestellt werden, daß diese Gelder nicht etwa für Zwecke verwendet werden, die auf eine Propagierung der jeweiligen Regierungspolitik hinauslaufen. Sie sollen ganz allgemein zur Stärkung des demokratischen Gedankens dienen.
Meine Damen und Herren, der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf befaßt sich ausschließlich mit dem polizeilichen Verfassungsschutz. Dies ergibt sich aus Nr. 10 des Art. 73 des Grundgesetzes, die bekanntlich den Verfassungsschutz im Zusammenhang mit der Kriminalpolizei und der internationalen Verbrechensbekämpfung aufführt und ihrem ganzen Wortlaut nach ausgesprochen polizeilichen Charakter trägt. Andererseits umfaßt aber die in § 1 des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfs vorgeschriebene Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern den ges am t en Bereich polizeilicher Befugnisse von Bund und Ländern. Der Bund und die Länder wirken daher nicht nur in der Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes zusammen. Sie sind darüber hinaus auch im Bereich der exekutiv-polizeilichen Befugnisse verpflichtet, in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. Für den Bund gilt dies, soweit er Exekutivbefugnisse auf dem Gebiet der Kriminalpolizei oder des Grenzschutzes bereits hat oder auf Grund des unter Umständen sehr weittragenden und von mir vorhin kurz erwähnten Art. 91 des Grundgesetzes auf dem Gebiete der Ordnungspolizei erhält. Für die Länder gilt die Verpflichtung, in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes mit dem Bund zusammenzuarbeiten, für ihre gesamte polizeiliche Exekutive.
Meine Damen und Herren, etwas anders ist die Rechtslage für das Bundesamt für Verfassungsschutz, das nach § 2 des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfs als eine Bundesoberbehörde errichtet wird. Infolge der ausdrücklichen Beschränkung in Art. 87 Abs. 1 des Grundgesetzes kann diese Behörde lediglich als eine Zentralstelle zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes errichtet werden. Polizeiliche Exekutivbefugnisse oder polizeiliche Kontrollbefugnisse können nach dem Wortlaut der Verfassungsbestimmung diesem Amt nicht verliehen werden. Es darf auch nicht einer polizeilichen Dienststelle angegliedert werden.
Nun wäre es aber falsch, wegen dieser Beschränkung der Zuständigkeit die Bedeutung des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu unterschätzen. Die Aufgabe dieses Amtes besteht nach § 3 des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfes in der umfassenden Sammlung und in der schnellen Auswertung aller für den Verfassungsschutz wichtigen Unterlagen. Das Amt hat die Aufgabe, die Bundesregierung und über die von den Ländern bestimmten Behörden — in jedem Land soll und muß auch eine Behörde für Verfassungsschutz bestimmt werden — auch die Landesregierungen rasch und zuverlässig über Bestrebungen zu unterrichten, die eine Aufhebung,
eine Änderung oder eine Störung der verfassungsmäßigen Ordnung oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben.
Die in den Ländern zur Bearbeitung von Angelegenheiten des Verfassungsschutzes bestimmten Behörden haben ihrerseits das Bundesamt für Verfassungsschutz laufend über alle für den Verfassungsschutz in Bund und Ländern wichtigen Angelegenheiten zu unterrichten.
Wegen der besonderen politischen Bedeutung seiner Arbeit soll das Bundesamt für Verfassungsschutz dem Bundeskanzler unterstellt werden. Da der Bundeskanzler jedoch von Ressortaufgaben möglichst entlastet werden muß, soll er durch das Gesetz ermächtigt werden, seine Befugnisse in der Führung des Amtes in weitestem Umfang, aber jederzeit widerruflich, auf den Bundesminister des Innern zu übertragen.
Meine Damen und Herren! Der Bundesrat betrachtet, wie aus seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf hervorgeht, das Gesetz als ein Zustimmungsgesetz. Er will außerdem die in § 5 des Gesetzentwurfs vorgesehene Weisungsbefugnis des Bundeskanzlers oder des Bundesinnenministers gegenüber den einschlägigen Dienststellen der Länder auf die Sammlung und Auswertung von Unterlagen beschränken. Der Bundesrat hat hiermit die wirklich nicht ganz einfache Rechtsfrage des Verhältnisses zwischen Art. 73 Nr. 10 und den Artikeln 83 und 87 des Grundgesetzes aufgeworfen. Diese Frage wird in den Ausschußberatungen noch genau zu klären sein.
Zusammenfassend darf zu dem Gesetzentwurf folgendes bemerkt werden. Das Grundgesetz fordert für den Verfassungsschutz eine auf gegenseitigen Rechten und gegenseitigen Pflichten beruhende Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Dieser Forderung dürfte der Gesetzentwurf voll entsprechen. Darüber hinaus ist zu erwarten, daß das Gesetz im gemeinschaftlichen Vollzug durch den Bund und durch die Länder zu einem engen Vertrauensverhältnis auf dem für beide Teile lebenswichtigen Gebiet des Verfassungsschutzes führt.
Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Noch ein letztes Wort. Mindestens ebenso wichtig wie eine einwandfreie gesetzliche Regelung der Materie ist die Besetzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz
mit demokratisch unbedingt zuverlässigen
und fachlich hochwertigen Kräften. Die Bundesregierung wird alles daransetzen, auch dieser Verpflichtung gerecht zu werden.