Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Arndt begründet den von seiner Fraktion in Drucksache Nr. 904 vorliegenden Antrag auf Abänderung des § 4 des Mieterschutzgesetzes damit, daß er auf das Grundgesetz verweist und sagt: die Wohnung ist nach dem Grundgesetz unverletzlich. Ich beziehe mich auf das gleiche Grundgesetz, das da ebenso eindeutig sagt, daß auch das Eigentum unverletzlich ist.
Es ist der Kampf zwischen Besitz und Eigentum, der hier ausgetragen werden muß.
Es ist zuzugeben, daß die Fassung, wie sie jetzt vorgeschlagen wird, schon einmal im Gesetz stand und daß sie durch den Nationalsozialismus aufgehoben worden ist. Wenn der Nationalsozialismus, der doch alles und jedes glaubte reglementieren zu sollen, im Interesse eines allseitigen Funktionierens des menschlichen Zusammenlebens
— des Volkes, wie er sagte — eine solche Bestimmung aufhob, dann muß das auch seine guten Gründe gehabt haben.
— Lachen Sie nur, meine Herren, das beirrt mich nicht. Diese guten Gründe stammen eben aus der Praxis. Ich bin Rechtsanwalt und habe in der Vergangenheit
viele derartige Mietprozesse geführt. Wenn es darum ging, auf Grund des § 4 des Mieterschutzgesetzes zu entscheiden, was eine angemessene Ersatzwohnung ist, dann ging es nämlich erst los. Da habe ich Fälle erlebt, daß ein Vermieter, also ein Eigentümer, sich die größte Mühe gab, einen entsprechenden Ersatzraum zu beschaffen, und daß er zehnmal Ersatzwohnungen anbieten konnte; immer hatte der betreffende Mieter etwas auszusetzen. Bald paßte ihm die Lage nicht, bald war ihm der Preis zu hoch, bald hatte die Wohnung angeblich nicht genügend Zimmer und dergleichen mehr. Es war immer ein sehr erheblicher und unangenehmer Kampf. Denn gerade diese kleinen Prozesse werden mit einer Heftigkeit geführt, die oft in gar keinem Verhältnis zu dem steht, was auf dem Spiele steht.
Deshalb war es ganz vernünftig, daß man diese meines Erachtens untragbare Einschränkung des Verfügungsrechts über das Eigentum aufhob. Denn wo soll denn ein Vermieter heute bei der totalen Zwangswirtschaft, die auf dem Wohnungsmarkt herrscht, in der Lage sein, seinem Mieter einen Wohnraum zu beschaffen? Woher soll er denn das können? Das kann eben nur die bewirtschaftende Behörde und sonst niemand.
Meine Damen und Herren! Die Gefahr ist ja
nicht so, wie sie Herr Kollege Arndt hier an die
Wand gemalt hat, als ob heute damit Mißbrauch
getrieben werden könnte. Wenn ein wirklich guter Richter dort sitzt, dann ist das gar nicht möglich. Denn die Fassung von § 4 Abs. 1 Satz 1 des Mieterschutzgesetzes lautet:
Der Vermieter kann auf Aufhebung des Mietverhältnisses klagen, wenn für ihn aus besonderen Gründen ein so dringendes Interesse an der Erlangung des Mietraumes besteht, daß
auch bei Berücksichtigung der Verhältnisse des Mieters die Vorenthaltung eine schwere Unbilligkeit für den Vermieter darstellen würde.
Alle diese Dinge müssen vom Richter geprüft werden. Die Formulierung ist schon so, daß es einem Eigentümer, wenn er in seinen eigenen Raum will, unter den heutigen Verhältnissen überhaupt schwerfallen wird, nachzuweisen, daß diese Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 des Mieterschutzgesetzes gegeben sind. Ich erlebe täglich in der Praxis, daß das beinahe unmöglich ist. Da auch noch andere Kautelen, auf die ich hier im einzelnen nicht eingehen möchte, zur Sicherung des Mieters gegeben sind, nämlich Ersatz der Umzugskosten und dergleichen Dinge mehr, sind wir der Meinung, daß die Beschränkung, die hier dem Eigentumsrecht und der Verfügungsmacht des Eigentümers gezogen ist, genügen müßte und daß wir nicht neue erschwerende Bedingungen, die der Vermieter überhaupt nicht erfüllen kann, in das Gesetz einfügen sollten.
Wir werden deshalb dem Gesetzentwurf unsere Zustimmung versagen.