Rede von
Dr.
Adolf
Arndt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Art. 13 des Grundgesetzes ist die Wohnung unverletzlich. Eingriffe und Beschränkungen dürfen nur unter ganz besonderen Voraussetzungen erfolgen, insbesondere auf Grund eines Gesetzes auch zur Behebung der Raumnot. Zu diesen Eingriffsmöglichkeiten gehört § 4 des Mieterschutzgesetzes, der allerdings auf Grund der Verfassungsbestimmung streng und einschränkend ausgelegt werden muß. Nach § 4 des Mieterschutzgesetzes kann der Vermieter auf Aufhebung des Mietverhältnisses klagen, wenn für ihn aus besonderen Gründen ein so dringendes Interesse an der Erlangung des Mietraumes besteht, daß
auch bei Berücksichtigung der Verhältnisse des Mieters die Vorenthaltung eine schwere Unbilligkeit für den Vermieter darstellen würde. Von dieser Bestimmung ist in letzter Zeit in zunehmendem Maße Gebrauch und, man muß sagen, auch Mißbrauch gemacht worden,
so daß dringend eine Notwendigkeit dafür besteht, hier dem Mißbrauch zu steuern. Besonders in den Kreisen der Heimatvertriebenen hat sich eine große Unruhe ausgebreitet, da vielfach Klagen auf den sogenannten Eigenbedarf gestützt werden und der Vermieter bloß das Interesse hat, einen anderen Mieter zu bekommen, der ihm legal oder illegal eine höhere Miete bezahlt, oder er will unter dem Vorwand, den Raum selbst oder für geschäftliche Zwecke zu gebrauchen, sich nur ausdehnen, während dann der Flüchtling, der der sozial und finanziell Schwächere ist, irgendwo in ein Notquartier gedrängt wird.
Eine solche Praxis ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Sie entspricht übrigens auch schon gegenwärtig nicht der richtigen Anwendung des Mieterschutzgesetzes. Denn auch heute ist es nach der Rechtsprechung, insbesondere nach einem Beschluß des Oberlandesgerichts in Celle vom 30. Dezember 1949 schon so, daß ein wegen Eigenbedarfs zur Räumung verurteilter Mieter sich im Vollstreckungsverfahren nicht auf eine Notunterkunft verweisen zu lassen braucht, sondern daß er Anspruch auf angemessenen Ersatzraum hat. Leider wird diese Rechtsprechung aber von den unteren Gerichten und Behörden nicht hinreichend beachtet, so daß sich auch vielfach der unliebsame Zustand einstellt, daß ein Mieter auf Grund des angeblichen Eigenbedarfs des Vermieters aus der Wohnung hinausgedrängt wird und dann infolge Obdachlosigkeit auf Grund des Reichsleistungsgesetzes oder ähnlicher Vorschriften seitens der Wohnungs- oder Polizeibehörde in die ihm rechtskräftig abgesprochene Wohnung wieder eingewiesen werden muß.
Wir sind der Auffassung, daß diesen Mißständen gesteuert werden sollte und daß man zur Klarstellung der Rechtslage und in Ausführung des Grundgesetzes zu Bestimmungen zurückkommen sollte, die schon ursprünglich — bereits im Jahre 1923 — im Mieterschutzgesetz enthalten waren, nämlich daß bei Aufhebung des Mietverhältnisses auf Grund des sogenannten Eigenbedarfs lediglich dann die Zwangsvollstreckung zulässig ist, wenn für den Mieter ein unter Berücksichtigung seiner Wohn- oder Geschäftsbedürfnisse angemessener Ersatzraum gesichert ist. Diese Ergänzung des Mieterschutzgesetzes bezweckt unser Antrag. Wir bitten Sie, nach der Ausschußberatung diesen Antrag anzunehmen, da er erheblichen Mißständen, die auf diesem Gebiet eingerissen sind, abzuhelfen geeignet ist.
Ich bitte Sie, den Antrag an die zuständigen Ausschüsse, an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen, zu verweisen.