Meine Damen und Herren! Wir haben im Bundestag kurz vor den Osterfeiertagen fast einstimmig das Erste Wohnungsbaugesetz des Bundes verabschiedet und damit bewiesen, daß dieses dringendste oder mit das dringendste soziale Problem unserer Zeit alle unsere Herzen bewegt hat und sich alle Parteien gemeinsam darum bemüht haben, die größte Zahl von Wohnungen, die überhaupt gebaut werden können, und dazu die größte zahl von Wohnungen mit tragbaren Mieten für die ärmeren Bevölkerungsschichten in diesem und in den kommenden Jahren zu erstellen. Wir haben aber damals bei den Beratungen vor der Tatsache gestanden, daß in der Bundesrepublik mindestens vier Millionen Wohnungen, vielleicht sogar fünf Millionen Wohnungen fehlen, jedoch mit den Mitteln, die der Bundeswohnungsminister für dieses Jahr hat zusammenschaffen können und die immerhin gewaltig sind, nämlich 2,5 bis 2,7 Milliarden DM betragen, günstigstenfalls nur 320 000 Wohnungen gebaut werden können.
Es kommt ein Weiteres hinzu. Wir sehen mit aller Deutlichkeit, daß auf die Haushalte des Bundes, der Länder und der Gemeinden eine derartige Fülle von Kriegs- und Kriegsfolgelasten zukommt — ich erinnere nur an die Besatzungslasten, an die berechtigten Ansprüche der Kriegsopfer, an die Ansprüche der vertriebenen Beamten, der entnazifizierten Beamten, der ehemaligen Wehrmachtspensionäre; und sie können diese Liste beliebig weiter verlängern —, daß schon jetzt abzusehen ist, daß der Bund und die Länder kaum in der Lage sein werden, aus ihren Haushalten zur Förderung des sozialen Wohnungs-
Baus in den kommenden Jahren höhere Beträge als die in diesem Jahr aufgewendeten zur Verfügung zu stellen.
Auf der anderen Seite ist auch bisher die private Kapitalbildung noch nicht wieder in der Breite vorhanden und kann nach den Zerstörungen und Vernichtungen des Krieges auch gar nicht vorhanden sein, um das Problem der schnellen Finanzierung eines außergewöhnlich großen Wohnungsbaus zu einer sorgenlosen Angelegenheit zu machen.
Deshalb gingen nun unsere Überlegungen dahin, den Versuch zu machen, alles, was überhaupt nur möglich ist, zugunsten eines freiwilligen Zwecksparens aller zur Selbsthilfe entschlossenen deutschen Bevölkerungsteile zu tun. Aus diesen Überlegungen, die Selbsthilfe und das Zwecksparen in stärkstem Umfang mit einzuspannen, ist der Gedanke des „Deutschen Wohnungswerks" in die Form des vorliegenden Gesetzentwurfes gebracht worden. Er hat schon bei den Beratungen des ersten Wohnungsbaugesetzes eine Rolle gespielt. Sie werden sich noch daran erinnern, daß damals mit dem Gesetz vom Bundestag einstimmig eine Entschließung angenommen wurde, wonach auch den Beziehern kleinerer Einkommen ein erheblicher steuerlicher Anreiz für jede Spartätigkeit für den Wohnungsbau gewährt werden soll, und daß damals in Besprechungen mit dem Finanzminister ein Übereinkommen dahin erzielt wurde, bis zum Juli dieses Jahres eine Novelle zum Einkommensteuergesetz herauszubringen, die es den Beziehern kleinerer Einkommen ermöglicht, 25 °/o ihrer für den Wohnungsbau ersparten Beträge von ihren steuerlichen Verpflichtungen in Abzug zu bringen.
Es war damals klar, daß die praktische Durchführung dieses steuerbegünstigten Wohnungssparens für die ärmeren Bevölkerungsschichten erheblichen Schwierigkeiten begegnen würde, wenn nicht Wege gefunden werden könnten, um dies ohne verwaltungsmäßige Mehrarbeit, ohne Schwierigkeiten der Nachprüfung, also glatt und reibungslos abzuwickeln. Das „Deutsche Wohnungswerk" hat versucht, einen solchen gangbaren Weg zu finden, der gleichzeitig geeignet ist, einen Anreiz für das Wohnungssparen zu geben und dieses in den breitesten Schichten unseres Volkes populär zu machen. Es soll bei allen Banken, bei allen Sparkassen, bei allen Kreditgenossenschaften oder Bausparkassen jeweils ein Konto „Deutsches Wohnungswerk" geführt werden. Auf diese Konten sollen von jedem, der daran interessiert ist, auf besonderen Sparkarten mit Sparmarken Einzahlungen vorgenommen werden, und zwar in der Weise, daß für eine Sparmarke von einer Mark nur 75 Pfennige oder entsprechend für 20 Mark nur 15 Mark zu zahlen sind. Auf Grund der monatlichen Meldungen aller Kreditinstitute kann dann der Finanzminister in einer Summe aus dem Lohnsteueraufkommen die Differenzbeträge als Prämie überweisen.
Diese Art der technischen Durchführung wurde im großen Rahmen damals bereits mit dem Bundesfinanzminister abgesprochen und fand im wesentlichen seine Billigung. Sie gibt auf der andern Seite auch die große Möglichkeit, jedem einzelnen sichtbar zu machen, welche Vorteile es für ihn hat, wenn er, statt im Augenblick irgendeinem Genuß nachzugeben, für den Erwerb einer Wohnung oder eines Eigenheimes spart.
Dazu muß aber noch etwas anderes kommen, nämlich das Gefühl der Sicherheit, daß in dem Augenblick, in dem die geforderte Sparleistung erbracht ist, auch tatsächlich die Gewähr besteht, eine Wohnung oder ein Eigenheim zu erhalten.
In der Herstellung dieses Gleichlaufs von Spartätigkeit auf der einen Seite und von Bautätigkeit auf der andern Seite liegt das schwierigste Problem, das im Rahmen des „Deutschen Wohnungswerks" zu bewältigen ist. Da muß ich kurz auf den Gedanken eingehen, der dem Ganzen zugrunde liegt, nämlich nicht eine neue große Mammutbehörde zu schaffen, eine neue Apparatur, die etwa selber Wohnungseigentum erwerben will oder die selber Kreditgeschäfte zu betreiben gedenkt, sondern hier nur einen Lenkungs- und Steuerkopf zu schaffen, der sich im übrigen vollkommen der bestehenden Einrichtungen der Kreditinstitute, der bestehenden Einrichtungen der Bauwirtschaft und der bestehenden Träger der Wohnungswirtschaft bedient und es absolut ihrer freien und privaten Initiative und Entscheidung überläßt, sich im Wettbewerb um das Ziel der Schaffung möglichst vieler Wohnungen und Eigenheime zu betätigen. Das „Deutsche Wohnungswerk" wird deshalb einmal die Führung der Sparkonten den bestehenden Banken überlassen. Es wird zum zweiten die Vergabe der Wohnungen, soweit sie als Mietwohnungen errichtet werden, für alle Interessenten ausschreiben, seien sie private Bauherren, seien sie gemeinnützige Wohnungsunternehmen, seien sie freie Wohnungsunternehmen, die gewillt sind, unter den Bedingungen der Finanzierungshilfe, die ihnen hier geboten wird, Wohnungen zu errichten. Es wird ebenso für alle Eigenheimbauten im Wege der Ausschreibung Bauherren suchen, die bereit sind, zu den gebotenen Finanzierungsbedingungen Eigenheime zu erstellen. Es. wird also die örtliche Initiative und den örtlichen Wettbewerb der Bauherren und Architekten in vollem Umfange einschalten und zum Tragen bringen und nicht in irgendeiner Form zu einer Zentralisierung, zu einer Bürokratisierung oder zu einer Aufblähung führen. Das sind einmal die entscheidenden Grundgedanken.
Ich meine, es darf eben nicht mehr jeder einzelne in Deutschland darauf warten, daß der Staat etwas für ihn tut; denn der Staat kann tatsächlich nur noch für diejenigen Menschen etwas tun, die sich selbst und mit ihrer Hände Arbeit überhaupt nicht mehr zu helfen vermögen. Es muß vielmehr bei unseren deutschen Menschen das Gefühl dafür geweckt werden, daß ihre Eigeninitiative in vollem Umfange belohnt wird durch diese starken Anreize und Vergünstigungen, wenn sie ihren Willen, etwas voranzubringen, beweisen. Gleichzeitig soll auch das Gefühl bei ihnen wieder gestärkt werden, wie wertvoll es ist, zu einem neuen Heime, zu einer neuen Heimat zu kommen.
Es wird wegen der praktischen Durchführung im einzelnen noch sehr viel zu beraten sein. Die Sparbeträge, die der Entwurf angenommen hat, sind so angesetzt worden — mit 3000 DM für eine Mietwohnung, d. h. effektiv vom Sparer zu leisten 2250 DM, oder mit 4200 DM für ein Eigenheim, effektiv zu leisten 3150 DM —, daß außer der erststelligen Marktfinanzierung auch noch eine gewisse zweitstellige Finanzierung — wenn auch in erheblich geringerem Umfange als gegenwärtig, im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus — notwendig sein wird. Es ist daran gedacht, daß diesen Raum in stärkerem Umfange allmählich auch der marktmäßige zweitstellige Kredit ausfüllen soll und daß gerade die Institution des „Deutschen Wohnungswerks" als eine zusätzliche Gewähr für die Sicherheit dieser nachstelligen Hypotheken die Heran-
ziehung und Gewährung solcher marktmäßigen nachstelligen Mittel beflügeln soll. Aber bis diese zusätzliche Aufgabe der Wiedererweckung eines nachstelligen Hypothekenmarktes gelöst worden ist, bis dahin wird zweifellos ein gewisser zweitstelliger Förderungsbetrag aus öffentlichen Mitteln notwendig sein. Er ist, wie ich schon eben sagte, erheblich geringer als gegenwärtig notwendig, weil die Sparleistung des Wohnungssparers oder des Eigenheimsparers hinzutritt, und insofern können erheblich mehr Wohnungen mit den gleichen Gesamtsummen an öffentlichen Förderungsmitteln erstellt werden als bisher.
Es ist sicher, daß der Gedanke des „Deutschen Wohnungswerks", wenn er in der geeigneten Form in die Öffentlichkeit hineingetragen wird, es bewerkstelligen kann, daß breiteste Kreise von dieser Form des Zwecksparens Gebrauch machen und daß dadurch erhebliche Mittel, die gegenwärtig in einen vielleicht nicht immer volkswirtschaftlich wertvollen Konsum fließen, der Lösung des dringendsten sozialen Problems zugeführt werden. Deshalb ist auch beabsichtigt, die werbemäßige Auswertung des Gedankens in stärkstem Umfange mit in die Waagschale zu werfen. Es soll dahin kommen, daß die Eltern, die Verwandten für ihre heranwachsenden Kinder solche Sparmarken erwerben, daß der junge Mann, der einmal heiraten will, sich schon rechtzeitig an der Spartätigkeit für das „Deutsche Wohnungswerk" beteiligt. Und gerade von dieser Mitnutzbarmachung der Werbewirkung des Gedankens versprechen wir uns unter den gegenwärtigen Umständen, bei denen es sich darum handelt, jede nur irgendwie erreichbare Mark in den Wohnungsbau hineinzuziehen, außerordentlich viel.
Wenn ich noch kurz auf die Technik des „Deutschen Wohnungswerks" eingehen darf, so will ich nicht verhehlen, daß es auf manchen Gebieten einige grundlegend neue Entschlüsse verlangt, beispielsweise in der Frage des Zusammenwirkens des Bundes und der Länder in der Vergabe der zweitstelligen öffentlichen Förderungsmittel. Aber dazu möchte ich das eine sagen: was wir hiermit wollen, ist, eine vollkommen neue Idee in unsere Bevölkerung hineinzutragen, nämlich die Idee einer Verbindung zwischen der Einzelinitiative, dem Gedanken der Selbsthilfe, dem Gedanken des Erwerbs von Eigentum auf der einen Seite und der Lenkung in einer geeigneten Form durch eine zentrale Stelle auf der anderen Seite, also gewissermaßen eine Synthese mit absolut konformen Mitteln als Ausdruck dessen, was wir unter „sozialer Marktwirtschaft" verstehen. Es soll das Ziel des Deutschen Wohnungswerks sein, allen denen, die aus eigener Kraft etwas schaffen und voranbringen wollen, die nötige Hilfe und Unterstützung zu leihen, damit sie zu einem neuen Heim, zu einer neuen Heimat kommen können.
In diesem Sinne bitte ich das Hohe Haus, den Mut zu haben, an die neuartigen Gedanken dieses Gesetzes heranzugehen und auch den Mut zu finden, in Dingen, die im Rahmen bisheriger Überlegungen vielleicht etwas gewagt erscheinen, zu einer praktischen und gangbaren Lösung zu kommen. Auf diese Weise könnte für unsere Bevölkerung eine neue Hoffnung erweckt und eine weitere Möglichkeit geschaffen werden, mit dem dringendsten sozialen Problem, der Wohnungsnot, wesentlich schneller fertig zu werden, als es nach den nüchternen Zahlen jetzt den Anschein hat.