Rede von
Willi
Eichler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist klar, daß die Verteilung der deutschen Umsiedler auf die verschiedenen Berufe und ihre faktische Gleichberechtigung beim Aufbau und in der Erhaltung ihres Lebens in der Bundesrepublik eine Angelegenheit aller Deutschen ist. Wir glauben aber nicht, daß dies der eigentliche Gegenstand des Antrags ist. Praktisch scheint uns hier der Fall vorzuliegen, daß unter dem Vorwand einer scheinbaren Wohltätigkeit für die Ostvertriebenen eine Begriffsbestimmung in die deutsche Gesetzgebung eingeschmuggelt werden soll, die wir alle, glaube ich, ohne Unterschied der Fraktion ablehnen sollten.
Der Herr Vorredner hat hier zu begründen versucht, daß auch Männer wie Churchill für das Potsdamer Abkommen und vor allem für die in diesem Abkommen vereinbarten Verschiebungen von Millionenmassen und für die Verursachung einer der größten Unrechtstaten verantwortlich sind, die an der Menschheit seit dem Naziunrecht überhaupt verübt worden sind. Wir stellen demgegenüber fest: erstens: Die Deportierten können heute gar nicht durch einen Machtspruch des Deutschen Bundestags zu deutschen Staatsangehörigen gestempelt werden. Ein großer Teil von ihnen ist vielleicht gar nicht bereit, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen. Zweitens: Soweit es sich um Rechte und Pflichten in Deutschland selber handelt, sind die Flüchtlinge, wie der Herr Bundesminister Dr. Lukaschek bereits erwähnt hat, den Deutschen gleichgestellt, auch wenn sie nicht formatrechtlich deutsche Staatsangehörige sind. Der Art. 116 des Grundgesetzes gibt darüber eindeutig und klar Auskunft.
Was wir aber noch weniger nötig haben und wozu wir auch kein Recht haben, das ist, das Potsdamer Abkommen zu einem Gegenstand deutscher staatsrechtlicher Betrachtungen zu machen und diese in einem deutschen Gesetz niederzulegen.
Das deutsche Volk ist an dem Potsdamer Abkommen nicht beteiligt,
und ob man sich daran hält oder nicht, ist Gegenstand der daran Beteiligten. Und wir haben als Fraktion einer deutschen Partei keinerlei Interesse, jemandem dabei zu helfen, die ihm aus diesem Abkommen erwachsenen Verbindlichkeiten für ihn zu übernehmen. Die deutsche Sozialdemokratische Partei lehnt die in diesem Abkommen angeblich festgelegten Grenzziehungen ab.
Dazu kommt, daß in diesem Abkommen nicht einmal Grenzziehungen festgelegt sind.
Wir schlagen deshalb vor, da dieser Antrag den Ostvertriebenen nicht hilft, da er einmal eine Forderung stellt, die sie selber vielleicht nicht wollen und die zu erfüllen wir gar kein Recht haben, da er zweitens zwar eine sachlich begründete Forderung enthält, die aber bereits durch das Grundgesetz erfüllt ist, und da drittens die Einschmugglung des Potsdamer Abkommens in ein deutsches Gesetz unerwünscht ist, über den Gegenstand zur Tagesordnung überzugehen.