Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Der Inhalt unseres Antrages ist folgender:
Der § 4 der Verordnung der Bundesregierung vom 17. Februar 1950 über Maßnahmen gegen dienstlich ungeeignete Beamte und Angestellte wird wegen seiner Verfassungswidrigkeit aufgehoben.
Lassen Sie mich unseren Antrag kurz begründen.
Der Art. 132 Abs. 1 des Grundgesetzes läßt die Versetzung von Beamten und Richtern, die auf Lebenszeit angestellt sind, in den Ruhestand oder in den Wartestand oder in ein Amt mit niedrigerem Diensteinkommen nur zu, wenn ihnen die persönliche oder fachliche Eignung für ihr Amt fehlt. Es heißt weiter: „Auf Angestellte, die in einem unkündbaren Dienstverhältnis stehen, findet diese Vorschrift entsprechende Anwendung." Die Anwendung des Art. 132 des Grundgesetzes ist also davon abhängig gemacht, daß die eine oder die andere Eignung, die persönliche oder die fachliche, für die Ausübung des Amtes fehlt.
Der Art. 132 Abs. 2 des Grundgesetzes schafft aber für Angehörige des öffentlichen Dienstes, soweit sie anerkannte Verfolgte des Nationalsozialismus sind, ein Sonderrecht. Der Abs. 1 des Art. 132 darf für diesen Personenkreis keine Anwendung finden, sofern nicht ein wichtiger Grund in ihrer Person vorliegt. Der Mangel der fachlichen Eignung läßt also bei diesem Personenkreis die Anwendung des Abs. 1 des Art. 132 nicht zu.
Der § 4 der angezogenen Verordnung der Bundesregierung vom 17. Februar 1950 hebt aber das in Art. 132 Abs. 2 des Grundgesetzes verankerte Sonderrecht für Angehörige des öffentlichen Dienstes, die anerkannte Verfolgte des Nationalsozialismus sind, auf. Nach § 4 der besagten Verordnung finden die Maßnahmen des Art. 132 Abs. 1 bei Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die anerkannte Verfolgte des Nationalsozialismus sind, auch dann bereits Anwendung, wenn ihnen die fachliche Eignung für das Amt in einem solchen Maße fehlt, daß die ordnungsmäßige Erledigung ihrer Aufgaben ausgeschlossen ist.
Der Sinn unseres Antrages ist der, zum Ausdruck zu bringen, daß wir darin eine Verletzung des Grundgesetzes erblicken. Das Grundgesetz hat dieses Sonderrecht den anerkannten Verfolgten des Nationalsozialismus ausdrücklich zugebilligt, weil ihre Fortbildung infolge der erlittenen Verfolgung oder Inhaftierung und infolge der damit verbundenen körperlichen und seelischen Schädigung naturnotwendig leiden mußte. Es erscheint uns einfach als eine unerträgliche Zumutung, die Beurteilung der fachlichen Eignung eines anerkannten Opfers des Faschismus von der Meinung übergeordneter Beamter abhängig zu machen, die Faschisten waren.