Rede von
Hans
Ewers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte ist durch den Skandal des Großschmuggels aus-. gelöst, der sich zur Zeit schon dahin ausgewirkt hat, daß der Kaffeegroßhandel genau wie vor einem Vierteljahr die Zigarrenindustrie, zum Erliegen kommt und daß die Zigarettenindustrie vor der Notwendigkeit der Arbeiterentlassungen steht, weil sie mit ihrer legalen Produktion den Markt nicht mehr versorgen kann. Das sind neben allen moralischen Dingen die Sturmzeichen, die in der Tat die volle Beachtung nicht nur dieses Hauses, sondern der gesamten deutschen Öffentlichkeit erheischen. In welcher Weise man diesen Dingen, meines Erachtens ein halbes Jahr zu spät. nunmehr zu Leibe gehen kann und will, hat der Herr Bundesfinanzminister dem Hause erläutert. Seinen sehr eingehenden detaillierter Angaben haben wir mit Interesse gelauscht. Wir haben daraus herauszuhören gemeint, daß sie zu einem großen Teil an die Adresse der Hohen Kommissare gerichtet waren und daß die Begründung, die man ihnen gegeben hat, insofern wiederum, darf ich sagen, innen-außenpolitisch abgestimmt war.
Was mich besonders veranlaßt, das Wort zu nehmen, ist folgendes, was bisher kaum gestreift, höchstens einmal unklar angedeutet worden ist. Aus den Worten des Herrn Bundesfinanzministers klang die Meinung heraus, als ob die gegenwärtigen Steuersätze für Kaffee, Zigaretten, für Tee insbesondere und für andere Verbrauchsgüter gerecht und zweckmäßig wären und als ob mit einer Senkung dieser Sätze irgendwelche fiskalischen Gefahren für das Steueraufkommen verbunden sein könnten. Ich glaube nicht, daß das eine Weisheit ist, die dem Hirn des Herrn Bundesfinanzministers selbst entsprungen ist; er spricht sie wohl seinen amerikanisch-britischen Verhandlungspartnern nach. Denn wie liegen die Dinge?
Es ist bekannt, daß man Luxus- und Verbrauchsgüter, insbesondere solche, die als der Volksgesundheit schädlich gelten, mit Steuern belastet, die zum Teil einen abschreckenden Charakter haben sollen. Dazu rechnet im Gemeindesteuersektor insbesondere die Hundesteuer. Weiterhin ist jedem Menschen, der in Steuerdingen nur die geringste Erfahrung hat, bekannt, daß Abschrekkung und Aufkommen immer in einem reziproken Verhältnis zueinander stehen. Je besser die Abschreckung gelingt, um so geringer ist das Steueraufkommen. Wo etwa der wirtschaftlich noch tragbare Satz bei einer einzelnen Steuer liegt,
wo also die Abschreckung bei gegebenen
Konsum trotzdem zu einem für den Fiskus annehmbaren Aufkommen führt, das ist mittlerweile einigermaßen erforscht.
Nun handelt es sich hier um Verbrauchsgüter, deren bevorzugte Besteuerung alle Nichtraucher,
Kaffeeverächter oder diejenigen, die nicht Teeliebhaber sind, begrüßen werden. Deswegen aber anzunehmen, daß es sich bei diesen Artikeln um „Luxusgüter" handle, ist insbesondere bei der Zigarette mittlerweile als weltfremder Unsinn erwiesen. Der Herr Redner der SPD-Fraktion hat völlig recht mit der Feststellung, daß diese Güter inzwischen, ich möchte fast sagen, schon seit einem Jahrhundert Gemeingut der Bevölkerung sind, daß man also hier in der Tat ein schier unentbehrliches Genußmittel besteuert. Man sollte also bei der Besteuerung dieser Dinge die Kirche im Dorfe lassen und die Abschrekkungstendenz im Zaum halten.
Das Gleiche gilt jedenfalls für Tee, aber auch für Kaffee, mindestens cum grano salis. Daß das reine Luxusgüter seien, die ein Kulturvolk heute schlechterdings entbehren könne, das läßt sich nur von Herrn Morgenthau als Strafmaßnahme für deutsche Menschen vertreten, aber keineswegs von einem Manne, der für das deutsche Volk spricht und handelt. Im Sinne des Herrn Morgenthau sind die heutigen Steuersätze, das darf man getrost sagen, reine Abschreckungssätze. Bei ihrer Bemessung ging man bestimmt von der Erwägung aus: wenn das im Kriege überwundene deutsche Volk, das kapituliert hat, sich solchen „Luxus" gestatten will, dann soll es wenigstens ordentlich blechen! Das ist die alleinige Tendenz der heutigen Steuersätze.
Die Annahme, daß bei einer angemessenen Senkung der Zigarettensteuer, wie sie vorgesehen ist, ein fiskalischer Ausfall eintreten könnte, ist durch die Darlegungen der Zigarettenindustrie so schlagend widerlegt, daß darauf kein Wort zu erwidern ist. Ich möchte daher mit aller Entschiedenheit der Meinung Ausdruck geben, daß a jede noch so gründliche wissenschaftliche Untersuchung zu dem Ergebnis führen wird: eine angemessene Senkung der Zigaretten- ,und der Kaffeesteuer wird bestimmt keinen Steuerausfall, sondern vermutlich nicht unerhebliche Steuermehreinnahmen bringen.
Es kann keine Rede davon sein, daß irgendwelche fiskalischen Bedenken dagegen sprechen könnten, diese längst notwendige und für die Bekämpfung des Schmuggels unentbehrliche Maßnahme noch zurückzustellen. Das anzuführen war der Anlaß für mich, mich zum Worte zu melden; denn heute haben nun einmal diese Steuern für Kaffee, Tabak, Zigaretten und Tee reinen Abschreckungscharakter, etwa in dem Sinne, das deutsche Volk müsse bestraft werden, wenn es sich solchem Luxus hingibt.
Die Folge ist natürlich, daß die Öffentlichkeit die wirtschaftlichen Mittel und Wege findet — in diesem Falle leider schlechte Mittel und illegale Wege —, um diesem Druck, der wiederum moralisch illegal auf das Volk ausgeübt wird, auszuweichen. Meine Fraktion steht daher auf dem Standpunkt der Regierungserklärung vom September vorigen Jahres, daß diese wirtschaftlich und sozial überhaupt nicht zu verantwortenden Steuern, auch wenn wir die Mißstände des Riesenschmuggels nicht hätten, gesenkt werden müßten, und zwar so, daß einerseits das Steueraufkommen möglichst höher wird, aber andererseits die Möglichkeit geschaffen wird, daß auch der kleine Mann sich diese Genußmittel zuführen kann.
In diesem Sinne wollte ich den Herrn Finanzminister bitten, seine Ansicht im Ausschuß vielleicht etwas zu korrigieren, die Ansicht, die er heute hier sehr geschickt und eingehend vertreten hat.