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ID0106306800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 63. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Mai 1950 2287 63. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 11. Mai 1950 Geschäftliche Mitteilungen 2288B Zwischenbericht über die Wiederherstellung der deutschen Fischereihoheit (Drucksache Nr. 881) 2288B Anfrage Nr. 65 der Fraktion der FDP betr Notstand in den deutschen Badestädten (Drucksachen Nr. 815 und 915) 2288B Beratung der Interpellation der Fraktionen der Deutschen Partei und der Bayernpartei betr. Watenstedt-Salzgitter (Drucksache Nr. 653) und Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Watenstedt-Salzgitter (Drucksache Nr. 688): Renner (KPD) (zur Geschäftsordnung) . 2288C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen im Ausfuhrgeschäft (Drucksache Nr. 913) . 2288D, 2292A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 2292A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe (Flaggenrechtsgesetz) (Drucksache Nr. 893) 2288D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Finanzverwaltung (Drucksachen Nr. 888 und 697, Antrag Nr. 911) 2289A, 2292C Mellies (SPD) 2289A Dr. Greve (SPD), Berichterstatter . . 2292D Zinn (SPD) 2294C Dr. Bertram (Z) 2296B Dr. Etzel (Bamberg) (BP) : zur Sache 2297A persönliche Bemerkung 2303C Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . . 2297C (C Renner (KPD) 2299A Dr. Koch (SPD) 2300A Dr. Dresbach (CDU) 2301A Eickhoff (DP) 2301D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 2302A Seuffert (SPD) 2303B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Ausprägung von Scheidemünzen (Drucksachen Nr. 907 und 806) 2289B, 2304A Ruhnke (SPD), Berichterstatter . . . . 2304A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine vorübergehende Erweiterung der Geschäfte der Hypotheken- und Schiffspfandbriefbanken (Drucksachen Nr. 908 und 545) 2289C Wackerzapp (CDU), Berichterstatter 2289C Dr. Oellers (FDP) 2290C, D Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . 2291C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht über den Antrag der Abgeordneten Dr. Falkner, Dr. Etzel (Bamberg), Dr. Seelos und Fraktion der Bayernpartei betr. Rechtsverhältnisse der entnazifizierten und der aus den deutschen Ostgebieten geflüchteten kriegsblinden Beamten und Angestellten der öffentlichen Dienste (Drucksachen Nr. 875 und 485) 2305B Dr. Götz (CDU), Berichterstatter . . 2305B Pannenbecker (Z) 2306B Beratung des Interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Drucksache Nr. 906) . . . . 2306B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Berlin über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Verlegung von Dienststellen des Bundes nach Berlin (Drucksachen Nr. 825 und 508) 2306C Dr. Reif (FDP), Berichterstatter . . . 2306D Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen 2307B Mellies (SPD) . . . 2308A Brookmann (CDU) 2309C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Auf- hebung der Einreisebeschränkungen für deutsche Staatsbürger in das Saargebiet (Drucksachen Nr. 842 und 353) 2310A Beratung des mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Abgeordneten Dr. Richter, Dr. Leuchtgens, Dr. Miessner, von Thadden, Frommhold und Genossen betr. Rückgabe der deutschen Archive (Drucksachen Nr. 844 und 149, Antrag Nr. 923) 2310A Dr. Brill (SPD), Berichterstatter . . . 2310B Renner (KPD) 2313B Dr. Ehlers (CDU) 2314B Übersicht über Anträge von Ausschüssen des deutschen Bundestages über Petitionen nach dem Stand vom 17. April 1950 (Drucksache Nr. 848) 2315C Schreiben des Abg. Kurt Müller betr. Niederlegung seines Abgeordnetenmandats 2315C Nächste Sitzung 2315D Die Sitzung wird um 14 Uhr 34 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Keine Anlage extrahiert.
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    Rede von Walter Brookmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Freunde und ich haben im Berlin-Ausschuß dem Beschluß, der Ihnen in der Drucksache Nr. 825 vorliegt, freudig zugestimmt. Auch meine Fraktion ist in voller Einmütigkeit hinter diesen Beschluß getreten, weil wir die Bedeutung der von der Bundesregierung in dieser Beziehung ergriffenen Maßnahme voll und ganz erkennen und zu würdigen wissen. Ich möchte an dieser Stelle der Bundesregierung den Dank für die Initiative aussprechen, die sie auf diesem Gebiet in völliger Übereinstimmung mit dem Ausschuß für Berlin und unter dessen tatkräftiger Mithilfe ergriffen hat.
    Im Grunde genommen hat der Beschluß, der hier gefaßt worden ist, mit der materiellen Berlin-Hilfe gar nichts zu tun. Es ist auch mit Recht von dem Herrn Kollegen Mellies darauf hingewiesen worden, daß es sich hier um eine hochbedeutsame politische Angelegenheit handelt. Ebenso ist von dem Kollegen Mellies betont. worden — und da stimme ich mit ihm völlig überein —, daß die bisherigen Maßnahmen auf diesem Gebiet nur ein Anfang sein können. Wir müssen unbedingt Wert darauf legen, daß mehr Bundesbehörden nach Berlin verlegt werden und daß unter diesen insbesondere repräsentative Bundesbehörden sind. Ich denke dabei z. B. an den Bundesrechnungshof oder an das Bundesverfassungsgericht.
    Meine Damen und Herren, wir werden unablässig bemüht sein, die Bundesregierung darauf hinzuweisen, daß sie gerade in dieser Beziehung weitere Überlegungen anstellen sollte, um gegenüber der Weltöffentlichkeit den Beweis zu erbringen, daß wir in Berlin ein bestimmtes politisches Ziel sehen. Meine Damen und Herren, dieser Beschluß ist politisch doch folgendermaßen zu deuten. Er weist mit Eindeutigkeit auf die Vorläufigkeit der Bundeshauptstadt Bonn und darauf hin, daß die Bundesrepublik Deutschland weder die tapfere Bevölkerung von Berlin noch unsere Brüder und Schwestern in der sowjetisch besetzten Zone vergessen hat. Das scheint uns das bedeutungsvollste zu sein.
    Lassen Sie mich aber zum Schluß noch auf den letzten Absatz des Ausschußantrages hinweisen, der sich an die Leitungen der großen Wirtschaftsorganisationen, der Gewerkschaften, der Wirtschaftsvereinigungen usw. wendet. Ich möchte diese Organisationen in aller Öffentlichkeit bitten, doch alles zu tun, um auch ihrerseits die Verwaltungsapparate soweit wie möglich nach Berlin zu verlegen.

    (Abg. Renner: Rückverlegen!)

    — Auch rückverlegen, ganz recht. Wenn die Hauptverwaltungen aus gewissen technischen oder anderen Gründen nicht nach Berlin verlegt werden können, soll man dort Berlin-Stellen schaffen, wie es die Bundesregierung schon vereinzelt getan hat. Wir haben jedenfalls den dringenden Wunsch, daß die Weltöffentlichkeit im Hinblick auf Berlin nicht immer wieder nur etwas von einer leeren Geste hört oder sieht, sondern daß sie Taten sieht, d. h. daß von seiten der Bundesrepublik und insbesondere der Bundesregierung im Hinblick auf die politische Bedeutung der Frage etwas Positives getan wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien .)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.


(Vizepräsident Dr. Schmid)

Ich lasse abstimmen. Wer für den Antrag Drucksache Nr. 825 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen einige wenige Stimmen angenommen.
Wir kommen zu Punkt 10 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Aufhebung der Einreisebeschränkungen für deutsche Staatsbürger in das Saargebiet (Drucksachen Nr. 842 und 353).
Zu diesem Tagesordnungspunkt habe ich mitzuteilen, daß der Herr Berichterstatter der Meinung ist, die Sache müsse an den Ausschuß zurückgegeben werden, weil seit Beschlußfassung des Ausschusses neue Tatsachen eingetreten sind. Offenbar hat eine neue Regelung des Paßwesens im Saargebiet stattgefunden. Erhebt sich Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Dann wird dieser Punkt von der heutigen Tagesordnung abgesetzt, und die Drucksachen Nr. 842 und 353 werden an den Ausschuß zurückverwiesen.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Abgeordneten Dr. Richter, Dr. Leuchtgens, Dr. Mießner, von Thadden, Frommhold und Genossen betreffend Rückgabe der deutschen Archive (Drucksachen Nr. 844 und 149).
Ich bitte den Herrn Berichterstatter, Abgeordneten Dr. Brill, das Wort zu nehmen.
Zu diesem Tagesordnungspunkt hat der Ältestenrat beschlossen, 15 Minuten für die Berichterstattung, 5 Minuten für die Begründung eines Zusatzantrages der KPD und 40 Minuten für die Aussprache anzusetzen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Louis Brill


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Der Bericht, den ich jetzt im Auftrage des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten zu erstatten habe, zeigt in den geschichtlichen Vorgängen, die zur Auslagerung, zur teilweisen oder totalen Vernichtung und Verstreuung des Aktenmaterials der Archive der obersten deutschen Staatsbehörden geführt haben, wie auch durch die Erbeutung dieses Archivmaterials durch die Armeen der Siegerstaaten des zweiten Weltkrieges und die jetzt bereits erfolgte teilweise Verwendung der Akten für wissenschaftliche und politische Publikationen den ganzen Umfang der deutschen Tragödie, die sich in den Jahren 1943 bis 1945 in unserem Vaterlande zugetragen hat. Der Vorgang steht beinahe einzig in der Geschichte da. Denn abgesehen von der völligen Niederlage eines Staates im Kriege, die zu seiner Vernichtung, zu seiner Annektion geführt hat, ist es noch niemals vorgekommen, daß Archivbestände vollständig in die Hände des Feindes gefallen sind und nach den Gesichtspunkten des Feindes verwendet werden konnten, es sei denn, daß man den Sonderfall der Auflösung eines Staates in eine Anzahl von Sezessionsstaaten als einen sozusagen friedlichen Übergang von Archivmaterial in andere Verfügungsberechtigung mit dazunehmen wollte.
    Der seit 1943 vernichtend wirkende Luftkrieg, die dann erfolgten Auslagerungen der Archive, die bedingungslose Kapitulation und die totale Besetzung Deutschlands haben zur Folge gehabt, daß Deutsch-
    land das Schicksal von Staaten teilte, die ihre gesammelten Archivbestände durch andere totale Niederlagen verloren haben. Der Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten hat sich deshalb verpflichtet gefühlt, den Verbleib der deutschen Archivbestände so vollständig, wie zur Zeit möglich, zu erforschen. Er hat zu diesem Zweck zwei Sachverständige vernommen, Herrn Ministerialrat Dr. Holzhausen und Herrn Staatsarchivdirektor Dr. Vollmar von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen. Ich werde versuchen, Ihnen zunächst einmal das Ergebnis der Einvernahme dieser Sachverständigen darzustellen, um dann einige Vorschläge zu machen, wie in der Frage gemäß dem Antrag des Ausschusses, d. h. also über den Antrag der Antragsteller hinaus, vorgegangen werden könnte.
    Zunächst einiges über den Weg, den das gesamte deutsche Archivmaterial genommen hat! 1943 hat man damit begonnen, Archivmaterial von Berlin zuerst nach Schlesien, in das Riesengebirge, dann nach dem Sudetenland auszulagern. Es hat den Anschein, daß dabei zunächst mit der allergrößten Sorgfalt vorgegangen worden ist. 1944 haben sich die Dinge bereits bedeutend geändert. Andere Gebietsteile Deutschlands, insbesondere Thüringen, das Harzgebiet, Niedersachsen und später Oberbayern, wurden benutzt, um wichtige Archive, deren Untergang in Berlin verhütet werden sollte, dort unterzubringen. Mit dem restlosen Wandel des Kriegsglücks Anfang des Jahres 1945 sind dann die Archivmaterialien zum großen Teil ohne Unterbrechung auf der Eisenbahn unterwegs gewesen. So ist ein großer Teil des Archivmaterials, das ursprünglich nach Krummhübel im Riesengebirge gebracht worden war, zum Teil nach dem Harz, zum Teil nach Thüringen gekommen. Anderes ging nach Oberbayern. Schließlich hat man innerhalb des Stadtgebietes von Berlin selbst angefangen, eine Verlagerung der Archivmaterialien in bombensichere Keller, Unterstände usw. vorzunehmen. Ein bedeutender Teil dieses Archivmaterials ist in den Kämpfen um Berlin zwischen dem 20. April und dem 2. Mai 1945 vernichtet worden.
    Der Umfang dieser Vernichtung insgesamt läßt sich heute noch nicht abschätzen. Es steht fest, daß durch die Zerstörung Potsdams total vernichtet sind: das frühere Heeresarchiv, der gesamte Aktenbestand des ersten Weltkrieges, weiter im Sudetenland das Archiv der deutschen Luftwaffe, in Berlin das Archiv des Forschungsamts des Reichsluftfahrtministeriums, in Berlin, in Schlesien, im Harz und in Thüringen der Sonderdienst „Seehaus" des Auswärtigen Amtes und weitere Sonderdienste des Propagandaministeriums. In Potsdam sind schließlich die für die Erforschung der Finanzgebarung des Dritten Reiches so außerordentlich wichtigen Akten des Rechnungshofes für das Deutsche Reich restlos untergegangen. Ein Teil der Aktenbestände militärischer Kommandobehörden ist in Oberbayern, in den Voralpen, vernichtet worden, andere in Schleswig-Holstein. Die Archivbestände der Reichsministerien, die ohne Unterbrechung in Berlin verblieben sind und sich heute noch dort befinden, sind alle, teilweise sogar schwer beschädigt. Aufs Ganze gesehen dürfte es überhaupt nicht ein einziges Archiv geben, das vollständig erhalten ist.
    Ich darf Ihnen das am Beispiel der Bestände des Auswärtigen Amts schildern. Nach den bisherigen Feststellungen sind von den Materialien des Auswärtigen Amtes vollständig erhalten die Reihen von 1867 bis 1920. Die Jahre 1920 bis 1926 weisen kleine,


    (Dr. Brill)

    die Jahre 1926 bis 1938 bereits größere Lücken auf. Die Akten der Jahre 1938 und 1939 sind verschwunden. Vom Jahre 1943 ab sind überhaupt nur Bruchstücke vorhanden. So, wie an diesem Beispiel gezeigt, sieht es fast allgemein aus.
    Meine Damen und Herren! Nun darf ich Ihnen mitteilen, was nach den Bemühungen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten als in diesem reduzierten Umfange erhalten, als im wesentlichen bestehend festgestellt werden kann. Es sind von der obersten Staatsspitze gerettet die Akten der Reichskanzlei, der Präsidialkanzlei, der Adjutantur des Führers, der Parteileitung der NSDAP, der Parteikanzlei des Führers — diese Parteikanzlei des Führers enthält wichtige Privatbriefe Hitlers und außerdem ein von Hitler in den beiden letzten Jahren persönlich geführtes Kriegstagebuch „Wolfsschanze" — und schließlich die Akten des Parteiarchivs der NSDAP.
    Aus dem Bereich der auswärtigen Politik sind Akten des Auswärtigen Amtes in dem vorhin geschilderten Umfang vorhanden. Es sind erhalten geblieben die Akten des Ministerbüros Ribbentrop und des Privatbüros Ribbentrop, die Privatarchivs des Botschafters Dirksen, des Botschafters Faupel und Akten der diplomatischen Vertretungen auf dem Balkan sowie einiger anderer Auslandsmissionen, die als gefährdet nach Berlin zurückgebracht worden sind. Insbesondere befindet sich unter diesen Akten die Privatkorrespondenz, die Ribbentrop während des Krieges mit südamerikanischen Staaten außerhalb des gewöhnlichen diplomatischen Verkehrs geführt hat.
    Die Archive deutscher Wehrmachtstäbe sind weitgehend durch Spezialkommandos der SS vernichtet worden. Sie sind also den Wehrmacht- behörden entzogen und durch die SS besonders vernichtet worden. Der Witz der Geschichte will, daß das deutsche Marinearchiv sich zuletzt in dem thüringischen Bergstädtchen Tambach befand, während sich das Archiv des Oberkommandos der Wehrmacht zuletzt in Flensburg in Schleswig befunden hat.
    Von Parteisachen sind insbesondere erhalten geblieben das Archiv Rosenberg, das Archiv des Reichsjustizkommissars und späteren Reichsministers und Generalgouverneurs in Polen Hans Frank und das sehr wertvolle Foto- und Filmarchiv des Fotografen-Professors Hoffmann.
    Von historischen Archiven sind erhalten geblieben das Reichsarchiv, das Preußische Geheime Staatsarchiv und das Hohenzollernsche Hausarchiv. Die Mitteilungen, die darüber vorliegen, lassen die Schätzung zu, daß von diesem geschichtlichen Material etwa 60 % gerettet worden sind.
    Durch eine besondere Tücke des Schicksals sind die Archive der drei Hansestädte Hamburg, Lübeck und Bremen, die von diesen Städten nach dem Nordharz verlagert worden sind, restlos verloren gegangen.
    Soweit, meine Damen und Herren, die Feststellungen des Ausschusses.
    Diese Feststellungen können keineswegs als vollständig angesehen werden. Es wird wahrscheinlich jahrelanger Nachforschungen innerhalb und außerhalb Deutschlands bedürfen. um festzustellen, wo andere sehr wertvolle Dinge verblieben sind. So kann ich aus persönlicher Kenntnis beispielsweise mitteilen, daß es Herr Hitler für richtig befunden hat, für die Erfüllung der Steuerpflichten der obersten Partei-, SS- und SA-Führung in Berlin-Charlottenburg ein besonderes Finanzamt einzurichten. Die Akten dieses besonderen Finanzamtes existieren heute noch; der Ort der Aufbewahrung und überhaupt diese ganze Sache sind aber dem auswärtigen Ausschuß nicht mitgeteilt worden.
    Es ist mir weiter bekannt, daß sich sehr interessante Gestapoakten im privaten Besitz in Westdeutschland befinden. Auch andere Privatarchive existieren hier in Westdeutschland.
    Es ist richtig, wie vor dem Ausschuß ausgeführt worden ist, daß General Scherff, der letzte Führer des Kriegstagebuchs des Oberkommandos der Wehrmacht, kurz vor seinem Selbstmord das Kriegstagebuch vernichtet hat. Es existiert aber von dem bis 1943 mit der Führung des Kriegstagebuches betrauten Beamten eine aus dem Gedächtnis angefertigte Nachschrift, die sich auch hier in Westdeutschland befindet. Teilpublikationen zeigen außerdem, daß andere höhere militärische Führer im Besitz von sehr wichtigen Unterlagen sein müssen.
    Meine Damen und Herren! Nun wird Sie sicher die Frage interessieren, wo sich denn eigentlich diese Sachen befinden. Sie sind durch die Zufälle des Kriegsverlaufes in die Hände derjenigen Armeen gefallen, die zuerst an Ort und Stelle gewesen sind oder aber auf die Dinge vorbereitet gewesen sind, die systematisch gesucht und damit eine ganze Menge entdeckt haben.
    Im großen und ganzen ergibt sich heute folgendes Bild. Im Besitz der sowjetischen Behörden befinden sich aus den Akten des Auswärtigen Amtes die Abteilungen Deutschland, die vorhin als vermutlich vermißt angegebenen Akten der Jahre 1938/39 über die deutsch-englischen Beziehungen, die bereits in einer Sonderpublikation in Moskau veröffentlicht worden sind, außerdem die Akten über die Beziehungen des Auswärtigen Amtes zur Gestapo und zum SD, wahrscheinlich auch vollständig die Privatarchive der Botschafter Dirksen und Faupel.
    Die Sowjetbehörden haben das Tagebuch des Botschafters Dirksen bereits in zwei kleinen Bänden veröffentlicht, wobei man bis heute nicht sagen kann, ob die Veröffentlichung eine vollständige ist. Die Russen besitzen weiter die private Korrespondenz des Herrn Ribbentrop mit einigen südamerikanischen Staaten sowie mit der Regierung der Türkischen Republik. Sie haben wahrscheinlich vollständig die Akten aller deutschen diplomatischen Vertretungen auf dem Balkan und wichtige Teile des Archivs des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda. Die Veröffentlichungen der Tagebücher Goebbels', die von amerikanischer Seite durch Herrn Lochner vorgenommen worden sind, beziehen sich nur auf einen Teil des Goebbelsschen Tagebuchs. Der andere, größere Teil ist im Besitz der Sowjets. Die Akten des Reichsjustizministeriums — wahrscheinlich einschließlich der Akten des Volksgerichtshofs und der Gestapo — sind ebenfalls in sowjetischem Besitz. Die Sowjets haben sich auch — das darf ich persönlich ergänzen, weil. es im Ausschuß durch die beiden Herren nicht vorgetragen worden ist — weiter in den Besitz der Akten der Strafanstalten Tegel, Plötzensee und Brandenburg-Göhrden gesetzt. Sie besitzen vermütlich alles, was vom Reichsministerium des Innern übriggeblieben ist, insbesondere die Akten des später aus dem Reichsministerium des Innern ausgegliederten Ministeriums für kirchliche Angelegenheiten.
    Großbritannien hat von den Vereinigten Staaten von Amerika das deutsche Marinearchiv erhalten,


    (Dr. Brill)

    das heute in London liegt. Ansonsten werden die übrigen Aktenbestände, die sich aus meiner Darstellung, abzüglich derjenigen, die sich im sowjetischen Besitz befinden, ergeben, gemeinsam von den Vereinigten Staaten und Großbritannien verwaltet. Es hat den Anschein, daß die Franzosen bei der Verteilung von Archivbeständen vollständig leer ausgegangen sind.
    Auf die Masse der Materialien gesehen erscheint die Vermutung begründet, daß sich im Besitz der Russen etwa 40 °/o der erbeuteten Materialien, im Besitz der anglo-amerikanischen Mächtegruppe etwa 60 °/o befinden. Dabei sind aber auch diejenigen Materialien berücksichtigt, die immer in Berlin gelagert haben und erst sehr viel später aufgefunden worden sind. Es handelt sich dabei um die Akten der Ministerien und der obersten Reichsbehörden. Sie sind zum Teil im sowjetischen Sektor, zum Teil in den drei westlichen Sektoren.
    Die Hauptmasse der Akten des Reichsfinanzministeriums, des Reichswirtschaftsministeriums, des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, der Reichskulturkammer und des deutschen Generalgouvernements in Polen sind in den Westsektoren. Die vorhin schon erwähnten Akten insbesondere des Justiz-, des Propagandaministeriums, des Volksgerichtshofs, der Gestapo und des SD sind im sowjetischen Sektor von Berlin. Noch heute wird nach diesen Akten gegraben. Es hat einige Zeit zu den Merkwürdigkeiten des Berliner Lebens gehört, daß mit solchen Akten — insbesondere mit Akten, die aus den Trümmergrundstücken des Reichsarchivs und des Heeresarchivs in Potsdam ausgegraben worden sind — ein ziemlich lukrativer Handel getrieben worden ist.
    So ist die Lage, wie sie sich nach den Nachforschungen des Ausschusses für das Besatzungsstatut und die auswärtigen Angelegenheiten darstellt. Der Ausschuß stand vor der Frage, was bei dieser Aktenlage in bezug auf den Antrag Dr. Leuchtgens und Genossen geschehen soll. Von wissenschaftlicher Seite ist auf einen Beschluß des deutschen Archivartages von Ende Mai vorigen Jahres in Wiesbaden verwiesen worden. In diesem Beschluß wird gefordert, daß die Archive nach Friedensschluß an Deutschland zurückgegeben werden sollen. Der Ausschuß glaubte, diesem Vorschlag nicht beitreten zu sollen. Er glaubte, daß es notwendig sei, unverzüglich zu handeln. Er empfiehlt Ihnen deshalb, den Antrag in der unveränderten Form, wie er sich im Ausschußbericht befindet, anzunehmen.
    Der Ausschuß hat aber über den Antrag hinausgehend die Frage geprüft, was denn unsere besondere deutsche Pflicht in bezug auf die Aufgaben ist, die sich aus dieser Lage ergeben. Der Ausschuß war einstimmig der Auffassung — meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, daß ich das besonders betone —, daß in bezug auf die Erforschung der geschichtlichen Wahrheit diesmal mehr geschehen müsse, als in der Weimarer Republik geschehen ist.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Der Ausschuß hat nicht unbeachtet gelassen, daß alle Versuche der Weimarer Republik durch den Untersuchungsausschuß des Reichstags, durch die beiden Forschungsreihen der Potsdamer Archive, des Reichsarchivs, durch die Aktenpublikationen des Auswärtigen Amts zu keinem befriedigenden Ergebnis in bezug auf die Aufklärung des Volkes, in bezug auf die Bildung eines historisch getreuen Geschichtsbewußtseins geführt haben. Deshalb ist der Ausschuß der Meinung gewesen, daß es notwendig sei, aus den Erfahrungen der Weimarer Republik I in dieser Hinsicht doch wenigstens etwas zu lernen. Die Geschichtswissenschaft in der Weimarer Periode hat es an dem notwendigen Eifer einer Durchforschung und Darstellung der Bestände und Probleme fehlen lassen. Tatsächlich existieren ja nur drei große wissenschaftliche Werke, die sich mit Anstand aus dieser Zeit nennen lassen können: das Werk des Leipziger Professors Erich Brandenburg, das eine Darstellung des Inhalts der Aktenpublikation des Auswärtigen Amtes gebracht hat, das Werk unseres verehrten Kollegen Bergstraeßer über „Die Osterbotschaft 1917 und die Entwicklung der Wahlrechtsfrage in Preußen" und das Werk des früheren Obersten Dr. Schwerdtfeger über das Weltkriegsende. Nur diese drei Werke lassen sich von der deutschen Geschichtswissenschaft für die Erforschung der Probleme des ersten Weltkrieges wirklich mit Anstand nennen.
    Der Ausschuß war daher der Meinung, daß jetzt der Wissenschaft doch Anregungen gegeben werden sollen, weiterzuarbeiten. Es sind seit dem Jahre 1946 verschiedene Versuche unternommen worden, diese Aufgabe zu lösen. Im Länderrat des amerikanischen Besatzungsgebietes ist ein Institut zur Erforschung der Geschichte des Nationalsozialismus gegründet worden. Aber die Währungsreform mit den Spargeboten, die danach folgten, hat dieses Institut nicht recht zur Entwicklung kommen lassen. Auch die Bemühungen im Spätsommer vorigen Jahres, dieses Institut auf alle elf Länder des westdeutschen Gebietes auszudehnen, sind gescheitert. weil alsbald nach der Bildung der Bundesregierung sich der Herr Bundesinnenminister mit dieser Frage beschäftigt hat. Ich darf mitteilen, daß die Bemühungen, die insbesondere auch von Herrn Bundespräsident Dr. Heuß, der dem Wissenschaftlichen Rat des genannten Instituts angehörte, gefördert worden sind, jetzt zum Abschluß eines neuen Vertrages zwischen der Bundesregierung und dem Lande Bayern geführt haben.
    Aber, meine Damen und Herren, das genügt nicht. Denn inzwischen ist die Memoirenliteratur im Auslande bereits ins Ungemessene gestiegen. Eine auf 20 Bände geplante Publikationsreihe amerikanischer und britischer Historiker hat begonnen zu erscheinen. Die Amerikaner wie die Sowjets haben Teilpublikationen herausgebracht, und beiden sind gewisse politische Bedürfnisse anzumerken. Das deutsche Geschichtsbild wird vor allen Dingen vor der Jugend verwirrt, ja vergiftet durch sensationelle Veröffentlichungen in deutschen Zeitschriften.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Vom „Großen Liebhaber Adolf Hitler" über „Glück und Ende der deutschen Luftwaffe", „Kleine Biographie" — des Generalobersten Udet usw. — versuchen diese Zeitschriften in reißerischer Weise mit einigen, auf merkwürdige Art und Weise erworbenen Bildern möglichst große Geschäfte zu machen.
    Die deutsche Zeitschriftenliteratur ist weit im Rückstande. Das Beste, was man bisher in deutschen Zeitschriften hat feststellen können, waren einige große Buchrezensionen, beispielsweise über die amerikanische Memoirenliteratur in der Zeitschrift „Merkur", aber sonst nichts, so daß es also höchste Zeit zu sein scheint, die wissenschaftliche Forschung auf allen diesen Gebieten planmäßig zu organisieren.
    Materialien dafür stehen auch in Deutschland in beträchtlichem Maße noch zur Verfügung. Die


    (Dr. Brill)

    Staatsarchive der Länder enthalten eine Menge von Aktenvorgängen insbesondere in bezug auf die Organisation des Krieges, die bisher in keiner Weise ausgenutzt sind. Das Aktenmaterial, das durch die Entnazifizierung entstanden ist, geht in viele Millionen von Aktenstücken. Allein im Lande Hessen sind mehr als eine Million Aktenstücke und ist eine reiche Sammlung von Originalakten und internen Zeitschriften vorhanden, die ausgenutzt werden könnten. Private Firmen verfügen über außerordentlich viel Material, und das Gedächtnis der Menschen, die an den Dingen beteiligt waren, sollte in der Form von Einvernahmen nutzbar gemacht werden, bevor alles vergessen ist.
    Aus allen diesen Gründen hat der Ausschuß dem ursprünglichen Antrag eine Ziffer 2 zugefügt:
    Die Bundesregierung wird ersucht:
    2. das Material dieser Archive der wissenschaftlichen Forschung dienstbar zu machen.
    Der Ausschuß war sich darüber einig, daß diese wissenschaftliche Forschung viele Wege einschlagen und daß mit großer Anstrengung gearbeitet werden muß. Aber, meine Damen und Herren, wenn ich Sie bitte, dem Ausschußantrag — moglichst ohne Debatte — zuzustimmen, dann geschieht das insbesondere aus dem Bedürfnis heraus, dem deutschen Volke die Wahrheit zu sagen, die ganze Wahrheit zu sagen und nichts anderes als die Wahrheit zu sagen. Das ist notwendig, damit wir nach der Tragödie von 1945 im besten Sinne der griechischen Antike zu einer wirklichen Katharsis, zu einer Läuterung im deutschen Geschichtsbewußtsein kommen, das dem deutschen Volke unsere Lage in der Welt und unsere Aufgabe zu Hause, in Deutschland, richtig darstellt.
    In diesem Sinne bitte ich Sie, den Ausschußanträgen zuzustimmen.

    (Allseitiger Beifall.)