Rede von
Dr.
Hermann
Höpker-Aschoff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Kollege Zinn, es ist sicherlich nicht Ihre und auch nicht meine Schuld, daß wir bei der Gestaltung der Verwaltung solche Schwierigkeiten haben; denn wir haben uns ja im Parlamentarischen Rat gemeinsam für eine andere Lösung eingesetzt, bei der wir zu einer klaren einschichtigen Bundesfinanzverwaltung gekommen wären. Aber wir haben uns mit diesen Gedanken ja nicht durchsetzen können, weil wir auf den entschiedenen Widerstand der Besatzungsmächte stießen, und haben uns nun mit der Aufteilung der Finanzverwaltung in eine Bundesfinanzverwaltung und eine Länderfinanzverwaltung abfinden müssen. Wenn diese Aufteilung vorgenommen wird, kann sie jedoch nur so vorgenommen werden, daß Zölle und Verbrauchsteuern durch Bundesbehörden und Besitz- und Verkehrssteuern durch die Länderbehörden verwaltet werden.
Wenn man nun nach Ihrem Grundgedanken anders verfahren wollte, dann würden wir die Veranlagung von Steuern, die nur von einer Stelle gemeinsam verwaltet werden können, also der Einkommensteuer, der Vermögensteuer, der Gewerbesteuer, aber auch der Umsatzsteuer, die alle bei demselben Steuerschuldner auch von einem Beamten in einem Arbeitsgang verwaltet werden müssen, völlig auseinanderreißen.
Ich weiß sehr wohl, daß wir dadurch, daß die Umsatzsteuer nun Bundessteuer geworden ist und nach dem Grundgesetz durch Bundesbehörden verwaltet werden soll, zu einer etwas eigentümlichen Konstruktion gezwungen werden. Aber ich glaube, daß eine leidliche Konstruktion gefunden ist: Verwaltung durch die Oberfinanzpräsidien mit Hilfe der Finanzämter, die insoweit Hilfsorgane der Oberfinanzpräsidien sind. Ich gebe zu, daß dieser Weg verwickelt ist; aber daß er der Verfassung widersprechen würde, kann icht nicht zugeben. Außerdem ist diese Frage nicht neu, Herr Kollege Zinn; sie ist seit neun Monaten erörtert worden, und alle Stellen, die sich mit dem Entwurf dieses Gesetzes befaßt haben — die Konferenz der Ministerpräsidenten und ihre Unterausschüsse, an deren Beratungen aber auch Mitglieder des Parlamentarischen Rates teilgenommen haben —, haben sich einmütig für diesen Ausweg entschieden: daß man bei der Verwaltung dieser Steuern die Finanzämter als Hilfsorgane einschalten und dadurch die Einheitlichkeit der Verwaltung wahren solle. Es ist mir auch niemals bekanntgeworden, daß von seiten derjenigen Länder, deren Regierungen entweder nur aus Sozialdemokraten bestehen oder doch jedenfalls vnn einer Koalition geleitet werden, in der auch die Sozialdemokraten einen entscheidenden Einfluß haben, jemals ein Widerspruch gegen diese Lösung vorgebracht worden wäre.
Ich frage Sie aber auch: wie wollen Sie es denn anders lösen? Wollen Sie die Verwaltung der Umsatzsteuer, der Beförderungssteuer den Zöllnern über-
tragen, oder wie wollen Sie es machen? Sie können ja keine andere praktische Lösung finden. Nur bei den Finanzämtern sind die sachkundigen Leute da. Außerdem muß die Verwaltung der Umsatzsteuer — von der Beförderungssteuer will ich einmal schweigen — in die Hände derjenigen gelegt werden, die auch die Verwaltung der Einkommensteuer, der Vermögensteuer und der Meßbeträge der Gewerbesteuer in demselben Arbeitsgang durchführen. Einen anderen Weg gibt es überhaupt nicht. Und darum bedauere ich, daß diese Frage, nachdem wir sie im Ausschuß eingehend erörtert haben, hier noch einmal im Plenum angerührt wird und hier noch einmal langwierige Beratungen, womöglich der beiden Ausschüsse, des Rechtsausschusses und des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen, verlangt werden.
Meine Damen und Herren, nun die Gegenseite! Das ist ja das Merkwürdige, daß wir hier Probleme behandeln sollen, die von der einen Richtung so, von der anderen Richtung so beurteilt werden. Herr Kollege Etzel, Sie haben zwar in Bayern nicht für das Grundgesetz gestimmt; aber Bayern hat doch damals seine Treue zum Bund bekannt, und Sie sind doch wahrscheinlich auch gewillt, die Verfassung zu halten. Ihr Antrag, die Biersteuer aus der Verwaltung der Bundesbehörden zu nehmen, verstößt glatt gegen die Verfassung; denn im Grundgesetz steht mit klaren und eindeutigen Worten, daß die Zölle und Verbrauchsteuern — und die Biersteuer gehört ja zu den Verbrauchsteuern — von Bundesbehörden verwaltet werden. Die Annahme des Antrags der Bayernpartei, die Worte „einschließlich der Biersteuer" aus dem Gesetzestext zu streichen, würde ein Verstoß gegen das Grundgesetz sein.
Ob wir, nachdem alle diese Anträge gestellt sind und nun auch noch ein uns sehr überraschender Antrag der CDU kommt, die Bauverwaltung auch in der mittleren Instanz den Ländern zu übertragen, die Dinge nicht noch einmal im Ausschuß erörtern müssen, ist eine Frage, über die wir morgen abzustimmen haben, und ich behalte für meine Fraktion in dieser Frage jedenfalls die volle Entscheidungsfreiheit vor.
Was mit dem Zentrumsantrag anzufangen sein soll, ist mir völlig unverständlich. 1, 2 und 3 sind ohne Bedeutung; 4 scheint eine gewisse Bedeutung zu haben. Es ist mir aber in der Tat völlig unverständlich, daß man die Veranlagung einer Kasse übertragen will und glaubt, damit Holland retten zu können. Ich sehe also in diesem Antrag keine Beseitigung der Rechtsschwierigkeiten und ganz gewiß auch keine Verbesserung des ganzen Entwurfs.
Nun möchte ich aber noch ein paar Worte zu dem politisch nicht unbedeutsamen Antrag der SPD-Fraktion über die Offenlegung der Steuerlisten sagen. Ich frage mich: was soll diese Offenlegung der Steuerlisten nun eigentlich bezwecken? Soll hier eine Kontrolle ausgeübt und, wenn ja, wie soll sie durchgeführt werden? Meine Damen und Herren, nehmen Sie an, es wird nun bekannt, daß die veranlagten Steuerpflichtigen das und das Einkommen haben und mit dem und dem Einkommen veranlagt sind und die und die Steuern zu zahlen haben. Eine Kontrolle kann ja dadurch nicht ausgeübt werden, sondern sie müßten ja dann noch so etwas wie eine Popularklage einführen und jedem, der nach Einsicht in diese Steuerlisten die Veranlagung für falsch hält, die Möglichkeit geben, die Veranlagungsbeschlüsse der Finanzämter anzufechten.
Wir glauben, daß die öffentliche Kontrolle dadurch in hinreichender Weise durchgeführt wird, daß an den Veranlagungsentscheidungen Steuerausschüsse beteiligt sind, in denen gewählte Vertreter der Gemeinde sitzen, daß außerdem die Kontrolle auch dadurch ausgeübt wird, daß in der zweiten Instanz in den Finanzgerichten neben den Berufsrichtern auch noch Laien entscheiden, die wiederum von öffentlichen Stellen gewählt werden.
Wir haben außerdem die große Sorge, daß die Offenlegung solcher Steuerlisten nicht etwa dazu führt, daß wir mehr Steuern bekommen. Wir befürchten vielmehr, daß die Scheu, allen Leuten Einblick in die eigenen Verhältnisse zu geben, auch aus wirtschaftlichen, aus kreditpolitischen Gründen einen neuen Anreiz zur Steuerunehrlichkeit ausüben könnte.
Weiter sind wir der Meinung, daß durch die Offenlegung der Steuerlisten in der Form, wie es von der SPD beantragt ist, ein ganz falsches Bild vermittelt würde. Nehmen Sie zwei Leute mit demselben Einkommen. Der eine ist bei der Lage seines Geschäfts imstande, eine ganze Reihe von Abschreibungen und Rückstellungen zu machen. Infolgedessen erscheint, obwohl sein Bruttoeinkommen dasselbe ist wie bei dem andern, das veranlagte Steuereinkommen viel geringer, weil bei diesem alle diese Rückstellungen und Abschreibungen berücksichtigt werden. Nehmen Sie ein weiteres Beispiel. Da ist ein Unternehmer, der von § 32a Gebrauch macht. Der andere Unternehmer kann davon nicht Gebrauch machen. Infolgedessen erscheint hier bei zwei Unternehmern, die beide ein hohes Einkommen haben, die veranlagte Steuer mit ganz verschiedenen Sätzen, weil der eine, wenn er von § 32a Gebrauch macht, nunmehr eine Besteuerung mit 50 °/o fordern kann, während der andere mit den höheren Steuersätzen veranlagt wird.
Schließlich ist folgendes zu bedenken. Wenn in die Steuerliste nur das aufgenommen wird, was Sie von der SPD-Fraktion aufnehmen wollen, dann entsteht ja der Eindruck, daß mit dieser Steuerleistung die Verpflichtungen des Steuerschuldners erschöpft seien. Der Steuerschuldner muß aber noch einige andere Steuern aus seinem Einkommen zahlen. Er hat vor allen Dingen die Soforthilfeabgabe zu leisten, die heute bis zu 20 °/o des Einkommens verschlingt. Wenn das nicht auch in die Steuerlisten aufgenommen wird, entsteht doch wieder ein ganz falscher Eindruck.
Ich frage mich: was wollen Sie nun eigentlich mit der ganzen Geschichte erreichen? Sehen Sie einmal: früher ist es in Deutschland so gewesen, daß einer, wenn er ein hohes Einkommen hatte, auch die Achtung und Anerkennung seiner Mitbürger besaß. Man sagte: das ist ein tüchtiger Kerl. Oder ist das nicht wahr? Bei der Not, in der wir alle leben, und nach alledem, was wir durchgemacht haben, ist Neid und Begehrlichkeit da. Ich fürchte, daß die Offenlegung der Steuerlisten von unnützen Leuten in agitatorischer Weise ausgenutzt werden und daß daher die Offenlegung der Steuerlisten nicht zur Beruhigung und Verbesserung der Steuermoral führen, sondern aufs ganze gesehen eine ganz andere Auswirkung haben wird.
Und dann, wenn man schon sagt, auch der Mann, der
ein hohes Einkommen hat, soll ganz offen bekennen: soviel habe ich!, du lieber Gott, es gibt
unter den Lohnsteuerpflichtigen auch Leute mit sehr stattlichem Einkommen, mit Einkommen bis zu 24 000 DM. Wenn die Öffentlichkeit nun einmal erfahren soll, was alle verdienen, dann wäre es interessant, bei manchen Lohnsteuerpflichtigen auch zu erfahren, was sie verdienen.
— Ich fürchte, daß uns der Herr Finanzminister sagen wird: dies kann ich schon schwer verkraften; wenn Sie aber von ihm die Offenlegung der Steuerlisten für alle Lohnsteuerpflichtigen verlangen, hat er die Unterlagen gar nicht zur Hand, denn die Steuern werden vom Arbeitgeber eingezogen. Ich fürchte also, daß eine solche Erweiterung des Antrags undurchführbar sein würde.
Wir sind aus allen diesen Gründen in dieser Frage, offen gesagt, in unserer Fraktion nicht einig und wollen auf niemanden einen Zwang ausüben. Aber ich habe die Anschauungen vorgetragen, von denen sich die Mehrheit meiner Fraktion leiten läßt. Ich glaube, daß es richtiger wäre, diese Bestimmung nicht noch in das Steuergesetz aufzunehmen.