Meine Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz hat dem äußeren Anschein nach zunächst einen mehr technischen Charakter. Die politischen Zweifelsfragen, die diese Materie in sich
birgt, scheinen zunächst durch Art. 108 des Grundgesetzes geregelt zu sein. Dies ist jedoch nur der äußere Anschein. Für den Gesamtkomplex, um den es sich handelt, wird man den Ausdruck Finanzausgleich verwenden können, wenn man unter Finanzausgleich nicht nur die Verteilung der Steuererträge, sondern auch die Finanzverwaltung, d. h. die Verteilung und Abgrenzung der Besteuerungsrechte, verstehen will.
Ein kurzer Blick in unsere deutsche Geschichte ergibt, daß die unterlassene Errichtung einer eigenen Steuerverwaltung im alten Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation die Hauptursache für den Zerfall dieses Reiches gewesen ist. Das alte Reich hatte auch Steuererträge zu verlangen. Das alte Reich konnte den Gemeinen Pfennig, der elfmal bewilligt worden ist, und verschiedene andere Abgaben verlangen. Das alte Reich hat Matrikularbeiträge von den Territorialgewalten zu verlangen gehabt. Aber durch die Tatsache, daß dieser Gebietskörperschaft eine eigene Finanzverwaltung fehlte, hat sich das ganze Reich zu einem kraftlosen Schattenstaat, einem monstrum irregulare, wie der alte Staatsrechtslehrer Pufendorf erklärt hat, entwickelt.
Diese Gefahr hat sich daraus entwickelt, daß dem alten Reich eine eigene Finanzverwaltung fehlte, nicht iedoch daraus, daß ihm das Recht gefehlt hätte, Steuern oder Abgaben zu erheben.
Dieser kurze Blick in die geschichtliche Wirklichkeit sollte uns davor warnen. eine Gefahr gering zu achten. die wir dann heraufbeschwören, wenn wir tatsächlich jetzt die Steuerverwaltung in der Hand der Länder auch insoweit belassen, als die Steuererträge dem Bunde zustehen.
Im Parlamentarischen Rat ist die Bedeutung des Art. 108 eingehend behandelt worden. Die Auslegung dieser Gesetzesbestimmung auf Grund der Protokolle des Parlamentarischen Rats und auf Grund des Wortlauts kann nur dahin erfolgen, daß die Verwaltung der gesamten Bundessteuern, d. h. Umsatzsteuer und Beförderunssteuer. durch eigene Bundesbehörden vollzogen werden soll.
Bei dem Begriff der Verwaltung muß man davon ausgehen, daß die Bearbeitung einer solchen Angelegenheit in der Hauptsache bei dem Bund, bei der Bundesbehörde liegen muß. Der Entwurf der Regierung gibt nur den Weg, die Verwaltung der Umsatzsteuer, der Beförderungssteuer formal der Oberfinanzdirektion zuzuweisen. Umsatzsteuer und Beförderungssteuer werden nach dem entscheidenden § 10 des Entwurfs formal durch die Oberfinanzdirektion verwaltet. Tatsächlich ist dies aber gar keine Verwaltung. Tatsächlich liegt die Verwaltung bei Landesbehörden, nämlich bei den Finanzämtern. Die örtlichen Finanzämter erhalten die Umsatzsteuervoranmeldung. Sie stellen diese Beträge zum Soll, sie vereinnahmen die entsprechenden Beträge, ermitteln die Besteuerungsgrundlagen und setzen sie fest. Sie ziehen die Steuerpflichtigen zur Nachversteuerung heran usw. Die Oberfinanzpräsidien oder die Oberfinanzdirektionen, wie es jetzt heißt, kennen nicht einmal die Namen der Steuerpflichtigen, geschweige denn die Unterlagen für deren Besteuerung. Mangels der erforderlichen Unterlagen sind sie deshalb auch gar nicht in der Lage, Steuerbescheide zu erteilen oder andere Behörden im Wege der Amtshilfe darum zu ersuchen. Die Oberfinanzdirektionen sind nur in der Lage, die örtlichen Finanzämter zu ersuchen, generell die Umsatzsteuer in der Ortsinstanz für den Bund zu erheben. Das ist aber keine Amtshilfe, wie es uns der Entwurf glauben machen will.
Der Begriff der Amtshilfe ist im Staatsrecht ein alter und in allen Landesstaatsrechten durchaus ausgepaukter Begriff. Es heißt in dem Kommentar, Wörterbuch des deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, bearbeitet von Friederichs:
Die Amtshilfe ist die Vornahme einzelner an sich unselbständiger Amtshandlungen durch Gerichte oder Verwaltungsbehörden zur Unterstützung einer Verwaltungsbehörde,
— und jetzt kommt der entscheidende Satz —:
die die Bearbeitung der Angelegenheit in der Hauptsache in der Hand behält.
Amtshilfe kann also nur dann vorliegen, wenn die Behörde, die ersucht, die Bearbeitung der Angelegenheit in der Hauptsache selbst in der Hand behält. Und es wird niemand sagen können, daß der Weg, wie ihn hier der Entwurf geht, es der Oberfinanzdirektion überließe, die Bearbeitung der Angelegenheit in der Hauptsache selbst durchzuführen, sondern die Bearbeitung der Angelegenheit wird zur Gänze in der Ortsinstanz durch Landesbehörden durchgeführt. Damit erweist sich der Entwurf als mit dem geltenden Staatsrecht nicht vereinbar. Deshalb verstößt der Entwurf insofern gegen das Grundgesetz. Das Gesetz müßte der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof verfallen. Meine Fraktion wird einen solchen Antrag alsbald nach Errichtung eines Bundesverfassungsgerichts stellen, falls der Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung angenommen werden würde, da die politischen Gründe gegen das Gesetz in der vorliegenden Fassung so überwältigend für uns sind, daß wir keinen anderen Weg sehen.
Wenn sich schon die Steuermoral im Verhältnis zwischen Pflichtigen und Fiskus zur Zeit auf einem niedrigen Stand befindet, so ist mit moralischen Begriffen beim Verhältnis zwischen den Hoheitsträgern überhaupt nur wenig anzufangen. Wer garantiert uns dafür, daß erhobene Bundessteuern nicht unter irgendwelchen vorgeschobenen Aufrechnungsgründen von notleidenden Ländern einbehalten werden? Eine Sicherheit kann uns da nur die unmittelbare Vereinnahmung der entsprechenden, dem Bund zustehenden Gelder durch den Bund geben.