Rede von
Paul
Löbe
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Für die Fraktionen dieses Hauses mit Ausnahme der kommunistischen gebe ich die folgende Erklärung ab:
Im Namen des deutschen Volkes weist der Bundestag die gestern vom sowjetischen Rundfunk verbreitete Behauptung zurück, daß die Rückführung der deutschen Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion durchgeführt sei. Sie ist ebenso unwahr wie die längst durch die Tatsache widerlegte Behauptung der sowjetischen Nachrichtenagentur TASS vom Frühjahr 1947, daß sich damals in der Sowjetunion nur etwa 890 000 Kriegsgefangene befunden hätten.
Die Sowjetunion hat ihre sämtlichen Versprechen, die deutschen Kriegsgefangenen bis zum bestimmten Termin zu entlassen, immer wieder gebrochen.
Noch heute, fünf Jahre nach Kriegsende, warten Hunderttausende deutscher Kriegsgefangener in der Sowjetunion auf die Rückkehr in ihre Heimat. Außerdem werden noch Tausende von Verschleppten, Frauen und Männer, die niemals Soldaten waren, in der Sowjetunion zurückgehalten und sind dort zu Sklavenarbeit verdammt. Erst in der jüngsten Vergangenheit ist die Zahl dieser Unglücklichen durch Massentransporte aus den angeblich aufgelösten Konzentrationslagern der sowjetischen Besatzungszone erneut vermehrt worden.
Der Bundestag fordert von der Bundesregierung, unverzüglich Schritte bei der Alliierten Hohen Kommission zu unternehmen, um die Verwirklichung folgender Forderungen zu erreichen:
1. die Bekanntgabe der Namen, der Straftaten und des Aufenthaltsortes der zurückgehaltenen Kriegsgefangenen und der verschleppten Zivilpersonen zu erwirken;
2. die Bekanntgabe der in Kriegsgefangenenlagern des sowjetischen Machtbereichs Verstorbenen und
3. die Nachforschung nach den Verschollenen.
In unserer Not rufen wir die Welt auf und appellieren an das Gewissen eines jeden Menschen: Helft, diese unglücklichen Gefangenen zu befreien!
Die frei gewählte Vertretung des deutschen Volkes, der Bundestag, legt aufs feierlichste Verwahrung ein gegen dieses Unrecht und erwartet von der Solidarität aller demokratischen Völker, insbesondere der Vereinten Nationen, daß sie sich diesem Protest anschließen und mithelfen, damit auch dem letzten Kriegsgefangenen aller Nationen bald die Stunde der Befreiung schlägt.