Meine Damen und Herren! Man darf wohl erwarten, daß das Interesse an dieser sehr wichtigen Frage ebenso groß sein wird wie bei der Behandlung der Biersteuer die heute morgen hier eine Rolle gespielt hat. Wenn man auf der einen Seite so energisch dafür eintritt, den Bierpreis zu ermäßigen, und wenn man dabei von flüssigem Brot spricht, dann muß man sich auch dafür einsetzen, daß der Brotpreis ermäßigt wird oder der jetzige Brotpreis zumindest erhalten bleibt; denn es gibt doch eine große Menge von Menschen bei uns, die ein sehr trauriges Dasein haben, Menschen, die nicht auf flüssiges, sondern auf wirkliches Brot angewiesen sind.
Im Juli soll der Brotpreis erhöht werden. Wir halten das im Interesse der Minderbemittelten, der Schaffenden, der Empfänger von Sozialrenten und anderer Schichten nicht für tragbar. Die Anordnung, die Subvention zur Stützung des Getreidepreises zu beseitigen, ist von den Hohen Kommissaren erlassen worden. Obwohl die Kommissare diese Anordnung erlassen haben, muß ein Weg gefunden werden, die jetzigen Brotpreise beizubehalten. Die Hohen Kommissare kommen, das darf hier festgestellt werden, einem Wunsche bestimmter Kreise in Westdeutschland entgegen, zumindest kommen sie dem Wunsche des Herrn Ministers Blücher entgegen. vielleicht auch dem
des Herrn Ministers Niklas oder des Herrn Schlange-Schöningen, die daran interessiert sind, Gelder einzusparen, Gelder aus den breiten Massen hereinzuholen, um sie für andere Dinge zu verwenden. Interessieren dürfte sich für diese Frage in erster Linie der Herr Finanzminister Schäffer, der sich freut, Gelder hereinzubekommen, die er dann als Steuergeschenk an die Reichen geben kann. Das ist die eine Ursache der geplanten Brotpreiserhöhung.
Wir müssen aber auch die andere Ursache sehen. Die amerikanischen und kanadischen Weizenmagnaten fühlen sich benachteiligt dadurch, daß sie ihre Produkte bei uns im Westen Deutschlands nicht genügend absetzen können. Daher haben sie auch den Weizenpakt vorbereitet, nach welchem Westdeutschland Hauptabnehmer sein soll, weil das deutsche Volk ein zahlenmäßig großes Volk ist und sehr viel Brot konsumiert. Der Reichtum amerikanischer Farmer soll auf Kosten der Werktätigen Amerikas und der Völker, die dem Marshallplan und dem Weizenpakt angeschlossen sind, noch vermehrt werden. Bei den Bestrebungen, den Brotpreis zu erhöhen, sehen wir deutlich eine Zusammenarbeit der Bundesregierung mit den Großfarmern Amerikas. Das ist ganz klar zu erkennen. Dies wird zur Folge haben, daß die Gewerkschaften, welche bisher immer darauf hingewiesen haben, daß die Spanne zwischen Preisen und Löhnen ungeheuer groß ist, verringert werden müsse, nun mit aller Energie Lohnforderungen stellen, um den Verlust, den die Arbeiter erleiden sollen, wieder wettzumachen.
Der Herr Minister Niklas hat gelegentlich erklärt, diese Brotpreiserhöhung mache für eine fünfköpfige Familie nur 2,50 Mark im Monat aus. Das hat er vielleicht an dem Brotverzehr gemessen, den er und seine Familie haben. Aber, meine Damen und Herren, wir wollen uns doch darüber im klaren sein, daß es ganze Bevölkerungsschichten gibt, die fast nur von Brot leben. Auch wenn man nur 2,50 Mark als Grundlage nimmt, muß man daran denken, daß 2,50 Mark für große Teile unserer Bevölkerung sehr viel Geld sind. Ich erinnere an die Sozialrentner, die mit 60 Mark im Monat auskommen müssen. Ich erinnere an die Arbeitslosen, an die Kurzarbeiter, an die Alten und Siechen. Ich erinnere aber auch an einen Teil derer, die noch in den Betrieben sind, so zum Beispiel an eine große Gruppe von Bergleuten, von denen wir festgestellt haben, daß viele nur 6 Mark Schichtlohn verdienen. Weiter erinnere ich an diejenigen, die als ungelernte Arbeiter oder als nicht vollwertige Arbeiter in den Betrieben stehen, die mit 85 Pfennig pro Stunde nach Hause gehen und die von dem Wenigen, was sie in die Hand bekommen, ihre Mieten und die sogenannten fixen Kosten bestreiten müssen. Da bleibt nicht viel übrig; für die sind 2,50 Mark sehr, sehr viel Geld.
Es kann auch nicht der Vorwurf erhoben werden, wie es bei dem vorhergehenden Punkt der Tagesordnung geschehen ist, daß es sich hier um einen Propagandaantrag handele. Von Propaganda kann gar keine Rede sein. Hier handelt es sich darum, den Forderungen breitester Schichten des schaffenden Volkes gerecht zu werden. Diese Forderungen knüpfen an die Erklärung an, die Adenauer anläßlich seines Amtsantritts abgegeben und in der er betont hat, daß das soziale
Bestreben im Vordergrund all seiner Handlungen stehen werde. Unseres Erachtens geht es aber der Regierung gar nicht darum, das soziale Bestreben in den Vordergrund zu stellen, sondern in diesem Falle geht es um die Hilfe für die amerikanischen Weizenmagnaten.
Der Einkauf des Weizens hätte viel günstiger erfolgen können, wenn man den Weizen aus dem Osten bezogen hätte.
Der Osten hat viel mehr, vielleicht mehr als Amerika.
Aber wir müssen feststellen, daß die Regierung vom Osten gar nicht kaufen kann und auch nicht kaufen will. Sie kann nicht kaufen, weil es ihr verboten wird, erstens durch den Petersberg und zweitens durch die amerikanischen Großagrarier. Wenn die befehlen, dann sagt die Regierung Ja, dann gehorcht sie! Die Verbraucher aber wollen wissen, daß ihre Interessen im Parlament und von der Regierung, die nun am Ruder ist, auch vertreten werden. Diese Verbraucher haben ein feines Gefühl dafür, wer ihre Interessen vertritt.
Bei diesem unserem Antrag bietet sich nun für Sie die Gelegenheit, zu zeigen, daß Sie gewillt sind, die sozialen Interessen wirklich in den Vordergrund zu stellen. Hier bietet sich Gelegenheit, durch die Verhinderung der Brotpreiserhöhung zu zeigen, daß man soziales Verständnis und ein Herz hat für die Armen, deren es bei uns im Bundesgebiet sehr viele gibt.