Rede:
ID0106201600

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Metadaten
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag. — 62. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Mai 1950 2253 62. Sitzung Bonn, Freitag, den 5. Mai 1950. Geschäftliche Mitteilungen 2253D, 2269C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Internationalen Weizenabkommen (Drucksachen Nr. 892 und zu Nr. 892) 2254A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswartige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Zuckersteuer (Drucksachen Nr. 843 und 634) 2254B, 2260C Dr. Gerstenmaier (CDU), Berichterstatter 2260D Beratung des Antrags der Fraktion der WAV betr. Beseitigung der Preisbindungen für Bier (Drucksache .Nr. 744) . 2254B, 2260D Loritz (WAV), Antragsteller . . . 2261A Wönner (SPD) 2264A Dr. Horlacher (CSU) 2265C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 2266D Dr. Preusker (FDP) 2267D Dr. Besold (BP) 2268C Dr. Bertram (Z) • 2269A Beratung des Antrags der Abgeordneten Eckstein und Genossen betr. Erschließung der Odländereien des Emslandes (Drucksache Nr. 762) 2254C Eckstein (CDU), Antragsteller . . . 2254C Ohlig (SPD) 2255B Farke (DP) 2255D Renner (KPD) 2256B (C Dr. Glasmeyer (Z) 2257B Dannemann (FDP) 2257D Schmücker (CDU) 2259D von Thadden (DRP) 2260A Beratung des Antrags der Fraktion der WAV betr. Senkung der Kraftfahrzeugsteuer (Drucksache Nr.764) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Rademacher, Dr. Friedrich, Juncker, Dr. Schäfer und Fraktion der FDP betr. Kraftfahrzeugsteuergesetz (Drucksache Nr. 816) 2269C Loritz (WAV), Antragsteller . 2269C, 2273A Rademacher (FDP) 2271B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 2272A Dr. Mücke (SPD) 2272C Strauß (CSU) 2274B Beratung des Antrags der Abgeordneten Niebergall und Genossen betr. Brotpreis (Drucksache Nr. 809) 2276A Harig (KPD), Antragsteller 2276B 0 Niklas, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 2277B Frau Strobel (SPD) 2278A Strauß (CSU) 2280A Faßbender (FDP) 2280B Erklärung der Bundesregierung betr. TASS-Meldung über Deutsche in sowjetrussischer Gefangenschaft 2269C, 2281C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 2281C Löbe (SPD) 2282C Renner (KPD) 2283A Matthes (DP) (zur Geschäftsordnung) 2285C Beschlußunfähigkeit und nächste Sitzung 2285D Die Sitzung wird um 9 Uhr 10 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Robert Dannemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die hier zur Debatte stehende Vorlage geht in ihrer Bedeutung weit über den Rahmen des Emslandes hinaus. Wir alle kennen die großen Sorgen, die uns die Versorgung des deut-


    (Dannemann)

    sehen Volkes mit Nahrungsmitteln bereitet, insbesondere im Hinblick auf das Jahr 1952. Wir kennen die Schwierigkeiten bezüglich der Unterbringung der großen Zahl von Flüchtlingen, der Beseitigung der Arbeitslosigkeit, der Gründung neuer Existenzen usw. Das Hohe Haus hat sich in den letzten Wochen wiederholt mit allen diesen Fragen befaßt und die entsprechenden Maßnahmen eingeleitet. Auf landwirtschaftlichem Gebiete versucht man, durch Flurbereinigung, Bodenreform, Flüchtlingssiedlungsgesetz, Mechanisierung und andere Maßnahmen der Schwierigkeiten Herr zu werden. Sie alle werden zweifellos zum Teil zu einer gewissen Entlastung führen. Sie alle aber befassen sich mit Ländereien, die bereits in Kultur sind, bei denen es sich lediglich darum handelt, durch andere Nutzung oder durch andere Aufteilung eine Änderung herbeizuführen.
    Wie ganz anders liegen doch die Verhältnisse bei dem hier zur Debatte stehenden Emslandprogramm. Wir sprechen so oft vom Volk ohne Raum und wissen gar nicht, welche großen Möglichkeiten und wieviel Raum überhaupt in unserem eigenen Land vorhanden sind. Wir kennen gar nicht die Möglichkeiten der zusätzlichen Erzeugung. Wir kennen nicht die Möglichkeiten der zusätzlichen Unterbringung einer großen Zahl von Menschen. Wer einmal Gelegenheit gehabt hat, mit eigenen Augen die Weiten des Emslandes kennenzulernen — die Mitglieder des Grenzlandausschusses waren bereits dort, und die Abgeordneten aus dem Lande Niedersachsen kennen nur zur Genüge diese unendlichen Weiten des Emslandes der wird sich unwillkürlich die Frage vorlegen müssen, weswegen hier in der Vergangenheit nicht schon etwas Grundsätzliches geschehen ist.
    41 Man brauchte nur vor einigen Jahren einmal an der deutsch-holländischen Grenze auf dem bekannten Hasselberg zu stehen und seinen Blick nach Westen, nach Holland zu richten und auf der anderen Seite nach Osten, nach Deutschland, dann konnte man da feststellen, daß zwar derselbe Boden, dasselbe Klima vorhanden ist, nur mit dem einen gewaltigen Unterschied, daß auf holländischer Seite dank einer weisen vorausschauenden Staatsführung sämtliches Ödland bereits in Kultur genommen worden ist, blühende Felder entstanden sind und eine gesunde Wirtschaft aufgebaut werden konnte, während auf deutscher Seite, so weit das Auge überhaupt reichte, nichts anderes festzustellen war als Moor, Ödland und Armut.
    Nicht weniger als 100 000 Hektar, also 400 000 Morgen, liegen heute noch im Emsland brach, das ist ein Viertel der gesamten Fläche im Emsland überhaupt. Aber auch die übrigen bereits in Kultur genommenen Ländereien und die im Emsland vorhandenen Ortschaften und Städte sind derart dem Verkehr verschlossen, daß hier unbedingt etwas geschehen muß. Während zum Beispiel in der britischen Zone auf 1 qkm etwa 220 Menschen ernährt und versorgt werden müssen, beträgt die Bevölkerungsdichte in Emsland auf 1 qkm heute noch nur 59 Personen.
    Bereits mehrmals ist in der Vergangenheit versucht worden, das Emsland der Kultur zu erschließen erstmalig im Jahre 1870, als Preußen mit einem Kostenaufwand von etwa 50 Millionen Mark die linksemsischen Kanäle erbaute. Aber mit dem Bau von Kanälen allein kann man ein Gebiet nicht erschließen, sondern ein Gebiet läßt
    sich nur erschließen, wenn im Anschluß daran gleichzeitig die Besiedlung und Kultivierung des Landes vorgenommen wird, wenn gleichzeitig Wege, Straßen und Bahnen in dieses Gebiet hinein gebaut werden.
    1924 wurde zum zweiten Mal das Emslandprogramm in Angriff genommen, und zwar damals zunächst auf dem Wege eines eigens zu diesem Zweck gegründeten Zweckverbandes, dem im Jahre 1927 Preußen folgte. Durch Einsatz von Häftlingen, durch Einsatz von Strafgefangenen und später durch Einsatz des Arbeitsdienstes sind in den nächstfolgenden Jahren nicht unerhebliche Flächen in Kultur gebracht worden. Immerhin konnten durch diese Maßnahmen jährlich etwa 350 Hektar an Staatsflächen neu kultiviert und etwa 2000 Hektar an bäuerlichen Flächen erschlossen werden. An sich erfreulich und doch im Endergebnis absolut unbefriedigend!
    Es ist daher auch gar nicht verwunderlich, wenn Holland in einem besonderen Memorandum dieses Gebiet für sich beansprucht hat mit dem Hinweis darauf, daß Deutschland in der Vergangenheit nicht fähig gewesen wäre, Land in größerem Umfang zu kultivieren, und Deutschland auch in Zukunft nicht in der Lage sein würde, dieses Gebiet der Kultur zu erschließen. Sie sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß es sich hier gleichzeitig um eine außerordentlich wichtige außenpolitische Frage handelt.
    Nicht unerwähnt lassen möchte ich dann die Tatsache, daß wir im Emsland mit das wichtigste Ölvorkommen überhaupt im Bundesgebiet haben.

    (Dauernde Unruhe.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter, einen Moment! — Darf ich an das gesamte Haus die Bitte richten, die Privatgespräche in Moll und nicht in Dur zu führen.

(Heiterkeit.)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Robert Dannemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Ich sagte, daß wir im Emsland mit die wichtigsten Ölfelder haben, die wir überhaupt im Bundesgebiet besitzen. Unsere 01-felder werden im Jahre 1952/53 in der Lage sein, etwa die Hälfte des deutschen Bedarfs zu decken, wovon den Hauptanteil das Emsland liefern wird.
    Wenn die Kultivierung des Emslandes in dem bisherigen Umfang fortgesetzt werden soll, werden wir etwa 40 bis 50 Jahre brauchen. Sie werden mir zugeben müssen, daß wir unter dem Druck der Verhältnisse und in Anbetracht der vorhandenen Tatsachen uns diesen Zeitraum einfach nicht erlauben können. Wir werden hier also grundsätzlich einen Wandel herbeiführen müssen. Man darf aber nicht wieder in den Fehler der Vergangenheit verfallen, zu glauben, durch Inangriffnahme von Teilaufgaben mit diesem Problem fertig zu werden. Es darf auch nicht wieder der Fehler gemacht werden, daß man der Auffassung ist, daß politische Kreise, Landesgrenzen gleichzeitig die Grenze von Landeskulturarbeiten sein müssen. Denn ein Fluß und ein Überschwemmungsgebiet machen nun einmal an einer politischen Kreisgrenze nicht halt, sondern gehen darüber hinaus. Infolgedessen darf das ganze Emslandprojekt sich nicht nur auf die vier Emslandkreise erstrecken, sondern es muß darüber hinausgreifen auf die benach-


    (Dannemann)

    barten Kreise Cloppenburg, Bersenbrück und Teile des Kreises Vechta, jedenfalls soweit das Hasegebiet in Frage kommt, weil nur dann im Endergebnis der Erfolg überhaupt eintreten kann.
    Aus allen diesen Gründen mögen Sie bereits entnommen haben, daß wir es in Emsland mit einem außerordentlich wichtigen Programm zu tun haben, daß nicht, wie hier von einigen Rednern bereits herausgestellt worden ist, etwa eine politische Tendenz damit verfolgt wird, sondern es handelt sich hier um eine nationale Aufgabe, die das ganze deutsche Volk angeht. In gemeinsamer Arbeit und in Anbetracht der Wichtigkeit dieses Problems haben daher in den letzten Monaten und Wochen das Land Niedersachsen, die Landwirtschaftskammer Weser-Ems und das emsländische Landvolk sich eingehend dieses Problems angenommen und ein sogenanntes Zehnjahresprogramm aufgestellt, das im einzelnen folgende Ziele verfolgt. In diesem Zehnjahresprogramm wird gefordert: die verkehrsmäßige Erschließung durch Eisenbahn, Straßen und Wege; die landwirtschaftliche Aufschließung, Kultivierung und Besiedlung; die Aufforstung und Flußregulierung, Eindeichungen einschließlich des Baues einer Seeschleuse in Papenburg; die Ansetzung einer großen Zahl von Gewerbetreibenden, Flüchtlingen, Vertriebenen und Landarbeitern einschließlich Errichtung von Werken für die Veredelung, für die Verarbeitung landwirtschaftlicher Veredelungsprodukte; ferner — das bitte ich besonders zu beachten - der Bau eines großen Kraftwerkes auf Torfgrundlage, auf Grundlage eines Stoffes, der ja im Emsland in Riesenmengen vorhanden ist — nach den guten Erfahrungen, die wir mit einem ähnlichen Werk in Wiesmoor gemacht haben —; dann die Förderung der Erdölindustrie und die Förderung der bereits ansässigen Textilindustrie; damit zusammenhängend selbstverständlich auch die kulturelle Förderung des Gebietes durch Bau von neuen Volksschulen, Berufsschulen und Landwirtschaftsschulen sowie durch alles, was damit zusammenhängt. Ziel soll sein — das bitte ich zu beachten —, im Laufe von zehn Jahren in diesem gewaltigen Gebiet etwa 10 000 Hektar Staatsflächen und nicht weniger als 50- bis 60 000 Hektar bäuerliche Flächen der Kultur zu erschließen und zu besiedeln. Das heißt, im Endergebnis werden nach Durchführung dieses Plans 2000 neue Bauernstellen, 1000 landwirtschaftliche. Kleinsiedlungen und nicht weniger als etwa 10 000 Anliegersiedlungen entstanden sein. Hand in Hand damit werden die entsprechenden gewerbliche Betriebe erstellt werden müssen. Praktisch würde das bedeuten, daß nach Durchführung dieses Planes die landwirtschaftliche Nutzfläche im Emsland um etwa 50% und die Forstfläche um etwa 40% vergrößert wird.
    In diesem Zusammenhang ein kurzes Wort zur Aufforstung überhaupt. Wenn irgendwo im Bundesgebiet die Aufforstung eine Bedeutung hat, dann ist es zweifellos im Emsland der Fall. Es handelt sich nicht nur um die Neuaufforstung, sondern wir werden im Zuge dieses Plans in sehr großem Umfang ebenfalls Windschutzanlagen erstellen müssen, um den verheerenden Sandverwehungen und den Nachtfrostgefahren entsprechend vorzubeugen. Eine Aufforstung von
    mindestens 20 000 Hektar wird die unterste Grenze sein.
    Man hat ausgerechnet, daß, wenn der Plan zur Verwirklichung gebracht wird, wertmäßig jährlich für mindestens 35 Millionen DM mehr erzeugt werden kann.
    Zusammenfassend darf ich sagen, daß es sich hier, wie Sie aus diesen Ausführungen entnommen haben werden, wirklich nicht um eine Aufgabe des Emslandes, sondern um eine Aufgabe allerersten Ranges handelt, eine Aufgabe, die das gesamte deutsche Volk angeht. Hier kann man wirklich praktische Siedlungspolitik betreiben. Eine Bodenreform, nach diesen Grundsätzen durchgeführt, wird zweifellos zu ganz anderen Erfolgen führen, als wenn man durch Aufteilung und Zerschlagung größerer Betriebe lediglich eine andere Nutzung durchführt, die sogar in gewissem Umfang den Ertrag noch schmälern kann. Hier lassen sich praktisch Flüchtlinge in großer Zahl ansetzen, viel mehr als nach dem Beispiel der sogenannten wüsten oder auslaufenden Höfe. Hier im Emsland lassen sich in großer Zahl Landarbeiter, nachgeborene Bauernsöhne, Gewerbetreibende und andere Betriebe ansiedeln; hier kann man neue Existenzen schaffen. Nur allzulange haben wir in Deutschland unseren Blick nach dem Ausland gerichtet und unsere Hilfe immer nur im Ausland gesehen. Nur allzuoft haben wir die eigenen Kräfte des Bodens und die eigene Kraft vergessen. Besinnen wir uns auf diese Kräfte!
    So möchte ich zum Schluß an das Hohe Haus die Bitte richten, in diesem Emsland-Programm keine lokalen Interessen vertreten zu sehen und auch nicht irgendeine politische Tendenz in das ganze Problem hineinzulegen. Hier handelt es sich vielmehr erstmalig um ein großzügig angelegtes Programm und um die Beschreitung neuer Wege. Es handelt sich um ein Programm. das in seiner Enddurchführung letzten Endes nur dem gesamten deutschen Volk zugute kommen kann. Die FDP steht daher voll und ganz hinter dem Antrag des Abgeordneten Eckstein und möchte nur wünschen, daß das gesamte Haus sich einmütig zu dieser Auffassung bekennt.

    (Beifall bei der FDP und rechts.)