Rede von
Robert
Dannemann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die hier zur Debatte stehende Vorlage geht in ihrer Bedeutung weit über den Rahmen des Emslandes hinaus. Wir alle kennen die großen Sorgen, die uns die Versorgung des deut-
sehen Volkes mit Nahrungsmitteln bereitet, insbesondere im Hinblick auf das Jahr 1952. Wir kennen die Schwierigkeiten bezüglich der Unterbringung der großen Zahl von Flüchtlingen, der Beseitigung der Arbeitslosigkeit, der Gründung neuer Existenzen usw. Das Hohe Haus hat sich in den letzten Wochen wiederholt mit allen diesen Fragen befaßt und die entsprechenden Maßnahmen eingeleitet. Auf landwirtschaftlichem Gebiete versucht man, durch Flurbereinigung, Bodenreform, Flüchtlingssiedlungsgesetz, Mechanisierung und andere Maßnahmen der Schwierigkeiten Herr zu werden. Sie alle werden zweifellos zum Teil zu einer gewissen Entlastung führen. Sie alle aber befassen sich mit Ländereien, die bereits in Kultur sind, bei denen es sich lediglich darum handelt, durch andere Nutzung oder durch andere Aufteilung eine Änderung herbeizuführen.
Wie ganz anders liegen doch die Verhältnisse bei dem hier zur Debatte stehenden Emslandprogramm. Wir sprechen so oft vom Volk ohne Raum und wissen gar nicht, welche großen Möglichkeiten und wieviel Raum überhaupt in unserem eigenen Land vorhanden sind. Wir kennen gar nicht die Möglichkeiten der zusätzlichen Erzeugung. Wir kennen nicht die Möglichkeiten der zusätzlichen Unterbringung einer großen Zahl von Menschen. Wer einmal Gelegenheit gehabt hat, mit eigenen Augen die Weiten des Emslandes kennenzulernen — die Mitglieder des Grenzlandausschusses waren bereits dort, und die Abgeordneten aus dem Lande Niedersachsen kennen nur zur Genüge diese unendlichen Weiten des Emslandes der wird sich unwillkürlich die Frage vorlegen müssen, weswegen hier in der Vergangenheit nicht schon etwas Grundsätzliches geschehen ist.
41 Man brauchte nur vor einigen Jahren einmal an der deutsch-holländischen Grenze auf dem bekannten Hasselberg zu stehen und seinen Blick nach Westen, nach Holland zu richten und auf der anderen Seite nach Osten, nach Deutschland, dann konnte man da feststellen, daß zwar derselbe Boden, dasselbe Klima vorhanden ist, nur mit dem einen gewaltigen Unterschied, daß auf holländischer Seite dank einer weisen vorausschauenden Staatsführung sämtliches Ödland bereits in Kultur genommen worden ist, blühende Felder entstanden sind und eine gesunde Wirtschaft aufgebaut werden konnte, während auf deutscher Seite, so weit das Auge überhaupt reichte, nichts anderes festzustellen war als Moor, Ödland und Armut.
Nicht weniger als 100 000 Hektar, also 400 000 Morgen, liegen heute noch im Emsland brach, das ist ein Viertel der gesamten Fläche im Emsland überhaupt. Aber auch die übrigen bereits in Kultur genommenen Ländereien und die im Emsland vorhandenen Ortschaften und Städte sind derart dem Verkehr verschlossen, daß hier unbedingt etwas geschehen muß. Während zum Beispiel in der britischen Zone auf 1 qkm etwa 220 Menschen ernährt und versorgt werden müssen, beträgt die Bevölkerungsdichte in Emsland auf 1 qkm heute noch nur 59 Personen.
Bereits mehrmals ist in der Vergangenheit versucht worden, das Emsland der Kultur zu erschließen erstmalig im Jahre 1870, als Preußen mit einem Kostenaufwand von etwa 50 Millionen Mark die linksemsischen Kanäle erbaute. Aber mit dem Bau von Kanälen allein kann man ein Gebiet nicht erschließen, sondern ein Gebiet läßt
sich nur erschließen, wenn im Anschluß daran gleichzeitig die Besiedlung und Kultivierung des Landes vorgenommen wird, wenn gleichzeitig Wege, Straßen und Bahnen in dieses Gebiet hinein gebaut werden.
1924 wurde zum zweiten Mal das Emslandprogramm in Angriff genommen, und zwar damals zunächst auf dem Wege eines eigens zu diesem Zweck gegründeten Zweckverbandes, dem im Jahre 1927 Preußen folgte. Durch Einsatz von Häftlingen, durch Einsatz von Strafgefangenen und später durch Einsatz des Arbeitsdienstes sind in den nächstfolgenden Jahren nicht unerhebliche Flächen in Kultur gebracht worden. Immerhin konnten durch diese Maßnahmen jährlich etwa 350 Hektar an Staatsflächen neu kultiviert und etwa 2000 Hektar an bäuerlichen Flächen erschlossen werden. An sich erfreulich und doch im Endergebnis absolut unbefriedigend!
Es ist daher auch gar nicht verwunderlich, wenn Holland in einem besonderen Memorandum dieses Gebiet für sich beansprucht hat mit dem Hinweis darauf, daß Deutschland in der Vergangenheit nicht fähig gewesen wäre, Land in größerem Umfang zu kultivieren, und Deutschland auch in Zukunft nicht in der Lage sein würde, dieses Gebiet der Kultur zu erschließen. Sie sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß es sich hier gleichzeitig um eine außerordentlich wichtige außenpolitische Frage handelt.
Nicht unerwähnt lassen möchte ich dann die Tatsache, daß wir im Emsland mit das wichtigste Ölvorkommen überhaupt im Bundesgebiet haben.