Rede von
Dr.
Helmut
Bertram
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Meine Damen und Herren! Die Darstellung, die der Herr Finanzminister gegeben hat, bedarf in einigen Punkten einer Ergänzung. Die Notlage der Zigarrenhersteller ist nicht erst Ende Januar 1950 plötzlich zur Kenntnis des Finanzministeriums oder der Öffentlichkeit gekommen. Schon Monate vorher wurden wir alle mit entsprechenden Denkschriften und Bittschriften überschüttet, und in der Öffentlichkeit wurden zahlreiche eingehende Berichte gerade über die Notlage der Zigarrenindustrie erstattet. Man kann nicht annehmen, daß der Herr Finanzminister nicht auch schon seit vielen Monaten, spätestens seit Herbst 1949, über diese Situation unterrichtet gewesen wäre. Dann war es aber seine Aufgabe, die geplanten Maßnahmen unverzüglich auf dem dafür vorgesehenen gesetzlichen Wege durchzuführen. Statt dessen haben monatelange Verhandlungen stattgefunden, und zwar mit den interessierten Kreisen, und bis man sich einig war, war es Ende Januar 1950 geworden. Dann sollte — und das ist das Entscheidende und das Verfassungswidrige — von einem Tag zum andern, nachdem die Einigung zwischen dem Finanzminister und den Interessenten herbeigeführt worden war, unter Ausschaltung des Parlaments eine Steuersenkung verordnet werden.
Die Tabaksteuer ist ja insofern — und da muß ich dem Kollegen Ewers widersprechen — eine besondere Steuer, als Steuerpflichtige und Steuerträger auseinanderfallen. Bei einer solchen Steuer, bei der Steuerpflichtige und Steuerträger auseinanderfallen, bedeutet eine Stundung Erlaß. Der Herr Finanzminister hat uns im Ausschuß auch erklärt, es sei nicht möglich, bei einer solchen Stundung die Steuer nachträglich wieder einzuholen, weil ja der letzte Raucher dem Händler nicht bekannt gewesen ist und deshalb die Steuer nicht mehr eingeholt werden kann. In der Ausschußsitzung ist dem Finanzminister aber unmißverständlich zum Ausdruck gebracht worden, daß das von ihm gewählte Verfahren mit den Gesetzen nicht in Übereinstimmung steht, und er hat darauf erklärt: Mir genügt es, daß ich Ihnen die künftigen Sätze bekanntgegeben habe. Uns kann das nicht genügen!
Wenn dann erklärt wird, man könne ja mit der Regierungsmehrheit über solche Dinge hinweggehen und solche Fehler niederstimmen, so scheint mir diese Auffassung mit der Achtung vor dem Grundgesetz nicht vereinbar zu sein.
Das Grundgesetz ist eine Rechtsnorm, die uns alle bindet und der wir uns innerlich auch verbunden fühlen müssen. Nur dann, wenn wir uns auch innerlich diesem Grundgesetz und damit dem Recht verbunden fühlen und unterordnen, werden wir wirklich einen Rechtsstaat aufbauen können. Das Verfahren, das hier von dem Finanzminister oder seinem Ministerium eingeschlagen worden ist, widerspricht den Prinzipien des Rechtsstaates. Es ist eine Verwaltungsmaßnahme, eine Verwaltungsanordnung, wie sie früher üblich war, und deshalb müssen wir gegen dieses Verfahren auf das allerschärfste Protest erheben. Wir werden bezüglich dieses Punktes alle Maßnahmen ergreifen, die überhaupt nur möglich sind, sei es im Haushaltsrecht, sei es bei der Rechenschaftslegung usw., damit nicht im Anfang unseres staatlichen Lebens solche Dinge einreißen, die dann später nicht wiedergutgemacht werden können.