Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie werden nicht erwarten, daß ich innerhalb der wenigen Minuten Redezeit, die meiner Fraktion vergönnt sind, in längeren Rechtsausführungen darlege, wieso die Stundungsverordnung der Regierung nach meiner Auffassung unter allen Umständen verfassungsgemäß ist und daß von einem verfassungswidrigen Rechtsakt gar nicht die Rede sein kann.
Tatsache ist, daß, wie in der Vorlage erwähnt und heute von verschiedenen Seiten hervorgehoben, da, mals im Januar angesichts der Entwicklung in der deutschen Zigarrenwirtschaft, besonders der deutschen Zigarrenindustrie, der sofortige Zusammenbruch drohte, wobei es doch keinen Deutschen gab, der nicht wußte, daß die von den Besatzungsmächten festgelegte Zigarrensteuer ein wirtschaftliches Unding sei. Deshalb hat man eine Maßnahme ergriffen, die meiner Erinnerung nach im Steuergesetzgebungswesen keineswegs einzigartig dasteht, nämlich zunächst einmal die Steuer nach dem unmöglichen Satz gestundet, bis ein Gesetz dies sanktionieren und die entsprechende Senkung vornehmen würde. Wenn Sie der Meinung sind, daß das nicht sachgemäß gewesen sei, dann müssen Sie schon den 3 der heutigen Vorlage ablehnen; dann werden die Regierungsparteien diese Selbstverständlichkeit allein beschließen müssen.
Aber dazu möchte ich nun ein Wort sagen. Bitte, seien sich doch alle Parteien dieses Hauses darüber einig, daß die in Deutschland bis 1945 nicht mehr gewohnt gewesene parlamentarische Demokratie an sich — ich möchte sagen: ihrem Wesen entsprechend — den Mangel hat, daß sie natürlich nicht sehr rasch aktionsfähig ist, daß alle Pläne reichlich Zeit bis zur Verwirklichung brauchen. Wenn also eine entschlossene, verantwortungsfreudige Regierung eine Maßnahme rasch durchführen will, so muß sie eben zu Palliativmitteln greifen, oder es heißt: „Fiat justitia, pereat mundus!" Ich bin der Ansicht, alle echten Demokraten sollten froh sein, daß es Wege und Mittel gibt, durch die auch eine parlamentarische Demokratie einmal einem Notstand rasch begegnen kann. Das zu diesem Punkt.
Nun noch ein allgemeines Wort. Die besondere Senkung der Steuer für Zigarren ist durch die katastrophale Wirtschaftslage der Zigarrenindustrie
nicht nur gerechtfertigt, sondern auch als Sondermaßnahme notwendig. Gegen dieses Gesetz bezüglich der Steuersenkung für Zigarren sind heute auch von der Opposition keinerlei Einwendungen erhoben worden. Ich sehe gar nicht ein, warum diese Vorlage erst einem Ausschuß überwiesen werden soll. Wir könnten sie doch heute in erster Lesung verabschieden und dann morgen die zweite und dritte vornehmen. Dann wäre das Gesetz unter Dach und Fach. Ich wüßte nicht, was im Ausschuß zu diesem Teilproblem noch zu sagen wäre.
Wesentlich mehr aber und wesentlich Wichtigeres ist zu den übrigen hiermit verbundenen Anträgen zu sagen, von welchen Parteien sie immer gestellt sein mögen. Es sind dies Anträge, die mit der Interpellation wegen der Kaffeesteuer zusammenhängen, die wir vor einigen Tagen — ich glaube, bis zur nächsten Woche — zurückgestellt haben. Insoweit handelt es sich um weitere Steuersenkungen, die ja „höheren Orts", wie ich wohl sagen darf, leider nicht beliebt sind, auch dann nicht, wenn sie mehr Steuern einbringen. Man scheint im Ausland offenbar noch nicht die Erfahrung gemacht zu haben, daß übersetzte Steuern einen Steuerminderertrag zu erbringen pflegen. Diese Steuersenkungen sind aber nicht nur aus wirtschaftspolitischen Gründen erforderlich; sie sind auch nicht nur, wie Herr Dr. Höpker-Aschoff nachgewiesen hat, aus finanzpolitischen Gründen dringend geboten; für mein Gefühl sind sie noch entscheidend wichtiger aus rechtsmoralischen Gründen! Denn darin hat mein kommunistischer Vorredner vollkommen recht: der Mensch läßt sich durch noch so liebevolle Beschwörungen nicht veranlassen, redlich zu sein, wenn es sich um den Selbsterhaltungstrieb dreht. Wenn man, wie es der Fall ist, vorzüglichen Kaffee und bessere Zigaretten billiger als zu dem Preis, der legal zu zahlen ist, kaufen kann, so ist der Mensch leider Gottes zur Rechtsbrecherei nur allzusehr aufgelegt.
Ich weiß nicht, ob Sie die statistischen Zahlen über den Konsum von Kaffee und Zigaretten, insbesondere in Süddeutschland, in Berlin und hier im Westen kennen. Deshalb verstößt die Mehrheit der Konsumenten dauernd gegen unsere heutigen Gesetze, Menschen jeglichen Standes halten es also für selbstverständlich, heute Zigaretten ohne Banderolen zu rauchen! Das ist für jeden rechtlich Denkenden eine Feststellung, die nur durch Erinnerungen an die Reichsmarkzeit ermöglicht scheint und deren Voraussetzungen wir raschestens abschaffen müssen. Wir können sie nur dadurch abschaffen, daß der Schmuggelhandel unrentabel wird. Dieser ist ja zur Zeit offenbar ein hervorragend blühendes Geschäft. Er wird keineswegs vornehmlich von Deutschen betrieben — das betone ich —; die Einführer dieser Artikel gehören nicht zur Deutschen Bundesrepublik, die sitzen ganz woanders, und die Riesengewinne werden auch nicht von Deutschen bezogen, sondern die großen Geschäftemacher sitzen ebenfalls woanders; ich glaube, wohl kaum erklären zu müssen, wo. Dieser ganze Betrieb muß unrentabel werden, dann ist er mit einem Schlage beseitigt. Er ist nur dadurch rentabel, daß die Steuer auf den einzelnen Gegenstand so enorm ist, daß dabei beliebig hohe Verlustrisiken gelaufen werden können, so daß den Unternehmern dieses illegalen Handels auf jeden Fall unsinnige und unwahrscheinlich hohe Gewinnsummen zufallen.
Ich bin aus diesem Grunde der Meinung, daß die weiteren Steuersenkungsanträge eiligst und gründ-
lichst beraten werden sollten, möchte aber anregen, den besonderen Antrag auf Zigarrensteuersenkung nicht mit dieser Frage zu verquicken, sondern möglichst heute zu verabschieden.