Rede:
ID0106105600

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Metadaten
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    Vokabeln: 8
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag. — 61. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. Mai 1950 2221 61. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 4. Mai 1950. Geschäftliche Mitteilungen 2221 D Zur Tagesordnung 2222 A Fortsetzung der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen der Jugendfürsorge über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Sofortmaßnahmen zur Behebung der Not der arbeits-, berufs- und heimatlosen Jugend (Drucksachen Nr. 751 und 355) 2222 B Berlin (SPD) . . . . . . . 2222 C Kohl (Stuttgart) (KPD) . . . 2224 B Dr. Preiß (FDP) 2225 C Farke (DP) 2227 D Ribbeheger (Z) 2228 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Internationalen Weizenabkommen (Drucksache Nr. 892) 2222 B, 2229 A Dr. Niklas, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 2229 A Schreiben des Abg. Dr. Ott betr. Hospitierung bei der Fraktion der WAV . 2230 D Erste Beratung des von, den Abgeordneten Dr. Falkner, Dr. Etzel (Bamberg), Dr. Besold und Fraktion der Bayernpartei eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Art. 131 des Grundgesetzes (Drucksache Nr. 845) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Falkner, Dr. Etzel (Bamberg), Dr. Seelos und Fraktion der Bayernpartei betreffend Art. 131 des Grundgesetzes (Drucksache Nr. 824) 2231 A Dr. Etzel (Bamberg) (BP), Antragsteller 2231 A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Abgeordneten Ollenhauer und Genossen betr. Flüchtlingsausgleich (Drucksachen Nr. 841, 626 und 74) 2231 D Pfender (CDU), Berichterstatter 2231 D Stech (SPD) . . . . . . . 2233 A Donhausen (BP) 2234 A Tichi (WAV) 2234 C Krause (Z) 2235 C Müller (Offenbach) (KPD) . 2236 B Höfler (CDU) 2237 A Dr. Richter (Niedersachsen) (DRP) 2237 D Strauß (CSU) 2238 C Dr. Lukaschek, Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen 2239 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Senkung der Tabaksteuer für Zigarren (Drucksache Nr. 856) 2222 B, 2231 C, 2240 D Schäffer, Bundesminister der Finanzen . . . 2241A, 2246 C, 2248 C Neuburger (CDU) . . . . . . 2241 D Dr. Etzel (Bamberg) (BP) . . . 2242 C Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . 2243 C Kohl (Stuttgart) (KPD) . . . 2244 C Seuffert (SPD) 2245 B Ewers (DP) 2247 A Dr. Bertram (Z) 2248 A Loritz (WAV) . . . . . . . 2249 A Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Bundesfinanzhof (Drucksachen Nr. 849, 770 und 630) 2231 C, 2249 C Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP), Berichterstatter . . . 2249 C 2252 C Mertins (SPD) 2251 A Nächste Sitzung . . . . . . . . 2252 D Die Sitzung wird um 14 Uhr 37 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von August Neuburger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorgelegte Gesetzentwurf zur Senkung der Tabaksteuer für Zigarren ist nicht nur zu begrüßen; er entspricht vielmehr einem dringenden Gebot der Stunde. Geht es doch bei der Zigarrenindustrie tatsächlich um Sein oder Nichtsein und um das Schicksal von weit über 60 000 allein bei der Zigarrenherstellung beschäftigten Personen. Es geht weiter um das Schicksal ganzer Gemeinden und ganzer Kreise, weil die Zigarrenindustrie sich seit Jahrzehnten auf Grund besonderer Umstände gerade an bestimmten Orten lokalisiert hat. Diese Kreise sind heute zu ausgesprochenen Notstandsgebieten geworden. Es sind Kreise in Nordrhein-Westfalen wie Herford und Lübbecke; es sind Bezirke in Hessen, und es sind insbesondere Gebiete in Nordbaden zwischen Heidelberg und Karlsruhe einerseits und dann in Südbaden zwischen Offenburg und Freiburg andererseits. In diesen Gebieten ist die Zigarrenindustrie seit Jahrzehnten heimisch. Sie gab der Bevölkerung bisher Existenz und Brot. Diese Gebiete liegen meistens ziemlich weit von den üblichen Arbeitszentren entfernt. Sonstige Industrien sind nicht vorhanden. Es hat sich in den meisten Fällen gezeigt, daß gerade wegen der ungünstigen Verkehrslage auch verlagerte Betriebe in diesen Gebieten nur sehr schwer ansetzbar sind. Aus diesem Grunde sind die Menschen dort sozusagen mit Leib und Leben der Zigarrenindustrie verhaftet. Die Lage dieser Industrie ist von der Steuer abhängig; wenn die Steuer zu hoch ist, geht diese Industrie zugrunde.
    Bis zum letzten Krieg bestand ein verhältnismäßig gut ausgewogenes Verhältnis zwischen der


    (Neuburger)

    Besteuerung der Zigarre einerseits und der Besteuerung der Zigarette sowie des Rauchtabaks andererseits. Durch die Kontrollratsgesetzgebung — der Minister hat schon darauf hingewiesen — wurde dieses Verhältnis zuungunsten der Zigarre in einer geradezu existenzvernichtenden Weise geändert. Wenn die Folgen erst vor einem halben Jahr für jedermann erkennbar wurden, so nur deshalb. weil in den Zeiten der Reichsmark eben das Geld nicht den Wert hatte und in den ersten Monaten nach der Währungsreform die Menschen zu ihrem neuen Geld noch nicht die Beziehung hatten, wie sie das inzwischen wieder haben lernen müssen. So brach denn im Spätjahr 1949 das volle Unheil auf diese Industrie herab. Der Konsum ging radikal zurück. das Weihnachtsgeschäft sogar konnte keinerlei Belebung bringen. Die Industrie mußte kurzarbeiten und zum Teil über die Hälfte ihrer Arbeiter entlassen. Ganze Dörfer. die von der Zigarrenindustrie lebten, wurden arbeitslos.
    Dank der verantwortungsvollen Entschlußfreudigkeit des Finanzministers und der Regierung wurde damals im Februar. sozusagen in letzter Stunde die Stundung eingeführt, die in der Zwischenzeit die außerordentlich bemerkenswerte Belebung gebracht hat. Aber mit dieser Stundungsmaßnahme ist die Krisis nicht gemeistert. Der Stundung muß noch das Gesetz folgen.
    Im Anschluß daran erhebt sich weiter die Frage, ob die Stundungsermäßigungen auch tatsächlich genügen, um die Krisis der Zigarrenindustrie endgültig zu bannen. Dazu ist zu sagen. daß sie meines Erachtens nicht ganz ausreichend sind. Der Steuersatz ist heute noch 30 %. Er muß meines Erachtens insbesondere in den normal marktgängigen Waren noch weiter gesenkt werden, so daß zum
    Beispiel die Zigarre. die bisher 25 Pfennig gekostet hat — ich spreche nicht nro domo. ich bin Nichtraucher —, nur noch 15 Pfennig kostet und die bisherige 40-Pfennig-Zigarre mit 25 Pfennig auf den Markt kommen kann. Meines Erachtens ist das möglich: denn die erfolgte Stundung erweist bereits die Richtigkeit der Senkung. indem sich eben das Steueraufkommen trotz der Stundung in der Zwischenzeit erhöht hat. Daher besehen auch gar keine Bedenken. die Stundung so weit durch zuführen. daß die Zigarre wieder für die breiten Schichten unserer Bevölkerung zu kaufen ist.
    In diesem Zusammenhang kommt noch hinzu, daß mit dem Rückgang der Zigarrenindustrie auch der Tabakbauer sehr schwer gefährdet war und gefährdet ist. Die Stockung im Zigarrenabsatz hat die Preise des inländischen Tabaks in den Krisenmonaten beinahe um 50 % sinken lassen. Sie wissen, auch der Tabakanbau ist bei uns zwangsläufig, bedingt durch die klimatischen und die Bodenverhältnisse, an ganz bestimmte Gebiete gebunden. Die Bauern dort können im allgemeinen andere Produkte nur ganz unökonomisch anbauen, und die Tabakbauern dort leben zwangsläufig von dem Ertrag des Tabaks. Die Zigarrenindustrie allein nimmt diesen Tabak nicht ab.
    Damit komme ich noch zu den beiden Schwesterindustrien, zur Zigarettenindustrie und zur Rauchtabakindustrie, die auch wesentliche Bestände des inländischen Tabaks abnehmen. Auch dort sind, wie wir gehört haben und wie alle Raucher wissen, die Steuersätze unvernünftig hoch; auch dort muß an eine Senkung herangegangen werden. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den großen Umfang des Schmuggels auf diesem Gebiet. Es ist wohl für jedermann unschwer erkennbar, daß hier
    Millionen und aber Millionen verlorengehen. Wird die Zigarettensteuer gesenkt, dann unterbleibt der Schmuggel. Warum? Weil er nicht mehr interessant ist. Damit fließen dann einerseits diese Millionen dem Steuerfiskus zu, während andererseits der Raucher eine billige Zigarette hat.
    Damit möchte ich zum Schluß kommen; ich will keine weiteren Worte mehr verlieren. Verbrauchssteuern sollen den Verbrauch besteuern, sollen aber nicht den Verbrauch drosseln. Sie sollen nicht konsum feindlich sein, insbesondere dann nicht, wennn es sich um Produkte der heimischen Industrie handelt. Sind sie das, dann sind sie wirtschaftsschädlich, bringen also volkswirtschaftlich nur Nachteile.
    Wir haben seinerzeit beim Einkommensteuergesetz gesagt, daß Voraussetzung für eine gesunde Wirtschaftspolitik eine gesunde Steuerpolitik sei. Wir sehen auch in diesem' Gesetz eine Etappe auf dem Wege dahin.

    (Beifall in der Mitte.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Etzel (Bamberg).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Etzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem vorliegenden Entwurf handelt es sich um einen eigenartigen Versuch der Gesetzgebung. Er nimmt aus einer bestehenden gesetzlichen Gesamtregelung einen Sektor heraus, aus einem einheitlichen. in sich abgewogenen Gesetz, dem Tabakwarensteuergesetz, um eire isolierte, aus dem Zusammenhange gelöste steuerliche Regelung zu treffen. Der Entwurf begründet diese Vorwegnahme mit der starken Überhöhung der auf Zigarren gelegten Steuer und besonders mit der Notwendigkeit, das ursprüngliche Verhältnis in der steuerlichen Belastung der einzelnen Gruppen von Tabakwaren wiederherzustellen. Das wäre also ein finanzpolitischer Gesichtspunkt. Die Begründung sagt weiterhin, die Folge dieser steuerlichen Überhöhung — und hier kommen wir zu einer wirtschaftspolitischen und sozialpolitischen Überlegung — sei die große Arbeitslosigkeit in der Zigarrenindustrie, vor allem in Baden. Hessen und Westfalen gewesen. und dies habe auch seine Rückwirkung nicht bloß auf die Beschäftigtenzahlen, sondern auch auf den Tabakanbau in der Rheinpfalz und in Baden.
    Bei Beachtung und Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse der Zigarrenindustrie, die anders aufgebaut ist und mit anderen Mitteln und Methoden als die Zigarettenindustrie arbeitet, wird niemand verkennen, daß hier eine echte Notlage besteht, ein echter Notstand, der deswegen von besonderer sozialer Bedeutung ist, weil es sich hier nicht um innerhalb großer Fabrikgemeinschaften stehende eigentliche Industriearbeiter handelt, sondern um Menschen, die irgendwo draußen ihre eigene kleine Ackernahrung haben. Jedermann wird also der Meinung sein: es ist notwendig, der Zigarrenindustrie hier eine Erleichterung zu verschaffen.
    Weil Eile geboten schien, hat die Bundesregierung auf Grund des Art. 84 Abs. 2 des Grundgesetzes mit Zustimmung des Bundesrates eine Verwaltungsanordnung erlassen, durch welche die Steuerbeträge generell in einem gewissen Ausmaß gestundet bzw. erlassen, d. h. vergütet wurden. Diese Verwaltungsanordnung ist verfassungswidrig, denn sie bedeutet nichts anderes als eine Rechtsetzung, eine Rechtsnorm, und als solche


    (Dr. Etzel [Bamberg])

    käme außerhalb der normalen Gesetzgebung nur eine Rechtsverordnung nach Art. 80 des Grundgesetzes in Frage. Auf diesen Punkt werde ich gleich noch zu sprechen kommen.
    Wesentlich aber scheint mir zu sein, daß hier für einen Teil des Tabakgewerbes eine Sonderregelung gesucht wird, während gerade auch für die übrigen Sektoren, zum Beispiel die Zigarettenindustrie, die Lösung bestehender Schwierigkeiten ebenfalls vordringlich wäre. Durch die Vorwegnahme dieses Sondergesetzes wird nun das einheitliche Gefüge der Tabakwarenbesteuerung gestört, wenn nicht zerstört werden.
    Ich darf in dem Zusammenhang auf folgende Zahlen hinweisen. Der Steuersatz für Zigarren ist von 23 % des Kleinverkaufspreises vor dem letzten Krieg auf jetzt 46 % erhöht worden und soll nunmehr auf 30 % bzw. 35 % des Kleinverkaufspreises gesenkt werden. Mit anderen Worten: Die Steuer für die Zigarre soll jetzt von 23% des VorkriegsKleinverkaufspreises auf 30 %, also um 7% des Kleinverkaufspreises erhöht werden. Das ist eine Erhöhung des ursprünglichen Steuersatzes um 30,4 %. Der Steuersatz für Zigaretten dagegen ist von 37 % des Kleinverkaufspreises auf 66 %, also um 29% des Kleinverkaufspreises erhöht worden. Die Erhöhung beträgt hier nicht weniger als 78 % des Ausgangssatzes. Hier ist also eine viel stärkere Belastung als bei irgendeiner anderen Tabakwarenart vorgenommen worden, höher auch als bei Feinschnitt oder sonstigem Pfeifentabak, bei Kautabak oder anderen Tabakwarengruppen.